# taz.de -- Literatursendung „Gottschalk liest?“: Gottschalk plaudert | |
> In seiner neuen Literatursendung will Thomas Gottschalk mit Autoren über | |
> neue Literatur sprechen. So richtig ernst scheint das niemand zu nehmen. | |
Bild: Na, Herr Gottschalk, haben Sie diese Bücher denn auch alle gelesen? | |
Er ist wieder da. In gewohnt auffälliger Kleidung – dunkelrote Lederhose | |
mit bunt besticktem Mantel und goldener Kreuzkette – sitzt Entertainer | |
Thomas Gottschalk mit vier Prominenten auf der Couch und tut das, was er am | |
besten kann: plaudern. | |
Doch auf Kinderwetten und Hollywoodstars wartet man in Gottschalks neuer | |
Sendung vergeblich, es geht um Literatur. Mit einer Kreide vervollständigt | |
der Moderator zu Beginn den Titel von „Gottschalk liest“ zum korrekten | |
„Gottschalk liest?“ Und das ist leider auch das, was nach dem 45-minütigen | |
Literatur-Gespräch bleibt: ein großes Fragezeichen. | |
Viermal im Jahr soll Gottschalk künftig mit seiner neuen Sendung | |
unterschiedliche Regionen Bayerns besuchen und mit seinen Gästen über deren | |
Werke diskutieren. Sein erster Gast im Augsburger Theater ist [1][Sarah | |
Kuttner mit ihrem gerade erschienen Roman „Kurt]“. Nach einem Trailer zum | |
Roman, der vom Familienleben in Brandenburg und dem Umgang mit dem Tod | |
eines kleinen Jungen erzählt, beginnt Gottschalk mit seinen Fragen. Doch | |
schon bei seiner Nacherzählung regt sich der Verdacht, dass der Moderator | |
nicht ganz sorgfältig bei seiner Lektüre war. | |
Er erzählt von der „verdrängten Ehefrau, die plötzlich lesbisch geworden | |
ist“, dabei war es doch die Schwester, und sie ist auch nicht „plötzlich | |
lesbisch“ geworden. Er verwechselt nicht nur die Figuren, sondern begeht | |
auch noch den verpönten Fehler, die Autorin mit der Protagonistin | |
gleichzusetzen. Kuttner verbessert, wirbt für ihr Buch, gemeinsam sprechen | |
sie noch über die beste Kaffeesahne und schon geht es weiter mit dem | |
nächsten Gast. | |
## Lieber in die dunkle Kammer | |
Hatte sich Kuttner noch mit Witz und gelassen den Fragen gestellt, hat es | |
Gottschalk mit seinem zweiten Gast schon schwerer. [2][Ferdinand von | |
Schirach] gibt bei der Besprechung seines neuen Romans „Kaffee und | |
Zigaretten“ kühle Ja- und Nein-Antworten. Es kommt das Gefühl auf, | |
Gottschalk nehme seine Gäste nicht wirklich ernst – sie ihn allerdings auch | |
nicht. | |
Von Schirach reagiert auf Gottschalks Witze, die ohnehin nicht beim | |
Publikum ankommen, mit einem: „Das verstehe ich nicht.“ Wirklich witzig | |
wird es dann aber, als von Schirach eine Anekdote auspackt: Bei einer | |
Übernachtung im Bayrischen Hof in München sei ihm einmal die | |
Thomas-Gottschalk-Suite gegeben worden. Da diese aber so bunt wie seine | |
Klamotten seien, habe er lieber nach einer dunklen Kammer gefragt. Endlich | |
lacht auch das Publikum. | |
Wie bei den vorherigen Gästen geht es auch in Vea Kaisers „Rückwärtswalzer… | |
um den Tod. Mit Gottschalks kritischer Nachfrage, wie Kaiser denn über die | |
Nachkriegszeit schreiben könne, ohne sie selbst erlebt zu haben, gibt er | |
der Autorin kaum eine andere Chance als mit dem Altbewährten „Ein Autor | |
muss nicht alles selbst erlebt haben, um darüber zu schreiben“ zu | |
antworten. | |
Um ein bisschen Intellekt zu beweisen, es handelt sich schließlich um eine | |
Literatursendung, zitieren Gottschalk und Kaiser gemeinsam aus Ovids | |
„Metamorphosen“. Auswendig und auf Latein. | |
## Plaudern kann er | |
Da der Entertainer nicht mehr als drei belletristische Werke geschafft habe | |
(endlich ein Witz, der zündet), stellt der letzte Gast, Daniel Biskup, | |
seinen Bildband „Wendejahre“ vor. Zeit für Tiefgang bleibt auch bei diesem | |
Gespräch nicht. | |
Nach einer guten halben Stunde hat Gottschalk dann jedes Buch einmal kurz | |
abgehandelt. Das Problem: Mit fünf oberflächlichen Fragen kann man | |
vielleicht einen Hollywood-Star abspeisen, der seinen Film bewerben will; | |
wenn es allerdings um Literaturbesprechungen geht, reicht das nicht aus. | |
In den letzten zehn Minuten sollen die Autor*innen noch einmal miteinander | |
ins Gespräch kommen. Stattdessen endet Gottschalk mit Plattitüden: Wie | |
schreibe ich einen Bestseller? Wurde nicht alles schon einmal | |
aufgeschrieben? Und: Diese schlimmen jungen Leute, die lesen ja gar nicht | |
mehr. | |
Irgendwie hatte man Gottschalk aber auch vermisst nach [3][seinem Weggang | |
von „Wetten, dass . . ?“]. Das geht wohl einigen so, lief die Sendung doch | |
mit fast 500.000 Zuschauer*innen überdurchschnittlich gut für den BR. Doch | |
vermutlich ist einfach nicht jeder, der gerne liest, dafür gemacht, eine | |
Literatursendung zu moderieren. Aber das mit dem Plaudern, das kann er noch | |
immer. | |
20 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Sarah-Kuttner-ueber-Brandenburg/!5577857 | |
[2] /ZDF-TV-Krimi-Reihe-Schuld/!5447366 | |
[3] /Gottschalk-hoert-bei-Wetten-dass-auf/!5126806 | |
## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
## TAGS | |
Thomas Gottschalk | |
Literatur | |
RBB | |
Thomas Gottschalk | |
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2022 | |
Charlie Hebdo | |
Buch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
RBB-Literatursendung „Studio Orange“: Zu sehr gewollt | |
Die neue Literatursendung mit Sophie Passmann beim RBB will anders sein als | |
ihre Vorgänger: Entspannter und lustiger. Das gelingt nur bedingt. | |
Kolumne Geht’s noch?: Mensch, Thomas! | |
Nach 43 Jahren hat Thomas Gottschalk seine Ehefrau Thea verlassen. Das ist | |
nicht in Ordnung, denn jetzt kann sich niemand mehr seiner Liebe sicher | |
sein. | |
Buchmesse in Leipzig: Der Konsens ist weg | |
In Leipzig treffen Leserschaft, KritikerInnen, Verlage und Buchhandel | |
aufeinander. Zuletzt haben sie sich allerlei Kränkungen zugefügt. | |
„Der Fetzen“ von Philippe Lançon: Das Gesicht eines Überlebenden | |
Philippe Lançon hat den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ überlebt. In seinem | |
Buch schreibt er darüber – aber nicht als Selbsttherapie. | |
Roman „Benzin“ von Gunther Geltinger: Der tödliche Treibstoff des Erzähle… | |
Ein schwules Paar begibt sich trotz Eheproblemen auf eine Reise. Ein | |
Ehedesaster folgt, Gunther Geltinger erzählt davon in seinem Roman „Benzin“ | |
. |