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# taz.de -- Deutsche Korrespondenten in der Türkei: Ein unmoralisches Tauschan…
> Bevor die türkische Regierung zwei deutsche Korrespondenten auswies,
> wollte sie offenbar einen Deal mit deren Medien machen.
Bild: Jörg Brase berichtete für das ZDF aus der Türkei – nun wechselt er n…
Berlin taz | Die türkische Botschaft in Berlin hat offenbar erreichen
wollen, dass deutsche Medienhäuser ihre Türkei-Korrespondenten auswechseln.
Ein entsprechendes „Tauschangebot“ erhielten das ZDF und der Berliner
Tagesspiegel nach eigenen Angaben, nachdem ihren Korrespondenten Jörg Brase
und Thomas Seibert die Verlängerung ihrer Arbeitserlaubnis verweigert
worden war.
In eigener Sache schrieb der Tagesspiegel in seiner Montagsausgabe, der
Presse-Botschaftsrat der türkischen Botschaft in Berlin sei bei der
Tagesspiegel-Chefredaktion vorstellig geworden, und zwar kurz nachdem das
türkische Präsidialamt Seibert und Brase per Mail über den Entzug ihrer
Arbeitserlaubnis unterrichtet hatte. „Er überbrachte die Forderung, Seibert
abzuziehen“, schreibt die Zeitung. „Der Tagesspiegel könne dann einen neuen
Korrespondenten schicken.“
Das gleiche Ansinnen aus Ankara übermittelte die türkische Botschaft auch
an die Chefredaktion des ZDF, wie die öffentlich-rechtliche Anstalt
gegenüber der taz bestätigte. Eine Sprecherin sagte: „Das ZDF hat das
zurückgewiesen und betont, dass Jörg Brase unser Korrespondent in Istanbul
ist und es keinen Grund gibt, jemand anderes zu beauftragen.“ Der
Tagesspiegel schreibt: „Seibert ist ein ausgewiesener Kenner des Landes und
hat seit 22 Jahren aus der Türkei berichtet, ohne Beanstandung. Der
Tagesspiegel wie auch das ZDF lehnten das Ansinnen als Eingriff in die
Pressefreiheit ab.“
## Dann eben nach Teheran
Das Ziel der türkischen Forderung ist offensichtlich, Einfluss darauf zu
nehmen, welche deutschen Korrespondenten aus dem Land berichten, wohl mit
dem Bestreben, damit eine regierungsfreundliche Berichterstattung
ausländischer Medien durchzusetzen.
Tagesspiegel-Journalist Seibert schreibt in seiner persönlichen
Stellungnahme: „An uns soll ein Exempel statuiert werden.“ Beide
Korrespondenten haben angekündigt, in Zukunft eben von außerhalb der Türkei
über das Land zu berichten. Brase sagte am Sonntagabend im ZDF, er habe
eine Akkreditierung und Aufenthaltsgenehmigung für den Iran – das
ZDF-Studio in Istanbul ist auch für den Iran zuständig – und werde deshalb
jetzt nach Teheran gehen. Offenbar sind die Mullahs im Iran gegenüber
Kritik aus dem Ausland weniger empfindlich als der Nato-Partner und
EU-Beitrittskandidat Türkei.
Der Rauswurf von Seibert und Brase, gepaart mit dem Versuch, einen Wechsel
der Korrespondenten zu erzwingen, hat offenbar auch die Bundesregierung
kalt erwischt. Außenminister Heiko Maas hatte zwar bereits am Samstag eine
Verschärfung der Reisewarnungen für die Türkei angeordnet, doch erst am
Montag versuchte sich die deutsche Botschaft in Ankara noch einmal ein
genaueres Bild über den Stand der Vergabe von Presseausweisen an die
übrigen deutschen Korrespondenten in der Türkei zu machen.
Die Umfrage ergab, dass zwar einige Korrespondenten per Anruf oder per Mail
benachrichtigt wurden, ihre Pressekarte sei genehmigt worden, bislang haben
sie aber immer noch keinen neuen Presseausweis erhalten. Unter diesen
KorrespondentInnen sind MitarbeiterInnen von dpa, die Korrespondentin der
Süddeutschen Zeitung und die Lebensgefährtin von Thomas Seibert, Susanne
Güsten.
Andere, wie die deutsche Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung oder der
Korrespondent des Spiegels, haben dagegen noch nicht einmal eine Nachricht
bekommen. Zu dem Rauswurf von Seibert, Brase und dem
NDR-Fernsehjournalisten Halil Gülbeyaz könnten also noch einige weitere
hinzukommen. Bereits vor zwei Jahren waren der Korrespondent der
Frankfurter Rundschau, Frank Nordhausen, der Spiegel-Online-Korrespondent
Hasnain Kazim und der Stern-Reporter Rafael Geiger des Landes verwiesen
worden.
Alle Betroffenen gehen davon aus, dass sie Opfer einer türkischen Politik
geworden sind, die, nachdem die inländische Presse weitgehend
gleichgeschaltet wurde, nun versucht, auch die ausländischen Medien zu
einer regierungsfreundlicheren Berichterstattung zu zwingen. Das dürfte die
Versuche einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und der
Türkei erschweren.
11 Mar 2019
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
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