# taz.de -- Kommunalwahlen in Italien: Der Traum von einem Wunder | |
> In Florenz bewirbt sich mit Antonella Bundu eine Schwarze ums | |
> Bürgermeisteramt. Sie hat bereits sieben linke Listen vereinigt. | |
Bild: Hat eher Außenseiterchancen bei der Kommunalwahl in Florenz: Antonella B… | |
Rom taz | „Eine schwarze Frau, Florentinerin, links.“ Nur wenige Worte | |
braucht Antonella Bundu, um sich vorzustellen im Kommunalwahlkampf von | |
Florenz. Am 26. Mai wählt die italienische Renaissancestadt ihren neuen | |
Bürgermeister und die schwarze Florentinerin greift als Spitzenkandidatin | |
einer Allianz der radikalen Linken nach dem Amt. | |
„Seit ich 17 Jahre alt bin, mache ich Politik“, erzählt die 49-jährige | |
Bundu, die mit ihrer offen getragenen Afrofrisur ein wenig an Angela Davis | |
erinnert, „doch ich war nie in einer Partei.“ Und sie drängte sich auch | |
nicht nach der Kandidatur – die fiel ihr gleichsam zu. Auf einer offenen | |
Versammlung der Florentiner Linken hatte sie sieben Minuten Redezeit, um | |
über das Wort „schwarz“ zu reflektieren. Danach war für das begeisterte | |
Publikum klar, wer antreten sollte. | |
Ihr Vater aus Sierra Leone, ihre Mutter aus Florenz, verbrachte Bundu ihre | |
ersten drei Lebensjahre in der Stadt am Arno, um dann in Sierra Leones | |
Hauptstadt Freetown zu leben. Mit 17 ging sie nach Liverpool, lebte dort im | |
Schwarzenghetto Toxteth, engagierte sich in einem Zentrum für Black | |
History, half in der kleinen Bibliothek aus und führte Interviews mit | |
älteren Immigranten aus der Karibik. | |
Zum Uni-Studium kehrte sie nach Florenz zurück. Heute arbeitet die | |
studierte Dolmetscherin als Angestellte in einem Architekturbüro. Daneben | |
ist sie bei Oxfam und in einer Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung aktiv. | |
## Generalisierter Rassismus | |
Dass mit ihr eine schwarze Frau antritt, versteht sie als Zeichen gegen | |
eine Entwicklung im Land, [1][das unter dem Innenminister und Lega-Chef | |
Matteo Salvini] „auf dem Feld der Frauenrechte Schritte rückwärts macht und | |
einen generalisierten Rassismus erlebt“, sagt Bundu. | |
Im März 2018 erschoss ein Italiener in Florenz einen Senegalesen, einfach | |
so. Bundu war entsetzt über die Reaktionen eines Teils ihrer | |
MitbürgerInnen, die sich wesentlich mehr über die wütenden Straßenproteste | |
der senegalesischen Community empörten als über den rassistischen Mord. | |
Aber sie kennt auch den allgegenwärtigen Alltagsrassismus. Vor wenigen | |
Wochen klingelten Handelsvertreter an ihrer Tür. Als sie aufmachte, kam | |
sofort deren Frage: „Ist die Hausherrin nicht da?“ Auf der Straße wird sie | |
von wildfremden Menschen gefragt, ob sie als Putzhilfe arbeite. In | |
Social-Media-Kommentaren kommt die Aufforderung, „du solltest dem Land | |
dankbar sein, das dich aufgenommen hat“. | |
Bundu beklagt, dass im Salvini-Italien die Hemmschwellen dramatisch | |
gesunken seien. Sie berichtet von einem Verwandten, der vor wenigen Wochen | |
an einer Straßenbahnhaltestelle unter den Augen zahlreicher Passanten | |
bedroht und beleidigt worden sei. Die Hauptverantwortung trägt in ihren | |
Augen die Regierung, die „den Rassismus institutionalisiert“ habe. | |
## Bezahlbares Wohnen, nachhaltige Müllbeseitigung | |
Auch aus diesem Grund will sie jetzt Hausherrin im Rathaus werden und für | |
ein „offenes, europäisches, multikulturelles“ Florenz sorgen. Zugleich | |
stört sie sich daran, dass Florenz zum „Schaufenster“ geworden sei, | |
„[2][das von den Touristen als enormer Airbnb genutzt]“ werde. Darüber habe | |
sich das Stadtzentrum in ein Museum verwandelt. | |
Linke Politik, die auf Freiheit und Gleichheit, vor allem aber auf mehr | |
Empathie setzt, will sie. Das heißt, dass sich auch gewöhnliche Menschen | |
mit einem gewöhnlichen Einkommen wieder ein Wohnung in zentralen Stadtlagen | |
leisten können. | |
Auch vom Ausbau des Flughafens, den der bisherige Bürgermeister unbedingt | |
will, hält sie nichts. Begründet wird er mit den Erfordernissen des | |
Tourismus. Statt noch mehr BesucherInnen in die Stadt zu schaufeln, im | |
Interesse allein der Geschäftsleute, müsse die Stadt darüber nachdenken, | |
welche Sorte Tourismus sie eigentlich wolle. Und statt der verlängerten | |
Flughafenpiste sollte, geht es nach ihr, dort ein Landschaftspark | |
entstehen. | |
Für Bundu steht bezahlbarer Wohnraum im Vordergrund, nachhaltige | |
Müllbeseitigung, die Entwicklung einer Stadt des 21. Jahrhunderts, die sich | |
nicht bloß auf ihrer glorreichen Vergangenheit ausruht. | |
Bei der Wahl hat sie bloß Außenseiterchancen gegen den Kandidaten der | |
Rechten und den amtierenden Bürgermeister von der gemäßigt linken Partito | |
Democratico. Doch sie setzt auf ein Wunder. Schließlich ist ihr schon das | |
erste Wunder gelungen – alle sieben Listen der chronisch zerstrittenen | |
radikalen Linken hinter ihrer Kandidatur zu vereinen. | |
12 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-Salvini-und-die-Fluechtlinge/!5592093 | |
[2] /Zweckentfremdung-von-Wohnraum/!5584964 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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