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# taz.de -- Duschmobil für obdachlose Frauen: Ein erfrischender Einfall
> Nach einer Parisreise hatte Matthias Müller eine Idee: ein Duschmobil für
> Obdachlose. Ab August soll es durch Berlin rollen – nur für Frauen.
Bild: Matthias Müller und sein Duschmobil
Die Idee zu dem Duschmobil hatte Matthias Müller vor zwei Jahren. Damals
hörte er von solchen mobilen Duschwagen in Paris, in denen sich
Wohnungslose waschen können. So ein Hilfsangebot wollte der Inhaber einer
Berufsbekleidungsfirma auch in Berlin umsetzen und kaufte kurzerhand einen
Bus, den er seither in Eigenregie umbaut. Müller treibt der Wille an,
Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie ihm selbst.
Wie der Bus nach dem Umbau zum Duschmobil ausschauen sollte, dafür hatte
Matthias Müller konkrete Vorstellungen. Besonders wichtig ist ihm, dass der
Bus wetterfest ist, damit auch im Winter warme Duschen darin möglich sind.
Einen „Schönwetterbus“ könne ja jeder bauen, sagt der gelernte
Maschinenbauer selbstbewusst. Die gestalterische Herausforderung reizte
ihn. „Trial and error“ war für ihn aber keine Option – denn wenn der Bus
einmal auf der Straße fahre, müsse er funktionieren. Darum ließ er sich
etwa beim Ausbau der Busdecke von zwei Potsdamer Schiffsbauern helfen.
Gedacht ist das Duschmobil für obdachlose Frauen. Pro Duschgang wird dabei
nur jeweils eine Nutzerin Platz finden. Eine Massendusche solle es nicht
werden, vielmehr sollen die Frauen in der 4-Quadratmeter-Dusche mit viel
Ruhe duschen können. „Das sind zweimal zwei Meter Wellness“, so Müller.
Dank eines 75-Liter-Tanks können sich pro Tag fünf Personen in dem
Duschwagen waschen, eine Heizung sorgt für Warmwasser, Solarzellen auf dem
Dach versorgen den Bus mit Strom.
Den enormen Aufwand, den Müller betreibt, kann sein Bekanntenkreis häufig
nicht nachvollziehen. „Ich werde oft gefragt: ‚Warum tust du dir das an?‘…
Einfach nur Geld zu spenden hätte ihm aber nicht gereicht. „Da steckt nicht
meine DNA drin.“
## Oft Gewalterfahrung
Selber fahren möchte er den Duschbus aber nicht. Das Projekt solle nicht
nur eine Waschmöglichkeit für obdachlose Frauen darstellen, sondern auch
der Kontaktaufnahme dienen. „Das müssen Profis machen, die den Zugang zu
den Frauen haben“, so Müller, der hofft, dass das Duschmobil ein Treffpunkt
für die Frauen wird.
Die nötige Unterstützung für sein Konzept findet er beim Sozialdienst
katholischer Frauen, dem Müller den dann fertigen Bus Anfang Juli übergeben
will. Der Sozialdienst bietet zahlreiche Angebote wie Notunterkünfte und
Beratungsstellen speziell für wohnungslose Frauen an.
Ursula Snay, Pressesprecherin des Dienstes, glaubt an Müllers Projekt, denn
durch den Duschbus könnten mögliche Hemmnisse abgebaut werden. Laut Snay
hätten obdachlose Frauen häufig Gewalterfahrungen machen müssen, manchmal
selbst in Hilfseinrichtungen. Daher scheuten viele den Gang zu diesen
Organisationen. Mit einem Mobil könnte der Sozialdienst auch diese Frauen
erreichen: „Für viele Frauen ist es eine Hürde, in eine Institution zu
gehen, wir gehen zu den Frauen hin.“
Bisher gibt es nur wenige Duschmöglichkeiten für Obdachlose in Berlin. Die
Stadtmission betreibt am Bahnhof Zoologischer Garten ein Hygienecenter, in
dem Menschen, die auf der Straße leben, eine Duschmöglichkeit haben. Über
200 Menschen nehmen das Angebot der Bahnhofsmission täglich wahr. Etwa ein
Fünftel der Nutzenden seien Frauen, so der Bahnhofsmission-Leiter Wilhelm
Nadolny. Er betont die Relevanz von geschützten Räumen für wohnungslose
Frauen, denn Nadolny beobachtet einen „wachsenden Anteil der obdachlosen
Frauen proportional zur Gesamtzahl der wohnungslosen Menschen in Berlin“.
Belastbare Zahlen gebe es jedoch keine.
Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zufolge sind
etwa ein Viertel der Wohnungslosen in Deutschland Frauen. Wie viele
Obdachlose insgesamt in der Hauptstadt leben, ist nicht bekannt, der
rot-rot-grüne Senat möchte in diesem Jahr aber eine Zählung durchführen
lassen.
## Mobiler Standortvorteil
Laut Nadolny ist das Angebot am Bahnhof Zoo möglichst niedrigschwellig
gestaltet, eine Hürde sei jedoch die Anfahrt. Der große Vorteil des
Duschmobils ist eben dessen Mobilität.
Ein ähnliches Hilfsprojekt ist derzeit auch in Hamburg geplant. Bis der
durch Crowdfunding finanzierte GoBanyo-Bus jedoch Obdachlosen in der
Hansestadt Duschmöglichkeiten anbieten kann, dauert es noch einige Monate.
In Berlin soll es im August mit den Fahrten des Duschmobils durch die Stadt
losgehen. Der Bus soll dabei an verschiedenen Orten stehen, wo der Kontakt
zu obdachlosen Frauen hergestellt werden kann. Laut Ursula Snay werden
möglichst zentrale Anlaufstellen angefahren, die aber trotzdem genügend
Schutz bieten, um die Privatsphäre der Frauen zu respektieren.
Zwei Sozialarbeiterinnen des Sozialdienstes katholischer Frauen sollen an
fünf Tagen pro Woche mit dem Bus unterwegs sein. Snay kalkuliert die
jährlichen Kosten dafür auf 80.000 bis 100.000 Euro. Gespräche zur
Finanzierung durch den Senat liefen zwar noch, das Projekt sei aber
politisch gewollt. Matthias Müller wünscht sich lediglich, dass seine Idee
gut angenommen wird – „und ein paar Menschen glücklich macht“.
26 Jun 2019
## AUTOREN
Corinna Koch
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Obdachlosigkeit
Obdachlosigkeit
Zweckentfremdung
Wohnungslosigkeit
Obdachlosigkeit
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