| # taz.de -- Castellina kandidiert zur Europawahl: Linke Grande Dame | |
| > Aus Solidarität und weil sie viel gemein haben: Die „Il | |
| > Manifesto“-Mitgründerin Luciana Castellina tritt für Griechenlands | |
| > Regierungspartei Syriza an. | |
| Bild: Hofft auf Stimmen: Luciana Castellina will ins Europaparlament | |
| Italienerinnen und Italiener haben statistisch mit die höchste | |
| Lebenserwartung weltweit – und wenn man ihnen zuhört und ihnen beim Essen | |
| und Trinken und Interagieren zusieht, dann ahnt man auch, warum: Das Leben | |
| ist hier schön, ist wert gelebt zu werden, mit vollem Einsatz, aber auch | |
| mit einer klassisch-mediterranen Mäßigung und Disziplin, die den Klischees | |
| vom dolce vita so gar nicht entsprechen. Damit sind wir bei einer fast | |
| 90-jährigen, unglaublich agilen Politaktivistin: [1][Luciana Castellina, | |
| eine italienische Grande Dame], die am Sonntag für die linke griechische | |
| Regierungspartei Syriza für das EU-Parlament kandidiert. | |
| Sie habe sich dazu nicht nur aus Respekt für die Leistung des Premiers | |
| Alexis Tsipras entschieden, sondern weil sie noch mehr mit Griechenland | |
| verbinde, sagte Castellina der italienischen La Repubblica. 1967 sei sie | |
| als Korrespondentin der kommunistischen Tageszeitung Paese Sera in | |
| Griechenland gewesen und nach dem Militärputsch – dem „Obristenputsch“ �… | |
| ausgewiesen worden. | |
| Und auch die leidige wie befreiende Geschichte der linken Spaltungen | |
| verbindet die nach Eigendefinition „Kommunistin“ mit den nicht minder | |
| streitfreudigen griechischen GenossInnen. Mit Syriza teilt Castellina dabei | |
| historisch den Antistalinismus. Sie und ihre FreundInnen in der | |
| Kommunistischen Partei Italiens (PCI) hatten das Schweigen der compagni zur | |
| Niederschlagung des Prager Frühlings nicht mehr hinnehmen wollen, waren | |
| ausgeschlossen worden und hatten 1971 mit der undogmatisch-linken Il | |
| Manifesto den Sprung ins journalistische Tagesgeschäft gewagt. Neben der | |
| französischen Libération war Il Manifesto eines der Vorbilder für die taz, | |
| deren GründerInnen regelmäßig die Redaktion in Rom besuchten, um zu lernen, | |
| [2][wie man eine alternative Tageszeitung macht.] | |
| Für die 1929 in Rom mit einem großbürgerlich-jüdischen Familienhintergrund | |
| – ihre Mutter kommt aus Triest – geborene Luciana Castellina fiel einst | |
| alles in einem großen historischen Moment zusammen: Erwachsenwerden, | |
| Niederlage des Faschismus, Eintritt in den PCI. Die studierte Juristin und | |
| begeistere Cineastin machte bis zu ihrem Ausschluss 1968 Parteikarriere | |
| (1984 wurde sie wieder aufgenommen), war vier Legislaturperioden | |
| Abgeordnete im italienischen Parlament und vier im EU-Parlament und immer | |
| in vorderster Front in der Gewerkschafts-, Abrüstungs- und der | |
| Frauenbewegung. | |
| ## Linken Dogmatismus überwinden | |
| Castellina sei auch ein Vorbild, den linken Dogmatismus und das | |
| Sektierertum zu überwinden, sagt der Syriza-Funktionär und | |
| Journalistenkollege Argyrios Argiris Panagopoulos. Deswegen habe seine | |
| Partei sie eingeladen, in Griechenland zu kandidieren. | |
| Im Gegenzug kandidiert Panagopoulos in Italien auf der Liste „La Sinistra“, | |
| einem Zusammenschluss aus Rifondazione Comunista, Altra Europa con Tsipras, | |
| Sinistra Italiana und kleineren Linksparteien – „die einzige linke Liste | |
| bei den nächsten Europawahlen“ in Italien, sagt Nicola Fratoianni, | |
| Nationalsekretär der „Sinistra Italiana“. Nicht dabei ist allerdings die | |
| aus dem Umkreis der autonomen Sozialzentren hervorgegangene junge, | |
| linksradikale Gruppierung Potere al Popolo (PaP), die ebenso wenig zur Wahl | |
| antritt wie der linke Hoffnungsträger Luigi de Magistris, der Bürgermeister | |
| von Neapel. Auch der italienische Ableger der DiEM25-Bewegung von Yanis | |
| Varoufakis blieb lieber außen vor. Es bleibt kompliziert mit der Linken in | |
| Italien. | |
| Schon 2015 war Castellina in Athen, um für das Nein, das όχι, beim | |
| Referendum gegen das Diktat der Gläubiger zu werben. Ihre Kandidatur sieht | |
| sie auf Grund ihres Alters als symbolisch, zeigt aber immer noch klare | |
| Kante: Varoufakis nennt sie im Interview mit Il Manifesto einen „Dummkopf“. | |
| Ohne Solidarität sei alles nichts, sagt Castellina. Das gilt nicht nur für | |
| ihre Unterstützung von Syriza. Sie weist so auch den Vorwurf zurück, die | |
| Linke kümmere sich zu viel um die Rechte von Minderheiten und MigrantInnen | |
| anstatt um die von ArbeiternehmerInnen. | |
| Vor sechs Jahren war Castellina, die ein sehr schönes, altmodisches Deutsch | |
| spricht, in der taz-Redaktionskonferenz zu Besuch (und mischte klug und | |
| engagiert mit). 2017 war sie auf dem tazlab. Wir hoffen, sie sehr bald in | |
| Berlin wieder zu sehen. | |
| 24 May 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
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