# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Die ganze Welt in einem „Schpruch“ | |
> Zwei, drei, höchstens fünf Begriffe sollen ausreichen, damit ein | |
> Urlaubsort als Paradies erscheint. Mit dem wahren Leben hat das nichts zu | |
> tun. | |
Bild: „M.M.M“ – ein Slogan für Brasilien: „Machos, Money, Militär“ | |
Einst wirkten, lang ist es her, Dichterinnen und Dichter in den | |
Schreibstuben der Tourismusindustrie. „Die Farbe des Schnees. Der Geschmack | |
von Tränen. Die Unendlichkeit des Ozeans“ – Werke von so stiller Größe | |
durfte man etwa auf den simplen Salztütchen der Fluggesellschaft SAS lesen. | |
Beglückt nahm man es zur Kenntnis und ging bereichert von dannen. | |
Das bringt uns direkt zu den Hervorbringungen heutiger creativos – und | |
damit zu den Slogans, mit denen in diesen Zeiten Fluggesellschaften, | |
Hotels, Kreuzfahrer und ganze Länder für sich werben wollen. Sie wissen | |
schon: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Ha jo, des isch halt a | |
Schpruch, BaWü. | |
Nun ist die Sache mit den Slogans ganz gewiss keine leichte. Die | |
Wortschmiede sind gehalten, in einer Folge von zwei, drei, allerhöchstens | |
fünf Begriffen die ganze Schön-, Wild- und Sicherheit sowie die Gemütlich-, | |
Einzigartig- und Bodenständigkeit des Auftraggebers quasi wie im Brennglas | |
zu bündeln: „There’s nothing like Australia“. Oder so. | |
Erwartet wird, dass der Autor eine verbale Aura schafft, bei der es dem | |
Betrachter wie Schleier von den Augen weht: „Litauen. Wirklich ist schön“ … | |
wie konnte uns das nur bisher verborgen bleiben? Und wie von der wilden | |
Biene gestochen soll er das Reisebüro seines Vertrauens ansteuern, um ein | |
Ticket betteln und vor Ort überprüfen, ob das wirklich alles seine | |
Richtigkeit hat: „Malaysia. Truly Asia“. Oder „Bhutan. Das Glück ist ein | |
Ort“. | |
Tschechien wird so zum „Land der Geschichten“, Japan verspricht „endloses | |
Entdecken“ und die Philippinen behaupten: „It’s more fun“. Weltweit mus… | |
erforscht und genossen werden, immer heißt es zu erleben, zu entspannen und | |
die Magie zu verspüren. Kein Wunder, dass viele dieser Schöpfungen gleich | |
wieder in der Schublade verschwinden, weil die Touristiker sich schämen, | |
dafür einen Haufen Geld ausgegeben zu haben. Andere aber genieren sich | |
nicht und setzen die neu erworbene Weisheit tapfer auf jede Broschüre. | |
## Ein jahrhundertealtes Copyright | |
Tanzt aber mal jemand wirklich aus der Reihe, wie Bodenmais mit „URgeWALDig | |
bayerisch“, ist es auch wieder nicht recht. Dann kommen die Franken und | |
behaupten, dass sie ein jahrhundertealtes Copyright auf „Kann kein t | |
aussprechen“ besitzen. Ehrlich gesagt: Der Quatsch langweilt. Es ist Zeit, | |
dass die Destinationen aufhören, in der Wohlfühl-Wortbrühe zu fischen. Sie | |
sollen sich endlich gerade machen und offensiv auf das pochen, was sie | |
tatsächlich von anderen unterscheidet. | |
„USA – alles für dich in erreichbarer Nähe“ – gähn. Stattdessen: „… | |
Gated Community – nur echt mit der Mauer“, das ist doch schon von ganz | |
anderem Kaliber. „Brasil. Sensational“? Wie wäre es mit „Brasil – Mach… | |
Money, Militär“? Und auch das warmherzige „Türkei – sei unser Gast“ w… | |
einst angemessen. Heute klingt „Erdogistan – du wirst gefesselt sein“ doch | |
weit eher up to date. | |
16 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
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