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# taz.de -- Im Westen wieder mal Werbung: Gottes Haus und Chinas Handys
> Werbebanner eines chinesischen IT-Konzerns verhüllen die
> Gedächtniskirche, um Geld für die Sanierung einzuspielen. Ein
> Wochenkomentar.
Bild: Berliner Skyline mit etwas Werbeanteil
Hoffentlich ist es Beton“, so lautete mal ein ziemlich pfiffiger Werbeclaim
der deutschen Zementindustrie, und seitdem hat sich das Image des grauen
Kunststeins tatsächlich massiv verbessert – man betrachte nur mal das neue
taz-Verlagshaus. Als die neue Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche des
Architekten Egon Eiermann 1961 neben der alten Turmruine auf dem
Breitscheidplatz eröffnet wurde, galt dieser Spruch offenbar noch nicht:
Das Zeug bröselt heute weg wie nichts Gutes.
Jetzt ist wieder mal der Glockenturm dran, also eigentlich schon seit fünf
Jahren. Denn 2014 machte die Ikone der Nachkriegsmoderne auf ihren
bedauernswerten Zustand aufmerksam, indem sie mit kleinen Brocken nach
PassantInnen warf (aber glücklicherweise nicht traf). Seitdem ist der Turm
eingerüstet, aber weil das Geld fehlt, passierte bislang nichts.
Und jetzt? Passiert in Sachen Sanierung zwar immer noch nichts, dafür gibt
es eine neue Hülle, die bei vielen für Unmut sorgt: ein Rundumwerbeposter
des chinesischen IT-Konzerns Huawei. Das Ganze ist im Grunde nur die
Wiederholung des Programms von vor 20 Jahren, als das Schminke-Imperium
L’Oréal Claudia Schiffer und Andie MacDowell an die zylindrische Fassade
heften durfte. Auch das stieß bereits vielen als Akt des Banausentums sauer
auf.
Die Gemeinde verteidigt sich, mal wieder: Schätzungsweise vier Millionen
Euro koste die Sanierung, von der Wüstenrot-Stiftung bekomme man nur eine
und weitere Fördermittel gebe es höchstens, wenn man einen ansehnlichen
Eigenanteil vorweisen könne. Werbung aber sei „unsere einzige Chance, an
Eigenmittel zu kommen“, so der Pfarrer. Dass Huawei jetzt auch noch in
Verruf geraten ist, stört ihn – zu Recht – weniger, immerhin sind die
5G-Vorwürfe in erster Linie auf Donald Trumps protektionistischem Mist
gewachsen, und überhaupt locken die Chinesen auf dem Glockenturm nur mit
banalen Handys.
Wir nehmen zwei Erkenntnisse aus dem Ganzen mit. Erstens: Der Kirche geht’s
tatsächlich nicht sehr gut, wenn noch nicht einmal rund um den Ku’damm ein
paar betuchte Gemeindemitglieder bereit sind, etwas tiefer in die
Portokasse zu greifen. Oder ganz viele ein bisschen weniger tief. Man fühlt
sich an den Drei-Religionen-Treffpunkt House of One erinnert, der als
Crowdfundingprojekt startete und nun vom Staat gerettet werden muss.
Zweitens: Mit „Berlin Werbefrei“ wäre das nicht passiert. Die Initiative
hat für ihr Ziel, die optische Kommerzialisierung der Stadt per Gesetz
drastisch einzuschränken, mehr als genug Unterschriften gesammelt – aber
die verschimmeln nun schon seit fast acht Monaten zur „Prüfung“ des
Vorhabens in Senatsschubladen.
Ach ja, und doch noch drittens: Hoffentlich ist es nächstes Mal besserer
Beton.
30 Mar 2019
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Berlin Werbefrei
Huawei
5G-Technologie
Werbung
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