# taz.de -- Show von The Good, the Bad & the Queen: Für etwas war der Brexit g… | |
> Die Londoner Band The Good, the Bad & the Queen spielt in Berlin ein | |
> inspiriertes Konzert: Die aktuelle Lage in Großbritannien spornt an. | |
Bild: v.l.n.r.: Tony Allen, Paul Simenon, Damon Albarn, Simon Tong | |
In die Weltgeschichte wird diese wenig ruhmreiche britische Episode wohl | |
nicht eingehen. Doch am Sonntagabend hat der Brexit – indirekt zumindest – | |
wenigstens all jene glücklich gemacht, die ins Berliner Astra kamen, um das | |
ausverkaufte Konzert von The Good, the Bad & the Queen zu erleben. Ja, für | |
die Band von Damon Albarn (Gorillaz-Mastermind, Blur-Sänger, | |
Musical-Komponist), Paul Simonon (Bassist von The Clash, inzwischen Maler), | |
Tony Allen (Afrobeat-Legende) und Simon Tong (Gitarrist, einst bei The | |
Verve) ist der Brexit zu etwas gut. | |
Denn möglicherweise hätte man sonst nichts mehr von der Band gehört, die | |
2007 ein tolles, leicht dubbiges Darkpop-Album namens „The Good, the Bad & | |
the Queen“ veröffentlicht hatte, eine spannungsreiche, voller Abgründe | |
steckende Liebeserklärung an ihre Heimatstadt London. Der Albumtitel | |
morphte damals zum Bandnamen. Dann war Funkstille. | |
Bis der vermaledeite Brexit kam, der Albarn, den aus der Mittelklasse | |
stammenden Chronisten englischer Befindlichkeiten nicht nur wütend machte, | |
sondern auch verstörte. Angeblich wurde in der Schublade liegendes | |
Songmaterial sogar in die Tonne getreten, um neu anzufangen. Das Ergebnis | |
wurde letzten Herbst als „Merrie Land“ veröffentlicht: ein | |
episch-elegisches Gesellschaftspanorama, das auf allzu offensichtliche Hits | |
verzichtete und, gemessen am Vorgänger, eher aus pastoral-folkigen | |
Traditionen schöpfte; ein mit losen Enden versehener Versuch, der Spaltung | |
des Landes nachspüren, die sich auch im Brexit-Votum manifestiert hatte. | |
Identitätsfragen hatte Albarn immer mal beackert, nur war ihm der ironische | |
Optimismus früher Blur-Tage abhanden gekommen. In „Gun to the Head“ heißt | |
es „When everything else / That keeps us together / Conspiring to tear us | |
apart“. Und in der Coda von „Lady Boston“ singt ein walisischer Chor „D… | |
wrth dy gefn, dwi wth dy gefen di', was sich offenbar als „wir stecken da | |
gemeinsam drin“ übersetzen lässt. Diesen Part darf beim Konzert das | |
Publikum übernehmen. | |
## Knarre an die Schläfe | |
Es ergibt also durchaus Sinn, dass „Merrie Land“ live en bloc präsentiert | |
wird, bevor im zweiten Set das Debüt dran ist, mit Hits wie „Herculean“ und | |
„Kingdoom of Doom“. Doch anders als etwa beim Londoner Auftritt vergangenen | |
Dezember, als das Konzert auch atmosphärisch in zwei Teile zerfiel, | |
verläuft in Berlin die Trennlinie weniger scharf. Zu groß ist der Spaß, den | |
Band und Publikum an dem Material haben. Die vier Musiker haben sich | |
eingespielt und experimentieren, das Ergebnis ist munter ausgefranst und | |
doch tight. Brexitblues ist das nicht. | |
Nun ist Supergroup ein ausgelutschter Begriff. Zu dieser Band passt er, | |
allein, weil es super ist, dieser geballten Packung Musikgeschichte | |
zuzuschauen. Eigentlich will man dieses Konzert gleich vier Mal erleben, um | |
jeden für sich wirken zu lassen: Simonon, der stoisch an seinem Bass zupft | |
und den Laden zusammenhält; den 78-jährigen nigerianischen Drummer Tony | |
Allen, mit Sonnenbrille und Hut der coolste Typ weit und breit, dem immer | |
wieder ein breites Grinsen über sein Pokerface huscht. Und den verschmitzt | |
schmunzelnden Tong. | |
Albarn schäkert mit dem Publikum, holt sein bestes Schuldeutsch heraus und | |
setzt zwischendurch zu einer Tirade über die Verkommenheit des politischen | |
Systems in seiner Heimat an, die dann wegen sprachlicher Beschränkungen | |
doch schnell versandet. Immerhin kommt er mit dem Adjektiv „kopfkrank“ um | |
die Ecke. Ein Fan ruft Richtung Bühne „Damon, don’t leave“. Und der läs… | |
die Doppeldeutigkeit schön verpuffen, indem er antwortet: Nee, gehen | |
werden er sicher nicht, er habe noch mindestens 15 Songs zu spielen. So | |
kann man der Leave-Remain-Chose auch die Luft herauslassen. Eine Dosis | |
anarchische Energie gegen den ganzen Scheiß: So könnte man diesen | |
mitreißenden Abend auch zusammenfassen. | |
4 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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