# taz.de -- Konzert von Janelle Monáe in Berlin: Alle haben den Juice | |
> Legitime Prince-Erbin, blitzgescheite Texterin, Wegweiserin in ein | |
> besseres, schwuleres Morgen: Janelle Monáe spielte in Berlin. | |
Bild: Auf dem Thron: Janelle Monae (Foto vom Auftritt beim Coachella 2019) | |
BERLIN taz | Warum auch bescheiden beginnen, wenn man die Tür zum | |
Referenzhaus der Musikgeschichte mit Anlauf eintreten kann. Bevor Janelle | |
Monáe auf die Bühne der Berliner Columbiahalle kommt, lässt sie „Also | |
sprach Zarathustra“ von Richard Strauss aufs Publikum eindonnern, das | |
epischste aller Sinfoniegewitter, das schon Elvis als Einmarschmusik für | |
die Konzerte seiner späten Karriere benutzte. | |
Es wird also größenwahnsinnig, klar, immerhin ist die US-Künstlerin mit | |
ihrem Album „Dirty Computer“ aus dem vergangenen Jahr auf dem | |
(vorläufigen?) Höhepunkt ihres Schaffens angekommen. | |
Während sie sich auf ihrem Debütalbum „The ArchAndroid“ von 2010 noch | |
hinter einem transhumanen Alias versteckte, der Menschmaschine Cindi | |
Mayweather, hat sie sich auf „Dirty Computer“ vom allzu Konzepthaften | |
verabschiedet: Janelle Monáe Robinson höchstselbst, Sängerin aus Kansas | |
City, außerdem Schauspielerin, zu sehen etwa in dem Oscar-dekorierten Film | |
„Moonlight“, entwirft in sexy Funk- und R-’n’-B-Nummern eine kraftvolle | |
feministische Zukunftsvision. Im Video zu ihrer Single „Pynk“ tanzen sie | |
und ihre Posse in vulvalippenförmigen Hosen des Designers Duran Lantink. | |
Stadtgespräch in Berlin ist Monáe – dezidiert queer und sexpositiv, | |
dezidiert black and proud auftretend – mit ihrem Sound und Programm auch | |
abseits einschlägiger Szeneorte: In einem österreichischen Restaurant in | |
Kreuzberg reden drei Herren am frühen Abend davon, dass in der | |
Columbiahalle „so ’ne Prince-Schülerin“ auftreten soll. | |
Wenn diese Beschreibung auch etwas zu kurz greift, ist doch was dran: Der | |
2016 verstorbene Meister aus Minneapolis war ein erklärter Fan und Förderer | |
von Janelle Monáe. Auf ihrem Album „Electric Lady“ aus dem Jahr 2013 | |
schaute er als Gast vorbei, auch an „Dirty Computer“ arbeitete er vor | |
seinem Tod gemeinsam mit Monáe. | |
## Spaß am Viel-zu-viel-von-allem-Sein | |
Tatsächlich scheint der Geist ihres früheren Mentors, so viel | |
geschichtsbewusster Kitsch muss sein, die Platte wie auch den Abend zu | |
beseelen: Prince’ uhrwerkgleiche Präzision als Performer, sein Spaß am | |
Viel-zu-viel-von-allem-Sein und seine distinguierte Erotik überführt seine | |
„Schülerin“ (sic!) in eine Show, die aufrichtet und zum | |
Viel-zu-viel-von-allem-Wollen anstiftet. | |
Monáe inszeniert sich als so diszipliniertes wie fluides Wesen: Gerade noch | |
trägt sie eine Lackkappe und einen schwarzen, korsagenartigen Body, schon | |
ein Imperatorinnengewand im für sie typischen Schwarz-Weiß-Muster, dann | |
eine silberne Hose – und überhaupt viel Schillerndes, immer | |
Tambourmajor-mäßig-Strenges. | |
Der Screen im Hintergrund dokumentiert mal das sorgsam choreografierte | |
Bühnengeschehen, mal zeigt er flirrendes Glitzerblitzer: Space ist der | |
Place für diese queere Utopie. | |
Geplättet ist man also auch, wenn man sich allein von den Schauwerten | |
überwältigen lässt und nicht auf die blitzklugen Lyrics achtgibt. „See, if | |
everything is sex / Except sex, which is power / […] You know power is just | |
sex / Now ask yourself who’s screwing you“: Smarter und bündiger, als es | |
Monáe in „Screwed“ tut, kann man das Verhältnis von Sex und Macht kaum | |
beschreiben. | |
Überhaupt sind Macht und Dominanz bestimmende Themen auf „Dirty Computer“, | |
und so auch Themen des Abends. Auf der Bühne exerziert Monáe allerhand | |
Ermächtigungsgesten durch: Nach dem Zarathustra-Auftakt sieht man sie auf | |
einem Thron sitzen, sieht sie im Kreise ihrer mit Wasserpistolen | |
bewaffneten Tänzerinnen, sieht sie schließlich wie einen verdammten | |
Rockgott in der Bühnenmitte stehen und breitbeinig ein Gitarrensolo | |
spielen. Ein prima Guns-’n’-Roses-Moment, den man niemandem mehr gönnt als | |
dieser zierlichen, starken, überkandidelten Person. | |
## Komisch und stolz | |
Bei aller Gleichheit und Einigkeit, die Monáe predigt, bleibt sie selbst | |
doch die unberührbare Hohepriesterin. Meist steht sie ein wenig erhöht auf | |
der Bühne, während ihre Tänzerinnen mit ihren roten Mützen aussehen wie | |
intergalaktische Heinzelmenschen, uniformierte Gehilfinnen auf der Mission | |
für ein schöneres, schwuleres Morgen. Monáe hält ihre Bewunderer gebührend | |
auf Abstand, um ihnen trotzdem zu vermitteln: Wer komisch ist, kann stolz | |
drauf sein. | |
Zu dem Song „I Got The Juice“, bei dem ihr auf „Dirty Computer“ Pharrell | |
Williams assistiert, holt Monáe dann doch das Publikum zu sich. Eine | |
Person, die sich als Anaïs vorstellt, kommt auf die Bühne, dann ein Gast im | |
Ziggy-Stardust-Gedenk-Look, und von allen will Monáe wissen, ob sie den | |
„Juice“ haben, also die Street Credibility, den Schneid. Alle bejahen. | |
Das Publikum schreit, der Screen im Hintergrund glitzerblitzt, und alles | |
ist gut, weil man nun weiß: Elvis und Prince sind tot, aber Anaïs hat den | |
Juice, alle haben den Juice. Janelle Monáe und ihr kosmischer Spielmannszug | |
dürfen heim ins All. | |
10 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Julia Lorenz | |
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