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# taz.de -- Kolumne „Durch die Nacht“: Sommer ohne Sommerhit?
> Unser Autor findet diesen Sommer fast perfekt. Fast. Denn ihm fehlt noch
> der passende Sommerhit. Zum Glück gibt es da noch den Berliner Rapper
> Sido.
Bild: Früher Gangsta-Rap mit eiserner Maske, heute Sommerhit oben ohne: Rapper…
Sehr viel heißer wird es dieses Jahr wahrscheinlich nicht werden, mehr
Sommer kann kaum noch kommen. Was jetzt noch neben einem freien Tag am
Badesee und einem Ventilator im Büro zum perfekten Glück fehlt, ist ein
Sommerhit. Beziehungsweise: DER Sommerhit.
Ein Song halt, der ständig und überall im Biergarten, auf jeder
Radiofrequenz und auf dem Balkon des Nachbarn immer dann zu hören ist, wenn
das Thermometer die 30-Grad-Marke reißt. So etwas wie „Macarena“, „Mambo…
5“ oder „The Ketchup Song“, Sommerhit-Klassiker, zu denen man sich ganz
automatisch einen Bacardi-Rum einschenken möchte und das Gefühl unheimlich
dringlich wird, dass man endlich mal wieder in den All-inclusive-Urlaub
fahren müsste.
Aber vielleicht stimmt die Behauptung auch gar nicht, dass der Sommerhit
2019 aktuell noch ganz dringend ausstehen würde, weil sonst einfach etwas
fehlen würde. Vielleicht ist das zwanghafte Fahnden nach und Ausrufen von
Sommerhits am Ende nur noch etwas für hoffnungslose Nostalgiker und das
Genre eher tot.
„Bella Ciao“ von El Profesor, im Remix des DJs Hugel zum Beispiel, galt als
offizieller Sommerhit im letzten Jahres, aber die Nummer ist inzwischen
dermaßen vergessen, als hätte es sie nie gegeben. Und wenn ich mir das
nichtssagende Stück Plastik-House noch einmal anhöre, kann ich dazu nur
sagen: Glücklicherweise ist das so. Die Strandbar, die ich mir dazu
vorstelle, möchte ich eigentlich lieber nicht von innen sehen.
## Wo man auch hinhört: Gangsta-Rap
Guckt man sich so um in den Charts, drängt sich aktuell nicht einmal solch
eine schale Nummer wirklich als Sommerhit auf. Geschweige denn irgendein
Song, der wenigstens Wörter wie „Jamaica“ oder „Summer“ im Titel hätt…
Eine Hürde für die Etablierung eines echten Sommerhits 2019 scheint mir
auch zu sein, dass dieser natürlich genau in den heißen Monaten des Jahres
ganz weit oben gelistet sein müsste, denn nur dann ist er schließlich auch
ein echter Hit für den Sommer.
Doch wie will man seinen Gute-Laune-Song, der naturgemäß möglichst so
klingen sollte, wie sich ein frisches Lüftchen abends an der italienischen
Adriaküste anfühlt, nach ganz weit vorne in den deutschen Hitparaden
bringen, wenn dort alles vollgestopft ist mit Berliner Gangsta-und
Battle-Rap? Capital Bra und Co dominieren alles. Deren wenig entspannende
Songs über Koks, Nutten, Geld und noch mehr Drogen haben vielleicht das
Potenzial, zu Sommerhits von in Berlin lebenden libanesischen
Clan-Mitgliedern zu werden, aber es fehlt ihnen doch ganz eindeutig dieser
bereits angesprochene relaxte Vibe, um auch von der Allgemeinheit als
solche anerkannt zu werden.
Eine löbliche Ausnahme ist da vielleicht „Energie“, der neue Top-Ten-Hit
vom ehemaligen Rapper mit der Maske, dem Berliner Sido, zusammen mit
Luciano. Ganz heimlich – eine allzu offensichtliche Bewerbung gälte
innerhalb des Genres wahrscheinlich als eher uncool –, so habe ich den
Eindruck, bewirbt sich dieser für den Titel „Sommerhit 2019“.
Sicherlich nicht aufgrund des Gebelles Lucianos und auch nicht wegen Sidos
eher unmotivierten Rap-Einlagen, aber doch wegen dem formschönen
sommerlichen Video-Clip zum Song. Gut gebaute Männerkörper in Shorts und
sonst nichts, Ausreiten beim Sonnenuntergang auf frisch gemähten Wiesen,
Strandimpressionen, Palmen, all das, was zu einem echt guten Sommer mit
dazugehört, ist hier zu sehen. „Energie“ klingt nicht unbedingt wie DER
Sommerhit für Berlin 2019, sieht aber wenigstens so aus. Mehr kann man
vielleicht in dieser Song-Disziplin gerade einfach nicht erwarten.
4 Aug 2019
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Hochsommer
HipHop
Sommerzeit
Musikvideo
Wir retten die Welt
Gangsta-Rap
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