# taz.de -- Frauenfussball im Norden: Der erhoffte Boom | |
> Sportliches und Standing: Wie ist es bei den Nord-Vereinen um die | |
> Frauenmannschaften der Nord-Vereine bestellt? | |
Bild: Pokalfinale 2002: Birgit Prinz (r.) vom 1. FFC Frankfurt foppt die Hambur… | |
HAMBURG taz | Ambitionierter Aufstieg und jäher Sturz in Hamburg, Hoffnung | |
machende Kunde aus Wolfsburg, nachhaltiger Aufbau bei Werder Bremen: In | |
Sachen Frauenfußball, gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen dem | |
Hamburger SV, dem VfL Wolfsburg und Werder Bremen. | |
HSV: Abgang der Stars | |
Auch diese WM wird wieder ihre Stars hervorbringen. Kim Kulig könnte einer | |
davon sein. Dribbeln gelernt hat sie im Schwabenland, ihren fußballerischen | |
Reifeprozess aber durchlebte sie beim HSV. Hier wurde sie zur Führungs- und | |
schließlich A-Nationalspielerin. | |
Kulig ist ein Paradebeispiel für die perspektivische Aufbauarbeit, die der | |
HSV schon seit Jahren in der Frauenabteilung leistet. Achim Feifel, Trainer | |
der ersten Mannschaft, kümmert sich intensiv um die Nachwuchsförderung und | |
erreichte am Ende der vergangenen Saison, wovon kaum jemand zu träumen | |
gewagt hatte: den vierten Rang der Frauen-Bundesliga. Bemerkenswert, wenn | |
man bedenkt, dass die ersten drei Plätze der Eliteliga seit Jahren fest in | |
der Hand von nur drei Vereinen sind. | |
Wie schnell eine jahrelange Aufbauarbeit aber zunichte gemacht werden kann, | |
zeigte sich kurz nach dem Saisonende. Gerade hatte die zweite Mannschaft | |
des HSV überlegen die Meisterschaft der zweiten Bundesliga Nord gewonnen, | |
da wurde den Frauen mittgeteilt, dass dies ihr letztes Spiel gewesen ist. | |
Die Mannschaft wird zurückgezogen. Gleichzeitig verlautete, dass die Stars | |
der ersten Mannschaft wie Ana-Maria Crnogorcevic oder Kim Kulig den Verein | |
verlassen. | |
Grund hierfür sind Etat-Kürzungen: Weil die männlichen Profis die | |
internationalen Startplätze verpasst haben, wird jeder Cent benötigt - bei | |
den Männern. So ist auch zu erklären, dass die 25.000 Euro Geldstrafe, die | |
Torhüter Frank Rost nach einem Wutausbruch zahlen musste, nicht der | |
Mädchen-Abteilung zukamen, sondern auf Weisung des Vorstands im | |
Profibereich der Herren verblieben. | |
Wölfinnen im Aufwärtstrend | |
Die Leistungsunterschiede im Frauenfußball werden während der WM wieder | |
besonders auffällig sein. Ganz oben spielen drei oder vier Mannschaften, | |
dann kommt lange Zeit nichts. | |
In der Bundesliga ist das nicht anders. Die beiden Nordklubs spielten in | |
den vergangenen Spielzeiten eher im Mittelfeld. Der HSV am oberen Ende, der | |
VfL Wolfsburg am unteren. | |
Das wird sich in der kommenden Saison wohl ändern. Die Wölfinnen dürften | |
einen Aufschwung erleben und vielleicht sogar den Anschluss an die Spitze | |
schaffen. Dafür sprechen die Neuzugänge: Conny Pohlers, Torschützenkönigin | |
der vergangenen Saison, wird die Niedersachsen ebenso verstärken wie die | |
Nationalspielerin Lena Goeßling. Ihre DFB-Kolleginnen Martina Müller und | |
Verena Faißt sind schon da. | |
"Wenn wir Sport machen, wollen wir Erfolg haben", sagte Geschäftsführer | |
Thomas Röttgermann im Handelsblatt und gab damit schon mal die Marschroute | |
für die Saison 2011/ 12 vor. Trainer Ralf Kellermann ist mit einer | |
Kampfansage noch vorsichtig und will sich "erst nach den ersten | |
Trainingseinheiten Mitte Juli auf ein Saisonziel festlegen". Der VfL, eine | |
Tochter von VW, setzt in jedem Fall auf den aufstrebenden Frauenfußball | |
nach der WM und hofft, damit auch für das Marketing eine Zielgruppe zu | |
erreichen, die der Männerfußball nicht abdeckt. | |
Ob die Bundesliga nach der WM mehr Zuspruch von der Öffentlichkeit erhält, | |
ist unter Fachleuten umstritten. Als einziger Spielort der WM im Norden hat | |
Wolfsburg gute Aussichten, vom erhofften Boom zu profitieren. Und wenn in | |
der WM-Vorrunde alles nach Plan läuft, können die Fans die künftigen | |
Wölfinnen schon mal in der Nationalmannschaft begutachten. | |
Werder will sich Zeit nehmen | |
Als letzter der drei Nordvereine hat in der Saison 2007/ 2008 auch Werder | |
Bremen die "Herausforderung Frauenfußball" angenommen. Einen ersten Versuch | |
dazu gab es schon in den siebziger Jahren, als die Frauenmannschaft sogar | |
um die Meisterschaft mitspielte, jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgelöst | |
wurde. Danach weigerte sich der Verein über Jahre, wieder eine Mannschaft | |
anzumelden. | |
Begründet wurde die Ablehnung immer wieder mit Platz- und Kabinenmangel. | |
Als dieses Problem 30 Jahre später gelöst war, nutzten die Frauen ihre | |
Chance gleich in der ersten Saison: mit einem Torverhältnis von 162:0 in | |
der Verbandsliga. Der Aufstieg über die Regionalliga in die zweite | |
Bundesliga folgte ein Jahr später. | |
Doch da ist erst mal Schluss. Die vorsorgliche Meldefrist für die erste | |
Liga haben die Verantwortlichen im März dieses Jahres verstreichen lassen. | |
Werders Frauen schlossen die Saison zwar nur auf dem fünften Platz ab, ein | |
Zeichen setzte diese Entscheidung aber trotzdem. | |
Für den Verein ist es ein Zeichen der Nachhaltigkeit. Man wolle sich keinen | |
Kader zusammenkaufen, sondern sich die Zeit nehmen zu wachsen. Für die | |
Spielerinnen und manchen Kenner des Frauenfußballs ist es Sparen an der | |
falschen Stelle, denn ohne Spielerinnen mit Erstliga-Erfahrung wird sich | |
der Verein bei einem Aufstieg in den kommenden Jahren kaum halten können. | |
In der vergangenen Saison ist auch die zweite Mannschaft in die | |
Regionalliga aufgerückt. Mit dem Erfolg wächst der Druck von unten: Lange | |
werden sich die Spielerinnen die Zurückhaltung des Vereins nicht mehr | |
ansehen - Erstliga-Vereine sind in Hamburg und Wolfsburg schließlich nicht | |
weit. | |
26 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Anna-Lena Krampe | |
## TAGS | |
Fußball | |
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