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# taz.de -- Prozess gegen den Freistaat Bayern: Mollaths langer Kampf
> Das berühmte Justizopfer Gustl Mollath verklagt den Freistaat Bayern und
> streitet für seine Entschädigung. Die scheint dem Richter begründet.
Bild: „Ich bin durch die Hölle gegangen“, beschriebt Gustl Mollath die Psy…
München taz | Seit knapp fünf Jahren muss Gustl Mollath um seine
Entschädigung kämpfen. Im Sommer 2014 gestand ihm das Landgericht
Regensburg einen Anspruch darauf zu. Mollath war zu Unrecht siebeneinhalb
Jahre in der Forensik, der Gefängnispsychiatrie, weggesperrt worden,
stellte das Gericht fest. Bisher hat er jedoch [1][vom Freistaat Bayern
lediglich 70.000 Euro erhalten, weitere 100.000 wurden ihm versprochen,]
wenn es zu einem Vergleich kommt.
Am Mittwoch versammelte man sich am Münchner Landgericht zum Gütetermin,
also der mündlichen Verhandlung, um die Möglichkeiten eines Vergleichs
auszuloten. Der Freistaat Bayern schickte bezeichnenderweise nur einen
einzigen Rechtsanwalt – Vertreter des Justizministeriums blieben fern.
Die Höhe der Entschädigung sei jedoch zu wenig, finden Mollath und sein
Rechtsanwalt Hildebrecht Braun. „Ich bin durch die Hölle gegangen“,
beschreibt der gebürtige Nürnberger die Zeit in den Anstalten. Mit seinem
Anwalt hat er den erlittenen Schaden ausgerechnet und kommt auf knapp 1,8
Millionen Euro, die er vom Freistaat verlangt.
Mittlerweile ist Mollath 62 Jahre alt. Vor dem Gericht tritt er mit Anzug,
roter Krawatte und seinem akkurat rasierten Schnurrbart auf. Anfang der
2000er-Jahre beschuldigte Mollath seine damalige Frau und ihren
Arbeitgeber, die bayerische Hypo-Vereinsbank, für vermögende Kunden
Schwarzgeld anzulegen. Seine Frau wiederum erstattete Anzeige gegen ihn,
weil er sie wüst verprügelt haben soll und unterstellte ihm, an einer
psychischen Krankheit zu leiden. In einem Prozess wurde Mollath 2006 zwar
wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, wurde zugleich aber als angeblich
Wahnkranker bis auf weiteres in die Psychiatrie weggesperrt.
## „Eine Vielzahl von Verfahrensfehlern“
Als er am Mittwoch die Sachlage erörtert, lässt der Vorsitzende Richter
Frank Tholl nun durchblicken, dass es für Mollath in einem möglicherweise
folgenden Prozess nicht schlecht aussieht. Einen Schadensersatzanspruch
halte das Gericht „durchaus für plausibel“, sagt er. Man könnte das Urteil
aus dem Jahr 2006, das Mollath in die Psychiatrie gebracht hat, durchaus
„als rechtswidrig ansehen“, insgesamt gäbe es in der ganzen Causa „eine
Vielzahl von Verfahrensfehlern“.
Auf seine Forderung von über 1,8 Millionen Euro kommt Mollath unter anderem
durch den entgangenen Arbeitslohn, nicht eingezahlte
Rentenversicherungsbeträge sowie die Versteigerung seines Hauses durch
seine damalige Ehefrau. Vor allem aber schlägt der „immaterielle Schaden“
zu Buche, also die Leiden durch siebeneinhalb Jahre Freiheitsentzug – es
waren genau 2.747 Tage – ohne konkrete Hoffnung, je wieder nach draußen zu
gelangen. In der Klageschrift bezeichnet Mollath das als „Zufügung
seelischer Qualen ohne Ende“. Noch heute könne er nachts schlecht schlafen
und habe Alpträume. Für diesen Schaden setzen er und sein Anwalt 800.000
Euro an.
## „Wunder, dass ich nicht durchgedreht bin“
Der Anwalt des Freistaats, Michael Then, weist viele Vorwürfe zurück, sagt
aber auch: „Wir sagen nicht, es war alles richtig. Wir wollen eine gütliche
Einigung erlangen.“ Was das finanziell bedeutet, lässt er jedoch völlig
offen.
Weiterhin kann sich Gustl Mollath keine Wohnung mieten, sagte sein Anwalt
Braun, weil er dafür nicht genügend Geld und keine Planungssicherheit habe.
Immer noch lebe er wechselnd bei Freunden. Rückblickend auf seine Zeit in
der Psychiatrie bezeichnet er es als „göttliches Wunder, dass ich in den
siebeneinhalb Jahren nicht durchgedreht bin“.
Jetzt soll sich Mollath in dem Zivilprozess mit dem Freistaat verständigen.
Wann beziehungsweise ob es dazu kommen wird, ist unklar. Falls die Einigung
scheitert, würde ein langer Prozess folgen.
20 Mar 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Mollath
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Psychiatrie
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Schuld
Mollath
Gustl Mollath
Polizeiruf 110
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