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# taz.de -- Fehlende Nachwuchsförderung: Alles muss anders werden
> Frauenfußballförderung ist in Deutschland gerade beim Nachwuchs
> größtenteils immer noch eine Privatangelegenheit.
Bild: Die Nationalspielerinnen Almuth Schult, Marina Hegering und Melanie Leupo…
Berlin taz | Sie sind sehr erfolgreich und sehr unbekannt. Und sie trotzen
allen Widrigkeiten und Vorurteilen. Das ist die Erzählung eines Werbeclips,
mit dem das deutsche Frauennationalteam in den Wochen vor Beginn der
Weltmeisterschaft besonders erfolgreich war. Und es drängte sich die Frage
auf, warum die Urheber des flotten Filmchens nicht die Verantwortlichen
beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) waren, sondern von einem Sponsor, einem
Kreditinstitut, stammten.
Die Antwort darauf hat kürzlich die Nationaltorhüterin Almuth Schult in
einem Interview mit der FAZ gegeben, als sie die rhetorische Frage stellte:
„Wie sollen wir denn draußen Vorurteile und Vorbehalte gegenüber dem
Frauenfußball abbauen, wenn wir im eigenen Verband noch damit zu kämpfen
haben?“
Der DFB hätte sich als Initiator des Werbeclips viele kritische Fragen
gefallen lassen müssen. Zum kontinuierlichen Zuschauerschwund in der
Bundesliga, wo letzte Saison im Schnitt nur 833 Besucher kamen (1.185
Besucher, Saison 2013/14). Zum Abwanderungstrend deutscher Topspielerinnen
ins Ausland. Zum Talentemangel im jungen Erwachsenenbereich. Bei der
letzten U20-WM vor einem Jahr schnitten England, Frankreich, Spanien und
Japan besser ab.
So gern auch die Funktionäre in der Frankfurter Zentrale Kampagnen starten
(#NichtOhneMeineMädels“) und sich als großer Förderer des Frauenfußballs
geben, lassen sie, wenn es auf ernsthafte Unterstützung ankommt, doch eher
das Gesetz der Trägheit regieren.
Erfolge im deutschen Frauenfußball – das hat eine lange Tradition – wurden
oft trotz und nicht wegen des DFB erzielt. Bei der ersten inoffiziellen
Weltmeisterschaft im Juli 1970 in Italien vertrat der SC 07 Bad Neuenahr
Deutschland ohne die Erlaubnis des DFB, der sein generelles
Frauenfußballverbot erst vier Monate später aufhob.
## Insolvenz und Abstieg
Der rheinländische Klub entwickelte sich in der Folgezeit zu einem der
wichtigsten Traditionsvereine der Frauenbundesliga, getragen von dem
Engagement Ehrenamtlicher. Im aktuellen WM-Kader steckt noch ein gutes
Stück SC Bad Neuenahr. Almuth Schult, Leonie Maier und Lena Goeßling haben
einst dort gespielt, wo ein Insolvenzantrag im Jahre 2013 den Klub bis in
die drittklassige Regionalliga Südwest abrutschen ließ.
Die Nachwuchsarbeit ist erstklassig geblieben, obwohl man weder vom DFB
noch vom rheinländischen Fußballverband nennenswerte Unterstützung erhält.
Vize-Präsident Hartmut Völcker, der im Insolvenzjahr als Finanzexperte zum
Verein stieß, kann das nicht fassen. „Es ist ein Skandal, dass bei der
Eliteförderung die Bundesligazugehörigkeit der Frauen ein K.-o.-Kriterium
ist und sehr gute Jugendteams in der Fläche hierdurch vom DFB nicht
gefördert werden.“ Der Verband verfolge ein Konzept der Konzentration auf
wenige Standorte.
Die finanzkräftigeren Vereine mit Profimännerteams wie der VfL Wolfsburg
und Bayern München nutzen mittlerweile die zweite Liga dazu, ihre
Talentauswahl an die erste Liga heranzuführen. In der vergangenen Saison
belegten beide Klubs nicht nur in der ersten, sondern auch in der zweiten
Liga jeweils die ersten beiden Plätze.
Bevor der SC Bad Neuenahr in die Regionalliga abstieg, profitierte man noch
von der Eliteschule des Fußballs in der Stadt mit Internatsplätzen, die
der DFB finanziell förderte. Viele junge Talente konnten so Leistungssport
mit den schulischen Anforderungen koordinieren. Weite Anfahrtswege fielen
weg. Doch im Sommer 2015 wurde die DFB-Eliteschule geschlossen, weil die
DFB-Subvention an die Zugehörigkeit zu den beiden höchsten Ligen gebunden
ist.
Völcker kritisiert, dass nicht die Qualität der Nachwuchsarbeit für den DFB
der entscheidende Maßstab für den Erhalt von Eliteschulen ist. „Im
Fußballverband Rheinland sind wir klar die Nummer 1 in der Jugendarbeit im
Frauenfußball. Wir führen systematische Sichtungen in der Mosel-, Eifel-,
Hunsrück-, und Westerwaldregion durch. In der B-Jugend haben wir gerade
wieder die Rückkehr in die Bundesliga geschafft.“
Mit einer Pauschale von 20.000 Euro unterstütze der DFB ab kommender Saison
dann wieder nur die B-Juniorinnen in der Bundesliga. Der finanzielle
Aufwand sei jedoch angesichts der anspruchsvollen DFB-Anforderungen für
diese Klasse höher. Abgesehen vom großen Engagement des Vereins wäre die
erfolgreiche Nachwuchsarbeit in Bad Neuenahr-Ahrweiler wiederum ohne die
Investitionsbereitschaft der Eltern nicht möglich.
## Extreme Belastung
Etwa 45 Kilometer müssten die Talente aus der weiten Umgebung im Schnitt
zum Training zurücklegen. Ein Mädchen aus der B-Jugend hat gar eine Anreise
von 130 Kilometern. Bei drei Pflichtterminen in der Woche eine extreme
Belastung für alle. Durch das Zweitspielrecht können die Mädchen an ihrem
Wohnort noch zweimal in der Woche in Jungsmannschaften mittrainieren.
Saskia Oebel-Noack ist im Verein Nachwuchskoordinatorin für die
Spielerinnen, die jünger als 15 Jahre alt sind. Im aktiven Frauenbereich,
bestätigt sie, gebe es sehr wenige Talente. Aber in ihrem Altersbereich
beobachte sie derzeit auch bei ihren Sichtungen einen positiven
Entwicklungstrend. „Es gibt gefühlt ein leichtes Plus an sehr begabten
Spielerinnen.“ Der DFB, erkennt sie an, sei um Förderung bemüht, kümmere
sich etwa in den letzten Jahren verstärkt um die Qualifizierung der
Trainer. Wobei Oebel-Noack hier noch großen Bedarf sieht. Auf der untersten
Ebene, der Teamleiterstufe, würden noch vornehmlich pädagogische und zu
wenige fußballerische Inhalte vermittelt.
Viele der von Oebel-Noack entdeckten jungen Ausnahmespielerinnen könnten
trotzdem auf der Strecke bleiben. Ein großes Problem sei in Rheinland-Pfalz
der Sprung von der B-Jugend in den Erwachsenenbereich, erzählt sie. „Es
gibt wenig adäquate Verein in der Nähe, wo man im Leistungsbereich
vernünftig Fußball spielen kann. Die Spielerinnen haben dann die
Möglichkeit, auf dem Dorf weiterzuspielen oder es ganz sein zu lassen.“
Um seinen jungen Spielerinnen eine noch bessere Perspektive bieten zu
können, würde der SC Bad Neuenahr perspektivisch gern wieder in der Zweiten
Liga spielen. Das Image des Frauenfußballs sei aber nicht mehr so gut,
erklärt Vize-Präsident Hartmut Völcker. Man leide mit unter dem mangelnden
Aufklärungswillen der Fifa und des DFB in Korruptionsfragen. Und zudem ist
im Profifußball zu viel Geld im Spiel, das der Verband selbst stärker in
die Jugendförderung lenken sollte. Ein Sponsor habe seine Unterstützung aus
diesem Grund gekürzt. Gemeinnützige Einrichtungen wie die Feuerwehr oder
Jugendhilfevereine erscheinen vielen potenziellen Geldgebern mittlerweile
attraktiver. Völcker fordert wegen des Imageverlustes: „Wir brauchen eine
Reorganisation der Dachverbände des Fußballsports.“
Bei der Sponsorensuche hat der DFB ebenfalls Probleme. Während in der
englischen Women’s Soccer League die Geldzuströme immer größer werden – …
Großbank Barclays zahlt 12 Millionen Euro für die nächsten drei Spielzeiten
–, stagnieren die Einnahmen in der Bundesliga. Für den abgesprungenen
Liga-Sponsor, den Versicherungskonzern Allianz, konnte immerhin mit der
Online-Druckerei Flyer-Alarm Ersatz gefunden werden. Wie aus Ligakreisen zu
hören ist, gibt es aber nicht mehr Geld. Der Allianz-Betrag soll laut
Sport-Informations-Dienst bei etwa 1,2 Millionen Euro pro Jahr gelegen
haben.
## Kosten sparen
Dem Konzept der Konzentration auf einige wenige Standorte folgt man beim
DFB vermutlich nicht nur aus inhaltlicher Überzeugung. Es ist deutlich
preiswerter, wenn finanzkräftigere Vereine mit Männerprofiteams zu
Eckpfeilern der Frauenfußballförderung werden. Kurios ist allerdings, dass
diese Vertreter zuweilen ebenfalls versuchen, ihre Kosten abzuwälzen.
Hartmut Völcker erzählt, diese Klubs seien oft nicht bereit, die
vorgeschriebene Ausbildungsentschädigung an kleinere Vereine für junge
Talente zu zahlen. Als er vor geraumer Zeit die vom DFB festgelegten knapp
500 Euro für eine junge Spielerin von einem Bundesligaverein einforderte,
empfahl jener den Eltern, die Rechnung doch selbst zu begleichen, damit ihr
Kind nicht für ein halbes Jahr gesperrt wird.
Weil Völcker sich jedoch weigerte, privates Geld anzunehmen, überwies der
Vater dem Profiverein den Betrag, der ihn wiederum an den SC Bad Neuenahr
weiterleitete. Frauenfußballförderung ist in Deutschland zu einem guten
Stück weit eben immer noch eine Privatangelegenheit.
8 Jun 2019
## AUTOREN
Johannes Kopp
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