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# taz.de -- Neues Beratungsangebot in Bremen: Das Schweigen brechen
> Ein neues Beratungsangebot von Pro Familia soll Fachkräfte für das Thema
> weibliche Genitalverstümmelung sensibilisieren. Der Bedarf ist seit 2016
> stark gestiegen.
Bild: Aktion gegen Genitalverstümmelung der Menschenrechtsorganisation Terre d…
Bremen taz | In Bremen leben zunehmend mehr Frauen und Mädchen aus
Regionen, in denen die Genitalien von Mädchen in Beschneidungsritualen
verstümmelt werden. Um für ihre Bedürfnisse zu sensibilisieren, bietet die
Beratungsstelle Pro Familia jetzt Fortbildungen für Fachkräfte an.
Hebammen, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, Ärzt*innen –
von Angehörigen dieser Berufsgruppen habe es immer mehr Anfragen zu dem
Thema gegeben, sagt Angelika Zollmann. Sie arbeitet in Bremen bei der
Zentralen Gleichstellungsbeauftragten (ZGF) zu Gesundheitsfragen und hat
vor einem Jahr einen Runden Tisch zum Thema weibliche Genitalverstümmelung
einberufen.
„2010 hatte ich das schon einmal angeregt“, erzählt Zollmann, „aber da h…
es von allen Seiten, das kommt bei uns im Alltag nicht vor.“ Mit der
verstärkten Zuwanderung hätten sich dann aber seit 2016 die Anfragen zu dem
Thema gehäuft, sagt Zollmann. Weil sich keine senatorische Behörde bis
dahin damit beschäftigte, habe sich die ZGF des Themas angenommen und erste
Fortbildungen, unter anderem für Gynäkolog*innen, durchgeführt.
Seit Oktober bezahlt jetzt die Gesundheitssenatorin das Beratungsangebot
bei Pro Familia, auf zwei Jahre befristet. „Es soll nicht nur die
Fachkräfte, sondern eigentlich auch die betroffenen Frauen und Mädchen
erreichen“, sagt Emanuela Finke. Die Sozialwirtin arbeitet als freie
Mitarbeiterin für Pro Familia in Hessen und Bremen. Das Problem sei aber,
dass sie bisher in Bremen keinen Zugang zu den Communities habe, in deren
Heimatländern Genitalverstümmelung praktiziert werde. „Diese Frauen kommen
nicht zu Pro Familia, ohne uns zu kennen, da ist die Kluft zu groß“, sagt
Finke, die vor 20 Jahren zum ersten Mal mit dem Thema in Berührung kam, als
Entwicklungshelferin in Westafrika. In Frankfurt und Hamburg sei das
anders, dort gebe es Beratungsstellen, die von Frauen aus den jeweiligen
Ländern geleitet würden. „Das funktioniert am besten und ist am
nachhaltigsten, wenn die Communities selbst aktiv werden.“
Solange es diese Strukturen in Bremen nicht gebe, sagt Finke, sei es umso
wichtiger, Fachkräfte zu schulen, die eine Brücke zu den Betroffenen bilden
können, sie informieren und beraten. „Ich denke vor allem an junge Frauen,
die jemand brauchen, dem sie vertrauen und der oder die versteht, worum es
geht.“
Nach einer [1][Hochrechnung der Menschenrechtsorganisation terre des
femmes] von 2018 leben in Bremen 918 genitalverstümmelte Frauen und Mädchen
und 186 Gefährdete. Die meisten der in Bremen gefährdeten Mädchen kommen
nach dieser Statistik aus Ägypten, Eritrea, Irak, Nigeria und Somalia.
Genitalverstümmelung ist nach einer [2][Aufstellung des UN-Kinderhilfswerks
Unicef] in über 30 Ländern verbreitet, vor allem im mittleren Afrika, im
Nahen Osten und Asien. Dabei ist laut Unicef in manchen dieser Länder nur
ein kleiner Teil der weiblichen Bevölkerung betroffen und in anderen wie
etwa Ägypten, Eritrea, Sudan und Somalia sind es fast alle.
Mit einer wachsenden Sensibilisierung für das Thema wachse die Gefahr, alle
Menschen aus diesen Ländern unter Generalverdacht zu stellen, warnt die
Pro-Familia-Mitarbeiterin Finke. Dies sei die Herausforderung: den eigenen
Standpunkt klar zum Ausdruck zu bringen, über die juristischen und
medizinischen Konsequenzen aufzuklären und dabei kultursensibel und
empathisch vorzugehen.
## Wünschenswerter Handlungsleitfaden
Deshalb wäre es aus ihrer Sicht sehr zu begrüßen, wenn Bremen wie Hamburg
einen Handlungsleitfaden erstellt, an den sich beispielsweise
Erzieher*innen halten können, wenn sie den Verdacht haben, ein Kind wird
zur Beschneidung ins Ausland gebracht. „Ein Hinweis kann sein, dass das
Mädchen erzählt, es würde ins Heimatland der Eltern fliegen und dort viele
Geschenke bekommen“, sagt Finke.
In Bremen hat es seit 2014 einen polizeilich bekannten Verdachtsfall
gegeben, teilte eine Sprecherin der Polizei mit. Der Verdacht auf eine
Straftat habe sich aber nicht bestätigt. Die Dunkelziffer ist nach
Schätzungen von terre des femmes um ein Vielfaches höher.
29 Apr 2019
## LINKS
[1] https://www.frauenrechte.de/online/images/downloads/fgm/TDF-Dunkelziffersta…
[2] https://data.unicef.org/topic/child-protection/female-genital-mutilation/
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Genitalverstümmelung
Bremen
Pro Familia
Genitalverstümmelung
Geburt
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Genitalverstümmelung
Beschneidung
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