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# taz.de -- Deutscher Reporter Billy Six: Freude hier, Frust dort
> Der deutsche Reporter Billy Six wurde aus der Haft in Venezuela
> entlassen. Er soll inzwischen das Land verlassen haben.
Bild: Six im Jahr 2013, kurz nachdem er aus syrischer Haft entlassen wurde
Berlin taz | Fast vier Monate [1][saß der deutsche Reporter Billy Six ohne
Anklage] in dem berüchtigten Geheimdienstgefängnis El Helicoide in der
venezolanischen Hauptstadt Caracas ein – [2][nun ist er wieder frei]. Am
Freitag Abend hat die venezolanische Justiz überraschend seine Freilassung
angeordnet. Das teilten die venezolanische Pressegewerkschaft SNTP sowie
die Menschenrechtsorganisation Espacio Público auf Twitter mit.
Demnach brachte man den 32-Jährigen, der am 17. November vom
venezolanischen Geheimdienst Sebin bei einer Razzia im Bundesstaat Falcón
im Norden des Landes verhaftet worden war, am Freitag für eine Anhörung in
das Justizgebäude. Dort wurden ihm die Auflagen seiner Freisetzung
mitgeteilt: Six müsse sich alle zwei Wochen bei den venezolanischen
Behörden melden. Zudem dürfe er nicht mit der Presse über seinen Fall
sprechen. Nach Angaben verschiedener Medien hat Six das Justizgebäude
anschließend in Begleitung deutscher Botschaftsmitarbeiter verlassen.
Gegenüber der taz hat das Auswärtige Amt in Berlin die Freilassung Six’
bestätigt. Am Sonntagnachmittag dann folgte die Meldung, Six befinde sich
auf dem Weg nach Deutschland. „Wir sind froh, dass der Fall Billy Six nach
intensiven Bemühungen eine positive Entwicklung genommen hat“, bestätigte
eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes die Ausreise.
Unklar sind die Gründe für die Entscheidung der venezolanischen Justiz.
Möglicherweise hat sie mit dem bevorstehenden Besuch von Michelle Bachelet
zu tun. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und frühere chilenische
Präsidentin hat angekündigt, nach Caracas zu reisen. Derzeit ist bereits
ein fünfköpfiges Beobachter-Team im Land, um die schweren Vorwürfe gegen
die Regierung von Nicolás Maduro im Umgang mit Freiheits- und Bürgerrechten
zu prüfen. Beobachter in Venezuela werten die Freilassung Six' als Versuch
der Regierung, das Urteil der UN-Inspekteure abzumildern.
## Erste Dusche seit vier Monaten
In Deutschland hat die Nachricht über die Freilassung des Deutschen Freude
ausgelöst. Auch Six' Eltern äußerten ihre Erleichterung. In der
rechtskonservativen Zeitung Junge Freiheit, für die Six freiberuflich
arbeitet, sagten sie am Samstag: „Wir sind froh über seine Haftentlassung“.
Ihr Sohn sei jetzt in Caracas in einem Hotel und schlafe. Erstmals seit
vier Monaten habe er wieder duschen können.
Six hatte mehrfach über die schlechten Haftbedingungen geklagt. Anfang
Februar gab er einem deutschen Botschaftsmitarbeiter einen handschriftlich
verfassten Brief an Gefängnisdirektor Ángel Flores und an Justizminister
Néstor Reverol, der gleichzeitig Innenminister und Generalkommandeur der
Nationalgarde ist.
Darin beklagt Six, dass er elf Wochen lang keinen Sonnenlicht gesehen habe,
das Gefängnis voller Schimmel sei, ihm der Kontakt zu seinem Anwalt oder
seiner Familie verwehrt bliebe und dass ihm persönliche Gegenstände wie
Tagebücher oder seine Nagelschere abgenommen worden seien. Bei der
Gelegenheit kündigte Six einen Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen an.
Die Umstände von Six' Verhaftung haben weltweit für Empörung gesorgt. Six,
der sich auf seinem Youtube-Kanal selbst als „Indiana Jones“ des
Journalismus bezeichnet und schon mal in einem syrischen Gefängnis saß,
hatte vor seiner Verhaftung zu der humanitären Krise im Land und zum
Massenexodus der Venezolaner nach Kolumbien und in die Karibik
recherchiert.
## Die Vorwürfe: Spionage und Rebellion
Einen Tag nach seiner Verhaftung – am 18. November – brachten
Geheimdienstmitarbeiter Six vor ein Militärgericht in Caracas. Dort wurden
ihm „Spionage“, „Rebellion“ und das „Verletzen von Sicherheitszonen“
vorgeworfen. Laut der Menschenrechtsgruppe Espacio Público wurden dabei
folgende „Verstöße“ vorgebracht: Six habe in den Jahren 2015 und 2016
während eines nationalen Feiertages Fotos von Militärparaden gemacht und
sich während seiner Recherchen mit kolumbianischen FARC-Rebellen getroffen.
Weiter sei Six zur Last gelegt worden, dass er sich bei einer
Wahlkampfveranstaltung von Präsident Nicolás Maduro im Mai 2018 auf die
Absperrung der „Sicherheitszone“ gestützt habe. Six drohten bis zu 28 Jahre
Haft.
Reporter Ohne Grenzen (ROG) bezeichnete die Vorwürfe im Herbst als
„hanebüchen und in keiner Weise belegt“. Es sei ein „gängiges Mittel
autoritärer Regime, recherchierende Journalisten der Spionage zu
bezichtigen“. Im aktuellen ROG-Ranking für Pressefreiheit landet Venezuela
weltweit auf Platz 143 von 180. Daran dürfte auch die Freilassung Six'
nichts ändern. Im Gegenteil.
Erst diese Woche gab es – unmittelbar vor der Freilassung Six' – drei
staatliche Übergriffe auf Journalisten. Am Montag meldete die Frau des
Medienaktivisten Luis Carlos Díaz, dass dieser verschwunden sei.
Mittlerweile habe der Geheimdienst Sebin seine Festnahme bestätigt,
berichtet die Pressegewerkschaft SNTP. Am Donnerstag dann wurde der
Korrespondent der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza Tomasz Surdel in
Caracas von Polizisten verprügelt. [3][Auf Twitter erzählt Surdel] auf
Spanisch mit übel zugerichtetem Gesicht von dem Überfall. Surdel kündigte
an, sich nicht einschüchtern und weiter aus Venezuela berichten zu wollen.
## CNN-Mitarbeiter verschwunden
Am gleichen Tag wurde der der CNN-Mitarbeiter Rafael González als vermisst
gemeldet. Nach Angaben seiner Anwältin Andrea Santacruz wurde er während
seiner Arbeit von Sicherheitskräften des Staates festgehalten und
mitgenommen. „Ihm wurde gegen seinen Willen die Freiheit genommen und der
Staat verweigert die Aussage darüber, wo er sich befindet“, sagt sie dem
regierungskritischen Internet-Fernsehsender VPITV.
Die Regierung Maduros signalisiert mit diesen Übergriffen: Auch künftig
riskiert jeder, der kritisch berichtet, mindestens Haft – auch ausländische
Journalisten. Manche werden nach der Festnahme schnell außer Landes
geschafft wie vor zwei Wochen der US-Journalist Cody Weddle, der für CNN
arbeitet. Doch wer einmal einsitzt, kommt in der Regel nicht so schnell
raus.
Der Fotograf Jesús Medina Ezaine etwa wird seit August 2018 in einem
Militärgefängnis festgehalten. Sein Vergehen: Medina hatte zwei peruanische
Kollegen bei einem Bericht über ein Krankenhaus in Caracas geholfen und
sich damit zum Staatsfeind gemacht. Noch länger sitzt der Direktor des
Investigativmediums Reporte Confidencial Braulio Jatar ein – über
zweieinhalb Jahre. Er soll ein Terrorattentat mit vorbereitet haben.
Tatsächlich hatte Jatar von einer regierungskritischen Demonstration
berichtet.
Was auch immer zu Six' Freilassung geführt haben mag: In Deutschland dürfte
der Fall Six damit noch nicht abgeschlossen sein. Die AfD hatte versucht
der Bundesregierung nachzuweisen, sich nicht genügend für die Freilassung
Six' eingesetzt zu haben. Auf Twitter kündigte die AfD der
niedersächsischen Stadt Salzgitter an: „Die deutsche Regierung,
insbesondere der Außenminister Heiko Maas, das Auswärtige Amt und die
deutsche Botschaft in Caracas werden sich noch für die 119 Tage
Isolationshaft von #BillySix zu verantworten haben!“
UPDATE 17.03.: Dieser Text wurde am 17.03. mit einem Zitat aus dem
Auswärtigen Amt aktualisiert
16 Mar 2019
## LINKS
[1] /Deutscher-Reporter-in-Venezuela/!5561413/
[2] /Deutscher-Reporter-Billy-Six/!5580889/
[3] https://twitter.com/tomeksurdel?lang=de
## AUTOREN
Ralf Pauli
## TAGS
Billy Six
Venezuela
Schwerpunkt Pressefreiheit
Billy Six
Juan Guaidó
Billy Six
Venezuela
Junge Freiheit
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