# taz.de -- Anti-Rape-Produkte: „Schütz dich!“ | |
> Schnittfeste Unterwäsche oder Kondome, die sich in den Penis einhaken: | |
> Sind Produkte zur Vorbeugung von Vergewaltigungen der richtige Ansatz? | |
Bild: München im Juli: Auf dem „Slut Walk“ demonstrieren TeilnehmerInnen g… | |
„Kennst du das Gefühl, wenn du draußen bist, dass hinter jeder Ecke jemand | |
auftauchen könnte, um dich zu überfallen?“ So bewirbt die Marke „Safe | |
Shorts“ ihr Produkt. Die Sicherheitshosen sollen vor sexuellen Übergriffen | |
schützen. Sie sind eines von zahlreichen neuen Produkten, die von der Angst | |
vor sexueller Gewalt leben. Die Klassiker unter ihnen: Pfefferspray und | |
Taschenalarm. Ein kleines Gerät, das Angreifer durch einen lauten Ton | |
verjagen soll. | |
Von einer Kommerzialisierung der Angst kann man (noch) nicht sprechen, denn | |
die meisten „Anti-Rape-Devices“ sind Nischenprodukte oder schaffen gar | |
nicht erst den Sprung von der Idee zur Marktreife. Auch scheint die | |
Angebote eines zu verbinden: Sie sind gut gemeint, vielleicht auch in | |
Einzelfällen hilfreich. Und die meisten Anbieter wollen ihre Erfindungen | |
eher als einen Beitrag für eine Zukunft sehen, in der solche Produkte nicht | |
mehr nötig sind. | |
Dennoch: Die breite Palette an Anti-Rape-Geräten verfestigt fehlerhafte | |
Vorstellungen und ist damit auch selbst problematisch. Die wenigsten | |
Übergriffe passieren nachts im Wald. Gewalttätige Beziehungen, | |
[1][Vergewaltigungen durch Bekannte oder Übergriffe im Arbeitskontext sind | |
das häufigere Problem]. Safe Shorts und Co konzentrieren sich jedoch auf | |
den Schutz vor Angriffen von bösen Fremden und reproduzieren damit den | |
Fokus auf Ausnahmenfälle. | |
Ihr „Schütz dich!“-Diskurs schiebt die Verantwortung dabei den potentiellen | |
Opfern zu, anstatt gegen Rape Culture und die Objektifizierung von Frauen | |
zu kämpfen. Frauen Gadgets an die Hand zu geben, ist keine effektive | |
Prävention. | |
Auch Studien setzen sich mit verschiedenen Antivergewaltigungs-Technologien | |
auseinander. Das Problem sexueller Übergriffe einfach weginnovieren? So | |
einfach ist es leider nicht. | |
## Die Produkte und was sie versprechen | |
Safe Shorts: Die Sporthose wird mit reißfesten Schnüren festgezurrt und | |
abgeschlossen. Sollte jemand an den Shorts zerren, lassen sich die nicht | |
nur nicht ausziehen, sondern lösen auch einen lauten Alarm aus. Die | |
Erfinderin der Shorts entwickelte die Idee, nachdem sie beim Joggen | |
angegriffen worden war und berichtete nach der Berichterstattung über die | |
Silvesternacht in Köln über große Nachfrage. Der Anbieter meint: „Ein | |
Keuschheitsgürtel kann mich schützen, aber er ist zu schwer und schneidet | |
mir in die Haut. Klar, mit Metallgestell zu joggen ist unpraktisch, gut | |
also, dass es Safe Shorts gibt | |
WayGuard – App: Die App sendet GPS-Daten an ausgesuchte Bekannte und an | |
eine Leitstelle. So kann frau sich aus der Ferne begleiten lassen und im | |
Notfall schnell Hilfe bekommen. Entwickelt von der Versicherung AXA und der | |
Polizei Köln, hat die kostenlose App deutschlandweit bereits 260.000 | |
Nutzer*innen. Auf der Homepage außerdem: „Verhaltenstipps: Wie du dich | |
besser schützen kannst!“ Am Ende bleibt die Prävention doch an dir hängen. | |
Die App kann immerhin Sicherheit vermitteln, vorausgesetzt, Akku und | |
Internetverbindung halten. | |
Yes to Sex – App: Vor dem Sex nochmal kurz innehalten, Handy raus, und ein | |
paar Häkchen setzen. Bist du in Stimmung? Bei Bewusstsein? Schnell eine | |
Verhütungsmethode auswählen und ein lautes „Ja“ oder „Nein“ aufnehmen… | |
schon kann’s losgehen. Auf GooglePlay zählt die App 100.000 Installationen. | |
Dort wird es vor allem als Sex Education Tool angeboten. „Erleichtert die | |
Peinlichkeit, nach [2][sexuellem Einverständnis] zu fragen“, finden die | |
Anbieter. Anstatt sensibel miteinander umzugehen, lieber per App eine | |
Vereinbarung aufsetzen. Weniger awkward? Na ja. | |
Xantus – Drinkcheck: Der Papierstreifen wird als Armband getragen. Ein paar | |
Tropfen des verdächtigen Getränks auf das Testfeld geträufelt geben nach | |
zwei Minuten Aufschluss darüber, ob K.O.-Tropfen drin sind oder nicht. Eine | |
von mehreren Varianten sogenannter „Date Rape Drug Tests“. Im dm-Onlineshop | |
gibt’s 4 Streifen für 10 €. Eines der Verkaufsargumente: „Durch das Trag… | |
werden Täter im Vorfeld abgeschreckt.“ Und kippen die Tropfen in das | |
Getränk der nächsten Person? | |
Invi Bracelet: Wird das Armband aktiviert, setzt es einen übelriechenden | |
Stoff frei. Das soll Angreifer abschrecken und andere alarmieren. Das | |
Lederarmband kostet immerhin 70 Euro, ist dafür aber in drei Farben | |
erhältlich. Entwickelt wurde es in den Niederlanden, wo Pfefferspray | |
verboten ist. Das Unternehmen verkauft seine Armbänder mit einer Mission: | |
„Trage es um das Schweigen zu brechen und Bewusstsein zu verbreiten.“ Wie | |
ein Taschenalarm, nur für die Nase, statt für die Ohren. Dass Gestank zudem | |
als sexuelle Antistimulanz wirken soll, überrascht nicht wirklich. | |
Rape-aXe: Das „Femidom“ wird in die Vagina eingeführt. In seinem Inneren | |
sind Klingen angebracht, die sich bei einer Penetration in den Penis | |
einhaken und nur noch von medizinischem Fachpersonal entfernen lassen. Der | |
Prototyp wurde schon 2009 vorgestellt. Das Fundraising läuft noch immer. | |
„Wenn ich da unten nur Zähne hätte!“ Dieser Wunsch soll die Inspiration f… | |
das Rape-aXe Design gewesen sein. Sexuelle Übergriffe verhindern kann | |
Rape-aXe nicht, aber vermutlich dafür sorgen, dass Vergewaltiger nicht zu | |
Wiederholungstätern werden. | |
25 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schlagnitweit | |
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