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# taz.de -- Demo nach Freilassung Iwan Golunows: Mehr als 400 Festnahmen
> Trotz Freilassung des Journalisten Iwan Golunow demonstrieren Tausende im
> Moskauer Zentrum gegen die Staatswillkür. Die Polizei greift hart durch.
Bild: Einer von 400, die am Mittwoch von der Polizei festgenommen wurden
Moskau taz | Bis zuletzt hatte die Stadt die Zusage zum geplanten
Protestmarsch für den in der vergangenen Woche wegen vermeintlichen
Drogenbesitzes festgenommenen Investigativjournalisten Iwan Golunow im
Moskauer Zentrum nicht erteilt. Als der Journalist wider Erwarten am
Dienstagabend [1][auf freien Fuß gesetzt] wurde, schien der Anlass für eine
Demonstration zunächst entfallen – zumal alle Anklagepunkte fallen gelassen
worden waren. Die Demo-Organisatoren rieten möglichen Teilnehmern nach
Golunows Freilassung, nun doch den Feiertag – Russlands Ehrentag – zu
genießen und sich über die Freilassung zu freuen. Sie wollten zu einem
späteren Zeitpunkt eine genehmigte Veranstaltung abhalten.
Trotzdem kamen am Mittwoch zwischen 2000 und 3000 Protestierende an die
Metrostation Tschistije Prudy (Saubere Teiche), darunter auch einige der
Organisatoren. Unter ihnen Galina Timtschenko, die das Internetportal
Meduza jahrelang geleitet hat. Golinow war einer ihrer Mitarbeiter. 2014
zog Timtschenko mit Meduza.io nach Lettland, um sich den Übergriffen der
russischen Behörden auf heimische Medien zu entziehen. Sie erschien am
Mittwoch als Privatperson. Timtschenko dokumentierte mit ihren Kollegen
mehr als 400 Festnahmen bei der Demo.
Der Oppositionelle Alexej Nawalny war einer der ersten Inhaftierten. 30
Tage U-Haft drohen dem Antikorruptionskämpfer. Die Polizei griff sich
wahllos Menschen aus der Menge heraus und verfrachtete sie in
Gefängniswagen. Die meisten waren überrascht und wehrten sich kaum. Vor
allem junge Menschen wurden aus dem Verkehr gezogen. Als sich eine große
Gruppe entschloss, in die Petrowka Straße 38 zu marschieren, wo sich die
Hauptverwaltung des Innenministeriums befindet, beließ die Polizei es nicht
mehr bei einzelnen Festnahmen. Gezielt gingen Trupps gegen Gruppen von
Demonstranten vor.
Reden waren auf der Veranstaltung verboten, genau wie Transparente und
andere sichtbare Meinungsäußerungen. Trotzdem herrschte eine weitgehend
gute Stimmung. Mit der Freilassung Iwan Golunows hatte die Staatsmacht
einen Rückzieher gemacht. Sie habe eine empfindliche Schlappe riskiert,
meinte ein russischer Journalist. Immer wieder rasönierten Demoteilnehmer
über eine mögliche Beteiligung des Kreml an diesem Rückzug. Für die meisten
stand fest, dass die Weisung vom Kreml ausgegangen sein muss.
Für den TV-Moderator Michail Fishman vom unabhängigen Kanal doschd war
dieser Rückzug jedoch „noch lange kein Sieg“. Das Umfeld habe sich
keineswegs verändert, meinte er. Die Menschen seien rechtlos und der
staatlicher Korruption ausgeliefert. Das sei ein ausreichender Grund, den
Marsch trotz Golunows Freilassung stattfinden zu lassen.
In drei Fällen zeigte der Staat in den letzten Monaten Schwäche: In
Jekaterinburg wurde ein Bauprojekt der Kirche gestoppt. Bürger sollen nun
in einem Referendum darüber entscheiden. In Schies – im Verwaltungsgebiet
Archangelsk – wehren sich Bürger gegen die Einrichtung einer riesigen
Müllkippe für die Entsorgung von Abfall aus Moskau. Der Bau musste
zumindest vorübergehend unterbrochen werden. Zuletzt wurde dann Iwan
Golunow freigelassen. Er selbst nahm allerdings nicht an der Demo teil.
Erstaunlich war, wie sich Russlands gleichgeschaltete TV-Medien in dem
Konflikt verhielten. Selbst verwegene TV-Propagandisten wie Dmitri
Kisseljow stellten sich auf die Seite Iwan Golunows. Sogar die Vorsitzende
des Föderationsrates der Duma, Valentina Matwienko, sparte nicht mit
Schelte. Sie sprach von Tölpelhaftigkeit der Polizei. All das rufe
Misstrauen gegenüber den Ermittlungsbehörden im Lande hervor, meinte sie.
Sie beklagte gar, dass es unzulässig sei, einen Bürger länger als die
gesetzlich genehmigten 48 Stunden festzuhalten.
Das sind allerdings keine neuen Erkenntnisse, sondern Zeichen tiefer
Verunsicherung. Wer auf der Demo ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich/wir
(sind) Iwan Golunow“ trug, setzte sich besonderer Aufmerksamkeit aus. Viele
T-Shirt-Träger wurden festgenommen. Mit diesem Spruch hatten am Montag drei
seriöse Zeitungen auf ihrer Titelseite Solidarität mit Golunow geübt.
12 Jun 2019
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## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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