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# taz.de -- Krise in Argentinien: Die Angst kehrt zurück
> Der Peso fällt, die Armut steigt – Argentiniens Wirtschaftslage wird
> schlechter. Ex-Präsidentin Kirchner macht sich Hoffnung auf ein Comeback.
Bild: Argentiniens heftige Rezession trifft auch viele Arbeiterinnen und Arbeit…
Buenos Aires taz | Die Währungen der meisten Schwellenländer stehen derzeit
unter Druck. So haben seit Jahresbeginn die türkische Lira knapp 9 Prozent
zum US-Dollar verloren, der brasilianische Real rund 5 Prozent und der
südkoreanische Won knapp 3 Prozent. Doch keine Währung hat es schlimm
erwischt wie dem argentinischen Peso. Der büßte rund 17 Prozent seines
Wertes zur US-Währung ein.
Kostete ein Dollar vor einem Jahr noch 20 Peso, müssen jetzt 47 Peso
berappt werden. Im Regierungslager liegen deshalb die Nerven blank.
Befürchtet wird, dass sich eine ähnliche Abwertungsrallye wiederholen
könnte wie vor einem Jahr. Damals waren die Währungen der Schwellenländer
ebenfalls unter Druck geraten. Auch damals hatte es den Peso am ärgsten
gebeutelt und die Regierung schließlich zum Bittgang zum Internationalen
Währungsfonds gezwungen.
Argentiniens Länderrisiko, aufgestellt von der US-amerikanischen Bank JP
Morgan für die Vergabe von Krediten, kletterte in diesen zwölf Monaten von
420 Punkten auf zeitweilig über 1.000 Punkte. „Das Länderrisiko steigt,
weil die Welt Angst davor hat, dass die Argentinier zurück in die
Vergangenheit wollen,“ vermutet Argentiniens konservativer Präsident
Mauricio Macri. Die internationalen Finanzmärkte würden offenbar ein
mögliches Comeback von Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner
befürchten.
Sie hatte in ihrer Amtszeit Argentinien durch Devisenkontrollen und hohe
Exportsteuern bewusst abgeschottet und weigerte sich, Altschulden im
Ausland zu bedienen, die noch aus der Zeit vor der Staatspleite 2001 übrig
geblieben waren. Dass Argentinien daraufhin international nicht mehr als
kreditwürdig galt, nahm sie mit Absicht in Kauf. Ihr Ziel war es
Argentinien von den internationalen Finanzmärkten unabhängig zu machen.
## Armut wächst rasant
Die Menschen im Land leiden aber unter der Abwertung. Denn verteuert sich
für sie der Dollar, steigt auch die Inflationsrate. Zwar werden die Waren
in Peso verkauft. Doch längst werden die Preise nach der heimlichen
Zweitwährung Dollar bemessen. Bevor vor einem Jahr die Abwertungsrallye
begann, lag die Inflation bereits bei einem Plus von 25 Prozent im
Vergleich zum Vorjahr. Ende des vergangenen Jahre war die Rate bereits auf
über 40 Prozent angestiegen. Für 2019 wird inzwischen mit einem
Preisanstieg von über 50 Prozent gerechnet.
Damit einhergehend ist Argentiniens Wirtschaft im Mai vergangenen Jahres in
eine Rezession geschlittert, die bis heute anhält. Eine Erholung ist nicht
in Sicht. Um den Pesoverfall und die Inflation wenigsten etwas einzudämmen,
fährt die Zentralbank eine Hochzinspolitik. Gegenwärtig liegt der Zinssatz
für Pesoanleihen bei 70 Prozent Jahreszins. Viele der kleinen und mittleren
Unternehmen stehen deshalb mit einem Bein über dem Abgrund. „Der hohe
Zinssatz schneidet den Unternehmen schlicht den Zugang zu
Investitionskrediten ab,“ sagt der Ökonom Guillermo Bermúdez von der
Stiftung für Wirtschafsforschung FIEL.
In der Bevölkerung geht die Angst bereits um. Teile der Mittelklasse
rutschen wieder in die Armut ab, viele Arme droht die Verelendung. Das
belegen die Anfang April veröffentlichten Zahlen der staatlichen
Statistikbehörde Indec. Demnach lebten im vergangenen Jahr 32 Prozent der
Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die absolute Zahl lag bei 14,3
Millionen und damit rund 3 Millionen höher als 2017. Die Zahl der in
extremer Armut lebenden Argentinier erhöhte sich um 870.000 auf gut drei
Millionen.
Im Oktober stehen Präsidentschaftswahlen an. Lange hatte Macris Wiederwahl
als sicher gegolten. Doch immer weniger ArgentinierInnen haben Angst vor
der Vergangenheit. Inzwischen liegt die ehemalige Präsidentin Cristina
Kirchner auch in seriösen Umfragen vorn, sollte es zwischen Macri und ihr
zu einer Stichwahl kommen. Cristina Kirchners Umfragewerte steigen
kontinuierlich an, obwohl offen ist, ob sie überhaupt als Kandidatin
antritt.
In ihrem gerade veröffentlichtem Buch „Sinceramente – Ganz ehrlich“ teilt
sie jedoch schon mal aus: „Wenn ich Mauricio Macri in einem Wort definieren
müsste, dann ist das Einzige, was mir einfällt: Chaos. Ja, … Mauricio Macri
ist das Chaos und ich glaube fest, man muss Argentinien wieder ordnen.“
4 May 2019
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
Cristina Kirchner
Inflation
Schwerpunkt Armut
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Feminismus
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