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# taz.de -- Bundestag debattiert Bafög-Erhöhung: Die Reform geht am Menschen …
> Der Bundestag plant eine deutliche Erhöhung des Bafögs. Doch die
> Neuerungen vernachlässigen einen wichtigen Punkt, sagt unsere betroffene
> Autorin.
Bild: Das Studium in der Regelzeit durchziehen – davon geht das Förderungsge…
Die Bafög-Sachbearbeiterin saß mir in dem engen Raum gegenüber. Ich packte
all meine Existenzängste auf den Tisch. Ihr Rat an mich: „Sie können ja
schwanger werden.“ Mit einem Augenzwinkern, als Scherz gemeint und dennoch
fühlte ich mich missverstanden, nicht ernst genommen.
Der [1][Bundestag debattiert am Donnerstag über die Bafög-Reform]. CDU, CSU
und SPD planen eine deutliche Erhöhung der Beitragssätze und der
Wohnpauschale. Zudem sollen die Freibeträge der Eltern angehoben werden,
sodass die Zahl der Berechtigten steigt. Eine Trendwende wird versprochen.
Für mich bleibt das Grundproblem der Förderung jedoch bestehen: sie passt
sich nicht dem Menschen an.
Ich beziehe seit fünf Jahren Bafög. Der jährliche Antrag mit zig
Formblättern, das Offenlegen all meiner Finanzen und das stetige
Aktualisieren der beruflichen Situation meiner Familienmitglieder beim Amt
gehörten für mich von Anfang an zum Studieren dazu. Ebenso wie ein
Nebenjob, [2][denn allein von meinem Bafög kann ich, wie viele andere auch,
nicht leben].
Mein Bafög hat mir jedoch stets Grenzen gesetzt. Bachelor in maximal sechs
Semestern, Master in vier, Überziehen geht nicht, Studium abbrechen und ein
neues anfangen auch nicht. Mit meiner Studienwahl hatte ich Glück, denn es
war tatsächlich die richtige. Doch ein Zweifeln daran – das war nicht drin.
Was für mich bisher gut funktioniert hat, ist nicht selbstverständlich. Man
kann von 18-jährigen Schulabgänger*innen nicht erwartet, eine Entscheidung
zu treffen, die keine Alternativen zulässt. Es gibt viele Studiengänge, die
es nur schwer zulassen, nebenbei zu arbeiten. Hinzu kommen Praktika, die
erwartet werden und ehrenamtliches Engagement neben dem Studium. Und es
gibt noch viele weitere gute Gründe, das Studium nicht in der
Regelstudienzeit abzuschließen.
Ich bin nun in der Situation, dass ich meinen Master um ein Semester
verlängern muss. Also wandte ich mich an die Beratung im Studentenwerk. Die
Sachbearbeiterin eröffnete mir nach ihrem geschmacklosen Scherz zum
Einstieg eine weitere ernüchternde Botschaft.
## Mangel an Flexibilität
Eine Förderung über die Regelstudienzeit hinaus ist nur im Falle einer
Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung oder dem Mitwirken in einem
gewählten Gremium der Hochschule oder der Selbstverwaltung der Studierenden
möglich. Meine Praktika, Jobs und die Position als Chefredakteurin der
Hochschulzeitung, auf die ich als Grund zur Verlängerung gebaut hatte,
zählen alle nicht.
Deshalb kann ich nun die Studienabschlussförderung beantragen. Das ist ein
zinsloses Darlehen vom Staat, über das am Donnerstag ebenfalls debattiert
wird. Ich muss dennoch einen normalen Bafög-Antrag stellen, der, so die
Aussage der Sachbearbeiterin, zu 99,9 Prozent abgelehnt wird. Erst mit dem
Ablehnungsbescheid kann ich das Darlehen beantragen, wenn das nicht klappt,
kann ich zum Amt gehen und Wohngeld beantragen. „Sie werden nicht auf der
Straße stehen“, versprach mir die Mitarbeiterin des Studentenwerks zum
Abschied.
Nachdem ich den Bürokratiedschungel durchquert und bei sämtlichen Ämtern
war, werde ich das wohl nicht. Aber es wird mir, mal wieder, schwer
gemacht, während meines Studiums nach links und rechts zu schauen.
Das System geht von einem Idealtypus aus: Studierende, die sofort wissen,
was sie wollen, jedes Semester 30 Leistungspunkte belegen, am Wochenende
jobben und dennoch die Zeit und die Kraft zum Lernen aufbringen, damit das
Studium nicht verlängert werden muss. Bafög muss flexibler sein, sich nach
denen richten, die es brauchen. Die Förderung muss besser mit Nebenjobs,
Praktika und ehrenamtlichem Engagement vereinbar sein.
16 May 2019
## LINKS
[1] /Kritik-an-der-geplanten-Bafoegreform/!5592898&s=baf%C3%B6g/
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## AUTOREN
Hanna Lohoff
## TAGS
Bafög
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