# taz.de -- Kommunalwahl in Brandenburg: „Wutstil kommt in die Parlamente“ | |
> Die AfD holte 15,9 Prozent. Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum | |
> rechnet aber nicht mit konstruktiver Oppositionsarbeit. | |
Bild: Auf dem Weg in den Kreistag: aggressive und nationalistische Proteste der… | |
taz: Herr Botsch, Sie haben in einer empirischen Untersuchung die | |
AfD-Programme zur Kommunalwahl sehr genau [1][ausgewertet und sich das | |
Personal angeschaut]. Wer kommt da jetzt in die Kreistage und | |
Stadtverordnetenversammlungen? | |
Gideon Botsch: Ganz eindeutig ein Typus von Personen, die den Wutstil in | |
die Parlamente tragen. Mit konstruktiver Oppositionsarbeit oder | |
Beteiligungspolitik ist kaum zu rechnen. Unter den rechten Kandidaten sind | |
auffallend viele Personen mit rechtsextremer Vorgeschichte. Teilnehmer und | |
auch Organisatoren flüchtlingsfeindlicher Protestaktivitäten sind darunter | |
und viele Menschen, die einen sehr rauen, durch Hass-Posts vermittelnden | |
Stil der Ansprache wählen. Und es sind fast überwiegend Männer – mit 52 bis | |
53 Jahren älter als der Landesschnitt. | |
Welche Berufe sind vertreten? | |
Es gibt eine sehr deutliche Dominanz des unteren gewerblichen Mittelstands: | |
Handwerker, Menschen in technischen Berufen und überdurchschnittlich viele | |
abhängig Beschäftigte. Nun könnte man eigentlich sagen, dass die | |
Repräsentanz erfreulich sei, aber ich gehe davon aus, dass es keine | |
richtige Interessenvertretung geben wird – allenfalls klientelistisch. | |
Die AfD hat mit 15,9 Prozent ein um 12 Prozentpunkte stärkeres Ergebnis als | |
bei der letzten Kommunalwahl 2014 eingefahren. Die AfD ist nun in den | |
Lokalparlamenten angekommen. | |
2014 ist als Vergleichsebene schwierig: Die AfD war damals nicht unbedingt | |
rechtsextrem. Wer hingegen heute die AfD wählt, kann wissen, dass sie es | |
ist. 2014 gab es zudem bei Weitem nicht so viele Kandidaturen. Die AfD ist | |
diesmal flächig angetreten und nun auf allen Ebenen repräsentativer | |
Vertretung mit Mandatsträgern präsent. Die werden viele Posten besetzen. | |
Ich schätze, dass ein Drittel wenig Interesse an parlamentarischer | |
Alltagsarbeit haben wird, ein Drittel wird sich einarbeiten – da wird viel | |
Ideologie eine Rolle spielen – und das letzte Drittel wird Störmanöver | |
machen in Feindschaft zu den sogenannten Altparteien mit | |
Geschäftsordnungstricks und Ähnlichem. Das wird keinen Spaß machen oder | |
konstruktiv sein. Was es letztlich für das Funktionieren von Demokratie auf | |
lokaler Ebene bedeutet, weiß ich jetzt noch nicht. | |
Was bedeutet die kommunale Verankerung der AfD in Brandenburg? | |
Wir hatten nicht den Eindruck, dass die AfD-Kandidaten besonders verankert | |
sind. Sie sind eben keine Säulen der Gesellschaft und in der Regel keine | |
Vorsitzenden im Sportverein, Kirchenkreis oder der Feuerwehr. Es ist nicht | |
pauschalisierbar, aber zumeist kommen die AfDler nicht aus der aktiven | |
Bürgerschaft. In den Programmen wurde immer der Kontrapunkt gesucht: in | |
Spannung zur pluralistischen Verfassung und natürlich zu den | |
Menschenrechten. | |
Ihre empirische Untersuchung überschrieben Sie noch mit „Die Bürgerwut im | |
Kreistag?“ Kann man hinter die Bürgerwut nun ein Ausrufezeichen setzen? | |
Ja. Ich bin aber von den im Schnitt 16 Prozent in Brandenburg nicht | |
erschreckt. Es hätte auch noch schlimmer kommen können … | |
… bei der gleichzeitig stattfindenden Europawahl ist die AfD mit 19,9 | |
Prozent sogar stärkste Partei in Brandenburg. Wie erklären Sie die | |
Differenz? | |
Kommunalpolitik zu erklären ist immer riskant. Vielleicht hängt es mit dem | |
persönlichen Nimbus von Personen oder der spezifischen und persönlichen | |
Bindung zusammen. Optimistisch formuliert: Wenn es um was geht, ob der Bus | |
fährt oder die Schule saniert wird, da will man diese Leute wohl doch nicht | |
wählen – weil sie eben keinen verlässlichen Eindruck machen. Nehmen Sie nur | |
mal Frankfurt an der Oder. Die AfD hat dort fatal hohe Werte bei der | |
Europawahl, aber trotzdem eine außerordentlich starke Linke in der | |
Kommunalwahl, weil der [2][Oberbürgermeister viel Vertrauen genießt]. | |
Kreistage und Stadtverordnete entscheiden über Sozial- und Kulturpolitik, | |
Stadt- und Bauentwicklung, lokale Gedenk- und Geschichtspolitik, Kitas, | |
Jugendförderung, Schulpolitik und Integration. Inwiefern wird sich die | |
Alltagskultur in Kommunen und Ländern nun ändern? | |
Die Alltagskultur hat sich ohnehin schon sehr geändert. Die Spaltung und | |
Anfeindungen innerhalb der Gesellschaft sind enorm. Allein schon die | |
AfD-[3][Kampagne Wahlbeobachtung] insinuiert, dass groß betrogen wird, und | |
denunziert damit Leute, die seit Jahren bei der Demokratie mitwirken. Das | |
sind bittere Verdächtigungen. So einen Stil werden sie jetzt in allen | |
Parlamenten haben: Misstrauen, Feindseligkeiten, Belagerungen. Mit der AfD | |
wird es sicher nicht leichter werden, Demokratie auf kommunaler Ebene zu | |
machen. Das ist bedauerlich. | |
27 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mmz-potsdam.de/meldung-lesen/items/studie-zu-rechten-kommunalka… | |
[2] /Buergermeisterwahl-in-Frankfurt/Oder/!5489864 | |
[3] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/wahlbeobachtung-wie-rechte-d… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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