| # taz.de -- Kommentar Fridays for Future: Im Klimastreik verbunden | |
| > Bei Fridays for Future gehen wieder Tausende auf die Straße. Unsere | |
| > Autorin findet, es gibt keinen anderen Weg als den gemeinsamen. | |
| Bild: Tolles Gefühl, gemeinsam zu kämpfen: Demonstrantin beim Klimastreik | |
| Kopenhagen, Paris, Den Haag steht unter den Bildern von jungen Leuten mit | |
| selbst gemalten Demoschildern, die ich in Greta Thunbergs Instagramstory | |
| sehe. Als ich zu „Germany, picture from Stuttgart“ gelange, halte ich die | |
| Story an und rufe aufgeregt meine Mitbewohnerin. „Guck, da in der ersten | |
| Reihe läuft Yvonne!“ Was für ein Gefühl, dass wir alle für das Gleiche auf | |
| die Straße gehen. Egal, wie alt wir sind oder wo wir wohnen – weil wir alle | |
| freitags für ein paar Stunden in den Streik treten, sind wir miteinander | |
| verbunden. Uns eint ein gemeinsames Ziel: das 1,5-Grad-Ziel. | |
| Vor allem aber verbindet uns die Wut auf verantwortungslose | |
| Entscheider*innen, die dieses Ziel ignorieren. Die Empörung über | |
| Politiker*innen, die in Gesprächen, zu denen sie uns gönnerhaft einladen, | |
| dreist genug sind, uns ins Gesicht zu sagen: „Dass ihr euch in letzter Zeit | |
| für mehr Umweltschutz einsetzt, ist eine ganz tolle Unterstützung unserer | |
| Arbeit. Wirklich, ganz toll. Aber bitte respektiert, dass Demokratie Zeit | |
| braucht.“ Kein wörtliches Zitat, aber eine Zusammenfassung dessen, was ich | |
| von vielen Politiker*innen gehört habe. | |
| Ich fühle mich davon missverstanden, denn aktuell ist die Klimapolitik | |
| keiner Partei unterstützenswert. Unser Protest ist ein Denkzettel, kein | |
| Rückenwind – um Gottes Willen, bloß nicht. Nicht, solange niemand die | |
| Tragweite dessen, was wir fordern, wirklich begriffen hat. Es sei „in | |
| Ordnung“, dass wir radikale Forderungen aufstellten, hat letztens Andreas | |
| Schwarz von den Grünen in Baden-Württemberg zu mir und anderen | |
| Aktivist*innen aus Stuttgart gesagt. Das beweist, dass er auf jeden Fall | |
| nicht verstanden hat, worum es geht. Wir sind nicht radikal, wir sind | |
| realistisch. | |
| Unsere Forderungen entsprechen dem wissenschaftlichen Konsens darüber, was | |
| wir erreichen müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Diese | |
| Grenze müssen wir auch aus der globalen Verantwortung heraus, als reiches | |
| Land einer der größten Emittenten zu sein, einhalten. Was wir innerhalb | |
| unserer nationalen Grenzen beschließen, wirkt sich auf Menschen weltweit | |
| aus. Das ist die zweite Tatsache, die viele Entscheider*innen nicht | |
| einsehen. Nationales Denken hat keine Zukunft. | |
| Im Gegenteil, wir müssen anfangen, uns in erster Linie als Mitglieder der | |
| Weltgemeinschaft zu verstehen. Als ich vergangenen Sonntag bei der „Ein | |
| Europa für Alle“-Demo rief: „Nationalismus raus aus den Köpfen!“, meinte | |
| ich das aus vollem Herzen als Klimaparole. | |
| ## Die einzigen Vernünftigen sind die Jugendlichen | |
| Deshalb können wir es uns nicht leisten, die EU in Frage zu stellen. Und | |
| wirklich wütend macht mich, wie sich Parteien, die sich selbst in der Mitte | |
| der Gesellschaft sehen, von den Rechten die Richtung vorgeben lassen. 2016 | |
| in der Migrationspolitik, nun auch in der Klimapolitik. Die CDU, die auf | |
| ihren Wahlplakaten den Bau neuer Straßen verspricht, besitzt zugleich die | |
| Unverschämtheit, auf Social Media Bilder zu teilen, auf denen steht: „Alle | |
| reden über Klimaschutz. Wir setzen ihn seit 35 Jahren um.“ Daneben eine | |
| Frau mit Sonnenhut, die glücklich eine Blume betrachtet. Das ist lächerlich | |
| und Verrat an der jungen Generation. Ich glaube, sie merken es nicht | |
| einmal. | |
| Wieso sind die einzig Vernünftigen in diesem Europa die Jugendlichen? Wie | |
| kann es sein, dass wir alleine es schaffen, den Ernst der Lage richtig | |
| einzuschätzen? Klar, es ist ein tolles Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu | |
| sein, die zusammen für ihr Ziel einsteht. Das macht mich glücklich. Und | |
| sicherlich sind wir auch deshalb so eine beliebte Bewegung, weil viele | |
| Menschen über vierzig nostalgisch werden, wenn sie uns demonstrieren sehen. | |
| Unsere Proteste erinnern sie vielleicht an ihre politischen Zwanziger. | |
| Aber was wir tun, ist verdammt noch mal das einzig Richtige. Wir schließen | |
| friedliche, zielgerichtete Bündnisse über Grenzen hinweg, weil wir es | |
| müssen. Alle Erwachsenen haben sich an uns ein Vorbild zu nehmen. Es gibt | |
| keinen anderen Weg als den gemeinsamen. Wir alle müssen unsere Eitelkeiten | |
| überwinden und uns kollektiv zusammenreißen. Das ist unbequem. Aber es wird | |
| nicht einfacher, wenn wir noch länger so tun, als kämen wir irgendwie darum | |
| herum. | |
| 25 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Lucia Parbel | |
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