# taz.de -- Anti-Abtreibungskapelle in Bayern: Außen schlicht, innen hetzerisch | |
> Der Zentralrat der Juden wirft einem militanten Abtreibungsgegner | |
> Schoah-Verharmlosung vor. Der Ort des Geschehens: eine bayerische | |
> Kapelle. | |
Bild: In der Kapelle werden Abtreibungen und Holocaust in Zusammenhang gebracht… | |
Der Druck auf den Betreiber einer [1][privaten Kapelle in Bayern] wächst. | |
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, | |
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München | |
und Oberbayern, die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im | |
Bundestag, Cornelia Möhring, und Mitarbeiter der Recherche- und | |
Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) haben dem Landwirt und militanten | |
Abtreibungsgegner Franz Graf die Verharmlosung des Holocausts vorgeworfen. | |
„Mit dem entsetzlichen Vergleich in der Franz-Graf-Kapelle wird die | |
Singularität des Holocausts negiert und der Massenmord an den europäischen | |
Juden relativiert“, sagte Schuster. Zudem werde die spezifisch deutsche | |
Schuld an der Schoah in der Kapelle abgewehrt, sagte Nikolai Schreiter von | |
RIAS Bayern. | |
Das Gedenken an den Holocaust dürfe nicht „für tagespolitische Fragen | |
instrumentalisiert und das Andenken der Opfer nicht entwertet werden“, | |
sagte Knobloch. Möhring kündigte zudem an, einen interfraktionellen Antrag | |
im Bundestag vorzubereiten, wie grundsätzlich gegen Holocaust-Relativierung | |
vorgegangen werden kann. „Wir brauchen eine Problembeschreibung, die | |
deutlich macht, dass Holocaust-Verharmlosungen wegen der Geschichte und | |
Verantwortung Deutschlands ein besonderes Thema sind.“ | |
Die Kapelle, um deren Inschriften es geht, ist ein schlichtes weißes | |
Gebetshaus im bayerischen Pösing nahe der tschechischen Grenze. Sie hat es | |
in sich: Im Innenraum wird der „millionenfache Massenmord an wehrlosen | |
Kindern durch Abtreibung“ angeprangert, der „Holocaust“ an ungeborenen | |
Kindern. Schriftlich fragt der Erbauer der Kapelle: „Warum dürfen in | |
Deutschland Kinder in Krankenhäusern und Abtreibungskliniken ‚vergast‘ | |
werden?“ „Auschwitz“, so Graf, „ist heute in unseren Krankenhäusern, | |
Abtreibungskliniken, gynäkologischen Praxen und durch die Einnahme von | |
Abtreibungspillen.“ | |
Gegen diese Behauptungen waren Anfang vergangener Woche Eva Kappl und | |
Marius Brey, die beiden Kreisvorsitzenden Mittlere Oberpfalz der | |
Linkspartei, vorgegangen. In einem [2][offenen Brief] schrieben sie, Graf | |
stelle auf Wänden und Gedenksteinen „unzählige Male“ die Singularität der | |
Schoah infrage. | |
Franz Graf betreibt die Kapelle privat – doch das Bistum Regensburg | |
unterstützt sie. Es gab kirchliche Prozessionen zur Kapelle, zur Einweihung | |
vor zehn Jahren kam der Generalvikar der Diözese Regensburg. Der Sprecher | |
des Bistums Regensburg, Clemens Neck, war für die taz nicht zu sprechen. In | |
einem Interview mit Radio Dreyeckland, einem nichtkommerziellen Sender aus | |
Freiburg, sagte er aber, er halte es für „nicht sinnvoll“, die | |
„millionenfache Tötung ungeborener Kinder, die in unserer Zeit geschieht“, | |
mit den Taten der „nationalen Sozialisten oder der Kommunisten“ | |
gleichzusetzen. Das Anliegen der Kapelle sei aber „absolut sinnvoll“: „Das | |
Grundanliegen des Erbauers, nämlich das unantastbare Lebensrecht jedes | |
Menschen zu verteidigen, das unterstützen wir.“ | |
Dass das Bistum Regensburg diese Linie fährt, überrascht nicht. Bischof | |
Rudolf Voderholzer spricht sich für Pflichtzölibat, gegen die Ordination | |
von Frauen und gegen die Pille danach aus. Am „Marsch für das Leben“ in | |
Berlin, bei dem sich radikale AbtreibungsgegnerInnen und in den vergangenen | |
Jahren vermehrt Rechte wie etwa die AfD-Spitzenfrau Beatrix von Storch | |
sammeln, nahm Voderholzer mehrfach teil. | |
## Staatsanwaltschaft sieht keine Verharmlosung des Holocaust | |
Im Jahr 2017 hielt er dort eine Rede: „Pränatal haben wir eine | |
unbarmherzige und gnadenlose Exklusion und Selektion“, sagte er da. „Ich | |
stelle die Frage: Kann man wirklich gleichzeitig Tränen der Rührung | |
vergießen beim Verlesen eines Briefes aus dem Jahr 1943 durch einen | |
Schauspieler mit Downsyndrom und gleichzeitig schweigen über die pränatale | |
Selektion unserer Tage?“ | |
Die zuständige Staatsanwaltschaft Regensburg, an die sich Kappl und Brey | |
bereits gewandt haben, konnte in den Inschriften der Kapelle keine | |
Verharmlosung des Holocaust erkennen. Durch seine provokanten Äußerungen | |
wolle Graf nur „andere zum Nachdenken bringen über die Bedeutung eines | |
Schwangerschaftsabbruchs“, schreibt die zuständige Staatsanwältin. | |
„Das ist für mich gänzlich unverständlich“, sagte Josef Schuster nun der | |
taz. „Bei diesem Vorgang muss man sich fragen, ob der | |
Antisemitismusbeauftragte bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft | |
eingebunden war und welchen Sinn die Einrichtung einer solchen Stelle hat, | |
wenn sie nicht genutzt wird.“ | |
Zumindest der stellvertretende Landrat Markus Müller (CSU), der bei einer | |
Jubiläumsfeier der Kapelle vor Ort war, sah sich nun zu einer „eindeutigen“ | |
Distanzierung von den Holocaustvergleichen genötigt. Darüber hinaus | |
allerdings heißt es auch in der Pressemitteilung des Landratsamts: Der | |
Einsatz von Herrn Graf für den Schutz des ungeborenen Lebens „ist zu | |
respektieren.“ | |
23 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Abtreibungsgegner-in-Bayern/!5589000 | |
[2] https://www.die-linke-mittlere-oberpfalz.de/nc/nachrichten/detail/news/offe… | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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