# taz.de -- WM-Aus gegen Schweden: Das war zu wenig | |
> Die deutschen Nationalspielerinnen zeigten im Viertelfinale gegen | |
> Schweden, dass sie zur Weltspitze gehören. Leider nur in den ersten 15 | |
> Minuten. | |
Bild: Mit der Niederlage im Viertelfinale verpasst Deutschland auch die Olympia… | |
RENNES taz | Potential, Prozess und Zukunft. Das waren die drei zentralen | |
Begriffe, die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg [1][nach dem | |
Viertelfinal-Aus] der deutschen Mannschaft gegen Schweden verwendet hat. | |
Ihr Team sei jung, es stecke viel Potenzial in der Gruppe. Das frühe | |
Ausscheiden dürfe den Prozess des Neuaufbaus, den sie eingeleitet hat, als | |
sie Ende 2018 des Traineramt übernommen hat, nicht aufhalten. Und um die | |
Zukunft des deutschen Fußballs brauche man sich keine Sorgen machen. | |
Es gebe genügend Talente. Mit 1:2 hatte die deutsche Auswahl gerade gegen | |
Schweden verloren und nicht wirklich eine Chance gehabt, obwohl sie sogar | |
geführt hatte. Ist da wirklich alles auf einem guten Weg. Gehört die | |
DFB-Auswahl wirklich noch zur Weltspitze, wie es Martina Voss-Tecklenburg | |
meint? | |
Ja, da waren die ersten 15 Minuten dieses Spiels. Da zeigte sich das | |
deutsche Team so, wie man es in diesem Turnier noch nicht gesehen hatte. | |
Die Spielerinnen waren mit dem festen Vorsatz auf den Platz gegangen, das | |
Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Der Ball lief flüssig, die Pässe | |
kamen an, Chancen wurden kreiert und verlorene Bälle früh zurückerobert. | |
Das hatte etwas. Der Trainerin gefiel es. Den Spielerinnen auch. Der | |
Führungstreffer fiel. Aber es waren eben nur 15 Minuten. 15 gute Minuten in | |
drei Wochen Weltmeisterschaft. Man darf sich ruhig Sorgen machen um die | |
Qualität des deutschen Fußballs. | |
Im Spiel gegen Schweden war es ein hoher Ball, der den Deutschen jedes | |
Selbstvertrauen nahm. Weil hinten die Absicherung fehlte, konnte Sofia | |
Jakobsson in der 22. Minute recht unbedrängt zum Ausgleich einschießen. Die | |
Schwedinnen setzten nun ihre Körper ein, gewannen fast jeden Zweikampf und | |
als das 2:1 kurz durch Stina Blackstenius nach der Pause gefallen war, | |
verkrampften die Deutschen zusehends. Was blieb, war die Erinnerung an die | |
erste Viertelstunde des Spiels. Es war zu wenig. | |
## Alexandra Popp auf der Sechser-Position | |
„Wir sind gut in das Spiel hineingekommen.“ Das ist der Satz den | |
Fußballerinnen nach so einem Spiel sagen. Lina Magull, die Torschützin zum | |
1:0 in der 16. Minute, hat ihn gesagt. 24 Jahre ist und wird sicher noch | |
lange für die DFB-Auswahl spielen. Andere im Team haben noch mehr Zukunft. | |
[2][Giulia Gwinn], 19, zu Beispiel, die zuerst hinten rechts, dann hinten | |
links gespielt hat und der auch in diesem Spiel mehr gelungen ist als | |
etlichen ihrer Kolleginnen. Sie hat das Team ebensogut ins Spiel kommen | |
sehen, wie Lena Oberdorf, die 17-jährige Schülerin. | |
Ja, da ist Zukunft. Ja, das kann einmal etwas werden. Und es ist durchaus | |
mutig von er der Bundestrainerin gewesen, drei Teenager in das WM-Aufgebot | |
berufen zu haben. Sie haben für die netten Geschichten bei dieser WM | |
gesorgt. Wenn es auf dem Platz schon nicht läuft, dann war es daneben | |
wenigstens schön. | |
Oberdorf, Gwinn und 18-jährige Klara Bühl, die diesmal nicht zum Einsatz | |
gekommen ist, haben mit ihrer Unbekümmertheit im Umgang mit den Medien | |
vieles überdeckt, was es vom ersten Spiel an zu kritisieren gab. Da gab es | |
zunächst keine Stammelf. Dann wurde noch während des Turniers am System | |
geschraubt und bis zum Schluss wurde munter auf den Positionen rochiert. | |
Gegen Schweden startete Alexandra Popp auf der Sechser-Position, in den | |
anderen Spielen war sie als Stürmerin auf den Platz gegangen. | |
Dass die Mannschaft nicht fertig ist, dass sie sich in einem Prozess | |
befindet, das war offensichtlich während des Turniers. Dass Martina | |
Voss-Tecklenburg viel probiert hat, kann man loben, dass sie immer weiter | |
gebastelt hat, kann aber auch als Zeichen von Ratlosigkeit deuten. | |
Sicher hat auch die Verletzung der einzigen deutschen | |
[3][Ausnahmefußballerin Dzsenifer Marozsan] im ersten Turnierspiel ihren | |
Teil dazu beigetragen, dass die Trainerin keine Konstanz in das Spiel der | |
Mannschaft bringen konnte. Sie war gesetzt als Herz der Mannschaft. Als das | |
nicht mehr schlagen konnte, wurde das Spiel arg amorph. Es zerfiel. Gegen | |
Schweden wurde die genesene Marozsan nach der Pause eingewechselt. Doch das | |
Team hatte sich in den Spielen ohne sie von ihr entfremdet. Sie wurde | |
übersehen. | |
## Die Zukunft gehört anderen | |
Voss-Tecklenburg meinte beinahe schon trotzig nach dem Spiel, Marozsan habe | |
genau das gezeigt, was sie von ihr erwartet habe. Welche Rolle sie, die bei | |
ihrem Klub Olympique Lyon ein ums andere Mal über den grünen Klee gelobt | |
wird, in der Nationalmannschaft aber immer wieder Pech hatte, in der | |
weiteren Planung der Trainerin spielt, bleibt abzuwarten. Ein bisschen | |
Gegenwart wird sie noch haben, die Zukunft wird dann anderen gehören. Den | |
Teenagern im Team vielleicht. | |
Auch nach der Niederlage gegen Schweden wollte man etwas Nettes von denen | |
hören. Oberdorf hatte noch Tränen in den Augen, als sie sagen sollte, dass | |
die WM doch auch ein tolles Erlebnis gewesen sein muss und Gwinn fiel erst | |
mal gar nichts ein. „Was soll ich denn jetzt noch sagen!“, fragte Lina | |
Magull, als sie sich durch die Mixed Zone zum letzten Fragesteller | |
durchgekämpft hatte. „Das ist doch alles beschissen.“ | |
Beschissen ist vor allem die verpasste Olympiaqualifikation. Die ist für | |
die drei besten europäischen Teams der WM reserviert. Dazu gehören die | |
Deutschen nun nicht mehr. Im angestrebten Prozess fehlen der | |
Bundestrainerin jetzt Wettbewerbsspiele auf hohem Niveau. In der | |
EM-Qualifikation treffen die Deutschen auf Gegnerinnen, „die wir sicher | |
schlagen, sollen, müssen und werden“, wie Voss-Tecklenburg sagte. Das | |
nächste Pflichtspiel bestreiten die Deutschen am 31. August in Kassel gegen | |
Montenegro. Und wenn im Sommer darauf die Olympischen Spiele in Tokio | |
laufen, haben die Deutschen erst mal frei. „Ich möchte gar nicht daran | |
denken“, sagte Lina Magull. | |
30 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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