# taz.de -- Rotzen in der Öffentlichkeit: Was spuckst du? | |
> Fußballer gelten als Könige der Spuckerei. Aber auch auf der Straße wird | |
> gern und oft gerotzt. So manche Regierung kämpft dagegen an. | |
Bild: Na lecker. Auch Fußballspieler Franck Ribery rotzt gern und ausgiebig au… | |
Beim Thema Spucken sind sich die meisten einig: Die Spucke auf den Gehweg | |
gerotzt, die sich dann in einen gelblichen, qualligen Schleim verwandelt – | |
das ist einfach eklig. Auch die Welt außerhalb Europas betrachtet | |
Ausspucken zunehmend kritisch, zumindest tun das die Regierungen. | |
China arbeitet seit Jahren an der „zivilisatorischen“ Umerziehung des | |
Volkes. Dazu gehören Kampagnen, die dazu aufrufen, nicht auf den Boden zu | |
spucken und keine Schlafanzüge in der Öffentlichkeit zu tragen. Die | |
Regierung des indischen Bundesstaates Maharashtra hat kürzlich das Spucken | |
in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt. 150 Rupien, umgerechnet 1,90 | |
Euro, kostet es. Eine happige Strafe für viele Menschen. In früheren Zeiten | |
wurde bekanntlich auch hierzulande auf Teufel komm raus gespuckt. | |
Apropos Teufel: Im „Pfui Teufel!“ ist noch der Klang des Ausspuckens zu | |
hören, „Pfiii“. Laut dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens kann | |
[1][Speichel] nämlich alles Unheil, also auch den Teufel, vertreiben. Der | |
Volksglaube sprach ihm sogar reinigende Kräfte zu – Warzen wurden bespuckt | |
und schwache Augen damit eingerieben. Bibelkundige kennen noch die | |
Geschichte des Blinden, dessen Augen Jesus mit Speichel benetzte und der | |
daraufhin, so berichtet der Evangelist Markus, wieder sehen konnte. Im | |
Mittelalter fand es jedenfalls niemand ungehörig, selbst in geschlossenen | |
Räumen auf den Boden zu spucken. Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts | |
erklärte der Philosoph und Theologe Erasmus von Rotterdam: „Das | |
Herunterschlucken von Speichel ist eine Unsitte.“ Nur quer über den Tisch | |
oder direkt darauf zu spucken war dann doch des Guten zu viel. | |
Immer wieder erstaunlich, wie sich die Zeiten ändern. Unklar ist, ob | |
Norbert Elias' Zivilisationstheorie erklären kann, wie es zu dem | |
Meinungsumschwung kam. Vereinfacht ausgedrückt sagt der Soziologe Elias, | |
dass die immer größer werdenden gesellschaftlichen Verflechtungen mehr | |
Affektkontrolle erforderten. Zuerst hätten die oberen | |
Gesellschaftsschichten ihr Verhalten immer mehr kontrolliert, später die | |
unteren. | |
## In Köln kostet es, auf die Straße zu rotzen | |
Egal wie wir es erklären wollen, dem Spucken den Garaus machte dann die | |
Medizin mit der Entdeckung des Tuberkelbazillus. Jetzt war Ausspucken nicht | |
nur ekel-, sondern auch krankheitserregend. In letzter Zeit scheint sich | |
das Tabu aber wieder zu lockern. Ich selbst beobachte seit geraumer Zeit, | |
wie ungeniert manche Menschen – es sind eigentlich immer nur Männer | |
beziehungsweise Jugendliche – herumspucken. Bis auf zwei Meter vor die Füße | |
kam auch schon vor. Wird so das eigene Revier markiert? | |
Oder heißt das: Platz da, jetzt komm ich? Die absoluten Könige der | |
Spuckerei sind in jedem Fall die Fußballer. Es mag ja einen physiologischen | |
Grund geben, weshalb sie ihren Speichel bei großer körperlicher Anstrengung | |
aus dem Mund hinausbefördern müssen. Aber das erklärt noch lange nicht die | |
Spuckfontänen, die manche Spieler beim Betreten oder Verlassen des Platzes | |
von sich geben. Manchmal landen sie auch im Gesicht eines gegnerischen | |
Spielers, in einem solchen Fall gibt es immerhin eine Rote Karte und eine | |
Sperre für weitere Spiele. | |
Meist ungestraft bleibt das Ausspucken in der Öffentlichkeit. Mit | |
wohlwollender Sympathie betrachte ich daher die Kölner Stadtordnung für ein | |
sicheres und sauberes Köln. 30 bis 60 Euro kostet es, wenn öffentliche | |
Flächen durch Spucken verunreinigt und verunstaltet werden. | |
Ob das Verbot auch durchgesetzt wird? In Berlin wäre die Verordnung | |
jedenfalls nicht das Papier wert, auf dem es steht. | |
23 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Angelika Sylvia Friedl | |
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