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# taz.de -- Kommentar Schäfer-Gümbels Jobwechsel: Eigenverantwortung, war da …
> Willy Brandt würde sich schämen: Mit Thorsten Schäfer-Gümbel bekommt ein
> weiterer Spitzengenosse einen lukrativen Posten zugeschanzt.
Bild: Wer in der SPD etwas werden will, muss fehlerfrei aufsagen, dass Willy Br…
Mechthild Rawert aus Berlin, Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg, war eine
unbekannte Bundestagsabgeordnete der SPD. Ende 2017 schied sie aus dem
Bundestag aus, seit einem halben Jahr sucht sie über ihre Website „nach
einer neuen beruflichen Gestaltung“.
Mechthild Rawert war in der Parteihierarchie nicht wichtig genug, um in
hoher Position zu Gazprom, einer Krankenkasse oder zur staatlichen
Entwicklungshilfeorganisation GIZ zu wechseln. Ihr Genosse Thorsten
Schäfer-Gümbel war wichtig genug. Im Herbst [1][wechselt er] als
Arbeitsdirektor, also Personalchef, im Vorstandsrang zur GIZ, nachdem er
einsah, dass es in der Politik nach drei Wahlniederlagen keine Zukunft mehr
für ihn gibt.
Natürlich hat der SPD-Fraktionsvorsitzende und Parteivorsitzende in Hessen
keinerlei Erfahrung in Sachen Personalmanagement. Das erledigen in Parteien
und Fraktionen die Geschäftsführer. Er bekommt den offenbar mit rund
200.000 Euro dotierten Job, weil die SPD bei den Koalitionsverhandlungen
vor einem Jahr den Posten zugeschanzt bekam, wie die taz im Herbst
berichtete.
Angesichts der boomenden Wirtschaft wäre es für Schäfer-Gümbel ein
leichtes, auf dem freien Arbeitsmarkt den Job zu finden, der ihm gefällt.
Aber die Eigenverantwortung, die der ehemalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder
in seiner Agenda-2010-Rede im Jahr 2003 im Bundestag anmahnte, gilt nicht
für die eigenen Parteioberen.
## Furnierholzküchentisch und Resopalfrühstücksbrettchen
Sozialdemokraten in Spitzenpositionen sind anfälliger für Patronage und
Parteienfilz als Politiker bürgerlicher Parteien. Meist Sozialaufsteiger,
haben sie ihren Status, den ihnen ihre Herkunft nicht bieten konnte, ihrer
Parteikarriere zu verdanken. SPD-Politiker – so auch Schäfer-Gümbel, der
Sohn einer Putzfrau und eines Lkw-Fahrers ist – betonen zwar gern ihre
Herkunft aus sogenannten kleinen Verhältnissen, aber das ist reine PR.
In Wahrheit sind sie froh, ihr elterliches Reihenhaus mit
Furnierholzküchentisch und Resopalfrühstücksbrettchen hinter sich gelassen
zu haben und einem Milieu entflohen zu sein, in dem sich die Anstrengungen
und Begrenzungen körperlicher Lohnarbeit überall einnisten, auch bei den
Nachkommen. Der Autor dieser Zeilen – ein autobiographischer Verweis sei an
dieser Stelle erlaubt – kennt dieses Milieu. Und je weiter sich die
SPD-Aufsteiger von der Herkunft entfernt haben, umso größer ist der innere
Triumph darüber, dass sie es geschafft haben.
Jeder, der in der SPD etwas werden will, muss fehlerfrei aufsagen, dass
Willy Brandt sein Vorbild sei. Brandt, Sohn einer alleinerziehenden
Verkäuferin, wurde nach seiner Kanzlerschaft durch seine
Buchveröffentlichungen ein wohlhabender Mann, aber er wäre nie auf die Idee
gekommen, seine politische Karriere umzumünzen in einen lukrativen Job.
Vereinnahmungen von Toten lassen sich gesetzlich leider nicht verbieten.
Die SPD, diese Partei der Beamten und Hinterzimmerbürokraten, glaubt bis
heute, dass sie wegen ihrer hundertseitigen Wahlprogramme gewählt wird. Ein
grandioses Missverständnis: Gewählt wurde und wird sie wegen der Haltung,
die ihr Personal im besten Fall verkörpert – auch nach dem Abschied aus der
Politik. Politiker mit dieser Haltung sind in der Partei inzwischen so
selten wie SPD-Wahlerfolge.
20 Mar 2019
## LINKS
[1] /Hessischer-SPD-Chef-wechselt-Posten/!5575651
## AUTOREN
Gunnar Hinck
## TAGS
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Thorsten Schäfer-Gümbel
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