# taz.de -- Designierte IWF-Chefin: Alles, aber keine Technokratin | |
> Die EU will die Bulgarin Kristalina Georgiewa als neue Chefin des | |
> Internationalen Währungsfonds. Wer ist die ehemalige EU-Kommissarin? | |
Bild: Kristalina Georgiewa auf dem jährlichen Frühjahrestreffen von IWF und W… | |
Sie habe bei ihrem Besuch an der syrisch-jordanischen Grenze schreckliche | |
Dinge gesehen, schrieb Kristalina Georgiewa im Mai 2013: entkräftete | |
Flüchtlinge aus Syrien etwa, die von Massakern berichteten. Immer wieder | |
besuchte die damalige EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz | |
im Tschad, im Irak oder in der Zentralafrikanischen Republik Flüchtlinge, | |
sie koordinierte Hilfe für Flutopfer oder Erdbebenopfer auf den Philippinen | |
oder in Haiti – und schrieb darüber [1][in ihrem Blog]. | |
Die Frau, die nach dem Willen der EU-Staaten bald Chefin des | |
Internationalen Währungsfonds IWF werden soll, ist alles andere als eine | |
kühle Technokratin. Am Freitag nominierten die EU-Staaten die 65-jährige | |
Bulgarin. | |
Die Abstimmung allerdings sei chaotisch verlaufen, hieß es in verschiedenen | |
Medien. Unter anderem Deutschland und Frankreich waren sich uneinig, Berlin | |
unterstützte den früheren Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, einen | |
Niederländer. Der war bei den südeuropäischen Ländern wegen seiner harten | |
Sparauflagen während der Finanzkrise verschrien. Am Ende erzielte Georgiewa | |
zwar eine Mehrheit, aber nicht die qualifizierte Mehrheit, also mindestens | |
55 Prozent der EU-Staaten, die mindesten 65 Prozent der Bevölkerung | |
repräsentieren sollte. | |
Trotzdem ist sie nun nominiert und kann vom Gouverneursrat des IWF gewählt | |
werden. In dem haben die Länder ungefähr so viele Stimmen, wie sie Geld für | |
den Fonds bereitstellen – Deutschland rund 5,6 Prozent. Zum Zeitpunkt der | |
Wahl wird Georgiewa bereits 66 sein, eigentlich zu alt nach den Statuten | |
des IWF. Die sollen deshalb extra geändert werden. Ob es dafür eine | |
Mehrheit geben wird, ist noch unklar. Traditionell stellen die Europäer die | |
Chefs des IWF, die USA die Chefs der Weltbank. Ein Verfahren, das von den | |
Entwicklungsländern immer wieder kritisiert wird. | |
## Ökonomin mit Marx-Hintergrund | |
Deren Probleme kennt Georgiewa aus eigener Ansicht sehr gut. Sie bringt | |
auch einen für den oft als neoliberal kritisierten IWF ungewöhnlichen | |
Hintergrund mit: 1967 schloss die Ökonomin ihr Studium in Sofia an einer | |
Hochschule ab, die nach Karl Marx benannt war. | |
Nun wird sie wahrscheinlich die Französin Christin Lagarde beerben, die | |
Chefin der Europäischen Zentralbank wird. Der IWF wurde gemeinsam mit der | |
Weltbank zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gegründet. Er soll als | |
weltweites Gremium darüber wachen, dass keine großen Währungsturbulenzen | |
entstehen und zu politischen Unwägbarkeiten führen. Unter anderem vergibt | |
er Kredite an überschuldete und in Zahlungsschwierigkeiten geratene | |
Staaten. Das geschah in der Vergangenheit allerdings oft mit harten | |
Auflagen und erzwungenen Privatisierungen. Derzeit gehören 189 Staaten der | |
Organisation an. | |
Momentan leitet Georgiewa als Interimschefin die Weltbank, bei der sie seit | |
2017 ist – zuständig für die Vergabe von Krediten an Entwicklungs- und | |
Schwellenländer. Eine Zeit der misslungenen Transformation: Zwar verkündete | |
die Weltbank in den letzten Jahren, keine Kredite mehr für Kohle-, Öl- und | |
Gasprojekte zu vergeben. Eine Studie der NGO urgewald zeigt jedoch, dass | |
die Weltbankgruppe allein in Afrika in den vergangenen fünf Jahren fossile | |
Energieträger mit rund 4,6 Milliarden Dollar gefördert hat. (mit dpa) | |
4 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://ec.europa.eu/archives/commission_2010-2014/blogs/georgieva/index.ht… | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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