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# taz.de -- Die Frauen reißen's raus: HSV könnte aufsteigen
> Was die Männer nicht schafften, dürfte den HSV-Fußballfrauen nach einem
> 4:0-Hinspielsieg gegen den Bremer Verein ATS Buntentor gelingen.
Bild: Freut sich über den Sieg: Kimberly Zietz
Hamburg taz | Am Ende haben sie kaum noch Kraft zum Jubeln. Die
Trinkflaschen kreisen, verschwitzte Trikots werden vom Körper gerissen,
Hände werden zu Schöpfkellen, um mit dem Wasser aus den bereitstehenden
Eimern die salzverkrustete Gesichtshaut zu kühlen. Am Ende ist alles gut:
Die Frauenfußballerinnen des HSV haben die Hitzeschlacht erfolgreich hinter
sich gebracht, das Hinspiel gegen den Bremer Oberliga-Meister ATS Buntentor
überlegen mit 4:0 (0:0) gewonnen und damit das Tor zur Regionalliga ganz
weit aufgestoßen.
45 Minuten hatte es ganz und gar nicht nach einem Kantersieg ausgesehen.
Die Partie schwappte, wenn es nicht gerade eine zwangsverordnete Trinkpause
gab, ausgeglichen hin und her. Beide Teams hatten Chancen, um in Führung zu
gehen, die sie kläglich vergaben. Erst ganz am Ende von Halbzeit eins
konnte der aufmerksame Beobachter bemerken, dass die Kräfte der Bremerinnen
bei 29 Grad langsam schwanden, zumal auf dem Spielfeld kein Schatten
vorhanden war.
„Ich wusste, dass mein Team mental und konditionell stärker ist und die
Hitze uns in die Karten spielt“, verriet Trainer Manuel Alpers nach der
Partie. Nach einer scharfen Hereingabe von Markella Koskeridou, die eine
Bremer Verteidigerin nach 50 Spielminuten nur noch ins eigene Tor lenken
konnte, brachen alle Dämme: Innerhalb von 15 Minuten zogen die
HSV-Spielerinnen durch Tore von Carla Morich, Anna Hepfer und Emma
Burdorf-Sick auf 4:0 davon – kaum vorstellbar, dass die Bremerinnen dieses
Ergebnis am 9. Juni noch egalisieren können.
Der HSV steigt demnach vermutlich auf. Das, was die hochbezahlten
Fußballmänner gerade so jämmerlich vergeigt haben, dürfte der
Frauenmannschaft kommendes Wochenende gelingen. Nur das hier alles – bis
auf die Größe der Tore und des Spielfeldes – drei Nummern kleiner ist. Es
geht „nur“ um den Aufstieg in die dritte Liga, die Regionalliga. Die
Kulisse besteht aus 238 zahlenden ZuschauerInnen, die – inklusive
Topzuschlag – gerade mal drei Euro zahlen müssen, um der Partie
beizuwohnen. Und auch die Frikadelle gibt es hier, auf dem Norderstedter
Kunstrasenplatz, noch für einen Euro auf die Hand.
## Furchteinflößendes Torverhältnis
Dabei gibt es hier zu sehen, was am Volkspark so vermisst wird: Munterer
und auch noch erfolgreicher Angriffsfußball. 20 Saisonspiele, 20 Siege, bei
einem furchteinflößenden Torverhältnis von 123:9 – die Meisterschaft in der
Oberliga Hamburg war für die Fußballfrauen des Hamburger SV der hoch
verdiente Lohn für eine herausragende Gesamtleistung.
Schon der Auftakt zu den entscheidenden elf Tagen der Saison gelang am
Himmelfahrtstag nach anfänglichem Stottern doch noch überzeugend. Im Finale
um den Hamburger Pokal setzten sich die Favoritinnen nach
0:1-Halbzeit-Rückstand mit 4:2 gegen den Dritten der klassentieferen
Oberliga FC Union Tornesch durch.
Als seine Spielerinnen mit dem Pokal in den Händen freudetrunken über den
Kunstrasen in Barmbek sprangen und wiederholt „Double-Sieger“ oder „Wer
nicht hüpft, der ist ein Bremer“ und auch „Die Nummer eins der Stadt sind
wir“ anstimmten, saß Trainer Manuel Alpers ganz gelassen auf der Ersatzbank
und sah sich das wilde Treiben mit einem Lächeln an.
Der große Ehrgeiz des 41-Jährigen ist noch lange nicht gestillt. So schön
der Gewinn des Landespokals und die damit verbundene Qualifikation für den
DFB-Pokal auch sind, der Aufstieg in die drittklassige Regionalliga ist für
den Verein so viel wichtiger.
Genau diesen hatte Alpers vor dem Beginn der Saison gegenüber Hamburger
Medien („Wir wollen Meister werden und in die Regionalliga aufsteigen“) als
Ziel auch klar benannt – auch wenn er am Himmelfahrtstag davon sprach, dass
man dem eigenen Zehn-Jahres-Plan durch einen Sprung in die Regionalliga um
ein, zwei Jahre voraus wäre. Den Plan, mit den Frauen nach zehn Jahren in
der Zweiten Liga angekommen zu sein, präsentierte der Verein im Mai 2018.
Dass es beim HSV überhaupt eine Strategie für den Weg zurück nach oben
gibt, ist bemerkenswert genug, angesichts der Vorkommnisse der
Vergangenheit. Nach der Abmeldung der zweiten Mannschaft im Jahr 2011 wurde
im darauffolgenden Jahr dann auch noch das erste Team aus der Bundesliga,
die auch bei den Frauen die höchste Spielklasse ist, abgemeldet.
## Kein Geld für die Frauen
In jenem Verein, der vielen seiner kickenden Profi-Männer Jahresgehälter in
Millionenhöhe bot, fehlte es an 100.000 Euro, um den 750.000-Euro-Etat der
Frauen für die kommende Bundesliga-Saison zu stemmen. Der damalige
Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow verwies auf wirtschaftliche Zwänge: „Der
Vorstand bedauert sehr, die Bewerbung aufgrund der finanziellen
Rahmenbedingungen für die Saison 2012/13 zurückgeben zu müssen.“ Es hätten
sich, bei aufrichtiger Betrachtung der Gesamtlage, sicherlich auch andere
Spielräume für Einsparungen finden lassen.
Einer aus dem Kreis der HSV-Profis, Marcell Jansen, erkannte damals
offensichtlich, wie irrwitzig die Begründung „Sparzwänge“ erscheinen
musste. Der jetzige Präsident des Hamburger SV e. V. erklärte sich damals
zur einer Solidaraktion bereit. Er wollte 5.000 Euro geben. Wären weitere
19 Mitspieler seinem Beispiel gefolgt, wäre für die HSV-Frauen die kommende
Bundesliga-Spielzeit gesichert gewesen. Dazu kam es aber nicht.
Die Frauen wurden auf Geheiß der Klubführung in die kostengünstigere,
drittklassige Regionalliga zurückgestuft. „Das war ganz schön hart. Wir
fühlten uns nicht willkommen. Die damalige Klubführung hatte einfach keine
Lust mehr auf uns“, sagte Anna Hepfer, die den Rückzug aus der Bundesliga
schon als HSV-Akteurin erlebt hat. Die Defensivspielerin wechselte
daraufhin zunächst zum HSV-Stadtrivalen FC Bergedorf 85, danach zum
Bramfelder SV.
Im vergangenen Sommer kehrte sie zum HSV zurück. „Die Entscheidung ist mir
nicht leicht gefallen. Ich musste lange überlegen, ob ich das mache“,
räumte die Studentin auf Lehramt (Religion und Sport) ein. Bereut habe sie
den Schritt aber nicht. „Es ist anders als damals“, sagt Hepfer. Es gebe im
Verein eine größere Wertschätzung.
## Die Einstellung ändert sich
Die aktuelle HSV-Kapitänin Franka Dreyer ging aus ihrer Heimat Osnabrück
2013 lieber nach Bergedorf als zum HSV, wo sie ursprünglich ihre Zukunft
gesehen hatte. „Ich fand das damals ziemlich krass. Der HSV kam erst mal
für mich nicht infrage“, sagte die 28 Jahre alte Studentin der Medizin. „Es
hat sich aber durchaus etwas geändert.“ Hepfer und Dreyer sind dabei die
absoluten Oldies in einer jungen HSV-Truppe, in der acht der elf Frauen,
die gegen Buntentor aufliefen, zwischen 19 und 21 Jahre alt sind.
Auch dies ist das Ergebnis einer Strategiewende. Der erste Schritt zurück
aus dem tiefen Tal der Viertklassigkeit soll nun am kommenden Sonntag unter
einem Trainer gelingen, der vor einigen Jahren mit Frauenfußball nichts
anfangen konnte.
„Ich war überhaupt kein Fan. Gut, ich kannte Namen wie Heidi Mohr, Birgit
Prinz und Silvia Neid, aber das war es dann auch schon. Frauenfußball habe
ich praktisch nicht verfolgt“, sagte Alpers. Dies änderte sich 2006, als er
zwei Freundinnen zum Training des damaligen Bezirksligisten Bramfelder SV
begleitete und – in Ermangelung eines Übungsleiters – als Trainer
einsprang.
Mit Bramfeld stieg er bis in die Zweite Liga auf. Alpers weiß also, wie es
geht. Und den Frauenfußball hat er schätzen gelernt: „Die Mädels bleiben
nach Fouls nicht lange liegen, es ist weniger theatralisch als bei den
Männern. Frauenfußball ist einfach extrem ehrlich.“
2 Jun 2019
## AUTOREN
Marco Carini
Christian Görtzen
## TAGS
Fußball
HSV
Frauenfußball
Frauen-Fußball-WM 2023
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