# taz.de -- Revisionistischer Brauerei-Besitzer: Historikerstreit in Prenzlauer… | |
> Eine finnische Brauerei in Berlin mit Bezug zu einem SS-Veteranenverein | |
> ist Freitag Thema einer Diskussionsrunde über Geschichtspolitik in | |
> Finnland. | |
Bild: SS-Männer der Division Wiking bekommen Militärauszeichnungen verliehen | |
Eine finnische Brauerei in Prenzlauer Berg ist unvermittelt in das Zentrum | |
eines Historiker*innenstreits gerückt. Weil der finnische Chef des | |
Craftbier-Restaurants Bryggerie Helsinki in der Göhrener Straße | |
gleichzeitig Vorsitzender eines SS-Veteranenvereins „Veljesapu“ | |
(Bruderhilfe) in Finnland ist, der das Andenken an die rund 1.400 Finnen | |
ehren will, die im Zweiten Weltkrieg freiwillig für Deutschland in der | |
Waffen-SS dienten, hatte das Berliner [1][Bündnis gegen Rechts zum Boykott | |
aufgerufen]. Zuvor hatte die taz berichtet, dass der Brauer auch auf der | |
[2][diesjährigen Grünen Woche ausschenken durfte]. Hakenkreuze und SS-Runen | |
hat der Verein inzwischen von seiner Website entfernt. | |
Im Kiezladen in der Dunckerstraße in Prenzlauer Berg gibt es am | |
Freitagabend nun eine Diskussionsveranstaltung vom Berliner Bündnis gegen | |
Rechts zum Thema „SS-Verherrlichung und Geschichtspolitik in Finnland und | |
Deutschland“. Neben David Kiefer vom Bündnis sind Cordelia Heß, Professorin | |
für nordische Geschichte an der Uni Greifswald, und der Direktor des | |
finnischen Nationalarchivs Jussi Nuorteva an der Diskussion beteiligt. | |
Der Geschäftsführer der Brauerei, Pekka Kääriäinen, beteuerte gegenüber d… | |
taz, kein Nazi zu sein – genauso wenig wie sein Vater damals, als er | |
freiwillig in der Waffen-SS ([3][Division Wiking]) diente. Sein Verein | |
diene nur der finanziellen Unterstützung von Veteranen und ihrer Familien. | |
Gleichzeitig bemüht sich Kääriäinen um ein positives Bild der finnischen | |
Waffen-SS-Männer. | |
In manchen Punkten will der Nationalarchiv-Direktor Nuorteva dem | |
Brauereibesitzer durchaus zur Seite stehen: Kääriäinens Vater habe in | |
seinen Tagebüchern angesichts bezeugter Erschießungen Abneigung gezeigt, so | |
Nuorteva. Zudem habe es unter den 1.408 Freiwilligen nur 20 aktive | |
Unterstützer des Nationalsozialismus gegeben. Der SS-Veteranenverein habe | |
zudem die Aufarbeitung durch das Nationalarchiv unterstützt, indem diese | |
ihr Material zur Verfügung gestellt hätten. Die Untersuchung des | |
Nationalarchivs kam dennoch zum Schluss, dass es höchstwahrscheinlich sei, | |
dass finnische SS-Leute an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Unter | |
kritischen Historiker*innen wird die Studie [4][als zu wohlwollend | |
kritisiert]. | |
## Legende vom unpolitischen SS-Mann | |
Der an der Diskussion beteiligten Heß geht es um ein differenziertes Bild: | |
„Mir ist es zwar einerseits wichtig, SS-Verherrlichung und Entpolitisierung | |
der Waffen-SS, wie sie auch die Brüderhilfe von Kääriäinen betreibt, | |
ausdrücklich zu kritisieren. Gleichzeitig kann man aber auch nicht mit | |
deutscher Arroganz hergehen und sagen, dass die Finnen gefälligst mal ihre | |
Geschichte aufarbeiten sollten“, sagte sie der taz. Die Finnen hätten | |
durchaus ein anderes Verhältnis zum Zweiten Weltkrieg, auch weil Finnland | |
zuerst von der Sowjetunion überfallen wurde und seine Grenzen schützen | |
wollte, so Heß. Und wer habe nochmal den Zweiten Weltkrieg angefangen? | |
Eben. | |
„Dennoch ist klar, dass finnische SS-Freiwillige nicht unpolitisch in den | |
Krieg gezogen sind“, sagt Heß. Bei aller Sensibilität für die finnische | |
Sichtweise könne man deutlich sagen, dass sich anhand von Tagebüchern und | |
Dokumenten durchaus auch bei den finnischen SS-Freiwilligen Antisemitismus | |
belegen lasse: „Vor allem hat die Division Wiking an Pogromen und am | |
Vernichtungskrieg teilgenommen. SS-Veteranenverbände stellen diese Täter | |
wahlweise als Helden oder als Opfer dar.“ | |
Derzeit läuft in Finnland eine politische Debatte um die Aufarbeitung der | |
Geschichte der finnischen SS-Freiwilligen. Jüngere Historiker*innen | |
stellten dabei in den vergangenen Jahren das auch durch SS-Veteranenvereine | |
eher positiv geprägte Bild der finnischen Waffen-SS-Männer zunehmend in | |
Frage und wurden dafür von Leuten wie Kääriäinen sinngemäß als | |
Nestbeschmutzer kritisiert. | |
„Durch Aufrufe von geschichtsrevisionistischen Leuten wie Kääriäinen haben | |
kritische Forscher*innen innerhalb Finnlands viel Gegenwind bis hin zum | |
Shitstorm zu befürchten“, so Heß. Trotzdem ist sie sich sicher: „Die | |
Legende von den unpolitischen Waffen-SS-Freiwilligen wird sich dennoch | |
nicht aufrecht halten lassen.“ | |
22. März, Kiezladen, Dunkerstraße 14, 19:30 Uhr | |
22 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!5574796/ | |
[2] /!5563545/ | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/5._SS-Panzer-Division_%E2%80%9EWiking%E2%80%9C | |
[4] https://www.is.fi/kotimaa/art-2000006039789.html | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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