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# taz.de -- Urteil zum Töten männlicher Küken: Schreddern bleibt zunächst e…
> Das Bundesverwaltungsgericht verbietet zwar das Töten frisch geschlüpfter
> männlicher Küken – gewährt jedoch eine Übergangsfrist.
Bild: Albert Schweizer Stiftung protestiert vor dem Gericht mit einer symbolisc…
Berlin/Leipzig taz | Es ist ein Urteil, wie es sich die Geflügelwirtschaft
gewünscht hatte: Brutbetriebe dürfen männliche Küken weiterhin kurz nach
der Geburt grausam vergasen und in den Schredder werfen. [1][Das entschied
das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag in Leipzig.] Das wirtschaftliche
Interesse der Zuchtbetriebe sei allerdings im Sinne des Tierschutzgesetzes
künftig kein vernünftiger Grund mehr, der das Töten männlicher Küken
rechtfertige, urteilten die Richter. Nur solange es noch kein marktreifes
Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei gebe, beruhe eine Fortsetzung der
bisherigen Praxis des millionenfachen Kükentötens derzeit noch auf einem
„vernünftigen Grund“.
Sobald es ein marktreifes Verfahren gebe, müssten die betroffenen
Brütereien ihre derzeitige Praxis ändern. Das Entscheidende an dem Urteil
ist eine neue Auslegung des Tierschutzgesetzes. Danach ist es künftig nicht
mehr „vernünftig“ und also zulässig, männliche Küken kurz nach dem
Schlüpfen zu vernichten, weil sie wirtschaftlich nicht so gut verwertbar
sind.
Historisch ist das Urteil insofern, als das Schreddern von Küken insgesamt
nicht mehr als vernünftig angesehen wird, sobald neue Verfahren vorliegen,
die das Töten unnötig machen. Wann das genau sein könnte, wird aber nicht
gesagt. Im Urteil ist von „in Kürze“ die Rede.
Für männliche Küken von Legehennenrassen hat die Geflügelwirtschaft derzeit
keine Verwendung. Die Hähne legen keine Eier und sie setzen auch nicht
genug Fleisch an, um sie „effizient“ vermarkten zu können. Deshalb werden
die Hahnenküken gleich am ersten Tag ihres Lebens mit Kohlendioxid
erstickt und dann geschreddert. Rund 45 Millionen Eintagsküken pro Jahr
kommen so um.
## Schreddern verstößt gegen Tierschutzrecht
Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun, dass diese Praxis im Grunde
gegen das aktuelle Tierschutzrecht verstößt. „Im Lichte des im Jahr 2002 in
das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz beruht das Töten der
männlichen Küken für sich betrachtet nach heutigen Wertvorstellungen nicht
mehr auf einem vernünftigen Grund“, heißt es in der Urteilsbegründung. Im
Tierschutzgesetz heißt es, niemand darf ein Tier „ohne vernünftigen Grund“
töten oder ihm Leid zufügen.
Die Belange des Tierschutzes würden zwar im Grund schwerer wiegen als die
wirtschaftlichen Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher
Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten, heißt es im Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts. Anders als Schlachttiere, so die Begründung,
würden nämlich „die männlichen Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt
getötet. Ihre ‚Nutzlosigkeit‘ steht von vornherein fest.“
Das sei mit dem Staatsziel Tierschutz zwar nicht mehr vereinbar, wurde aber
„jahrzehntelang hingenommen“. Vor diesem Hintergrund könne „von den
Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt
werden“. Deutschlandweit sind etwa 10 bis 15 Betriebe betroffen.
Deshalb dürften diese Brütereien erst mal mit ihrer derzeitigen Praxis
fortfahren. Die Richter setzen für die Zukunft vor allem auf bereits
bestehende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Dadurch sollen
männliche Küken gar nicht erst ausgebrütet werden. Die Richter räumen den
Betrieben eine Übergangszeit ein: Ansonsten wären sie laut dem Gericht
gezwungen, „zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken
zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur
Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten“.
## NRW hatte Schreddern 2012 verboten
Der einstige NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) hatte 2012
ein Verbot des Kükenschredderns in Nordrhein-Westfalen angeordnet. „Diese
Praxis ist absolut grausam, hier werden Lebewesen zum Abfallprodukt der
Landwirtschaft“, sagte er zur Begründung. Allerdings klagten mehrere
betroffene Unternehmen gegen das Verbot – und hatten vor den
Verwaltungsgerichten Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster erklärte Remmels Tötungsverbot
jedoch im Mai 2016 für rechtswidrig. Die Aufzucht der männlichen Küken der
Legelinien stehe „im Widerspruch zum erreichten Stand der Hühnerzucht und
den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“. Technische Verfahren, um nur noch
Eier mit weiblicher DNA auszubrüten, seien noch nicht praxistauglich.
Ausgewachsene Hähne der Legehennenrassen seien allenfalls ein Produkt für
eine Absatznische. Die Tötung der Küken sei daher „Teil der Verfahren zur
Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch“. Die wirtschaftliche
Gestaltung dieser Verfahren sei für die Brütereien „unvermeidbar“, so die
Richter in Münster. Nun entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
über die Revision.
13 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.bverwg.de/pm/2019/47
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
Tierschutz
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Landwirtschaft
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