# taz.de -- Abschiebung eines Bekannten von Amri: Tunesier soll als Zeuge aussa… | |
> Innenminister Seehofer prüft die Abschiebung eines Bekannten von Anis | |
> Amri. Der Untersuchungsausschuss will den Tunesier als Zeugen vernehmen. | |
Bild: Wollten die Deutschen den Freund Amris loswerden? Oder steckt etwas ander… | |
BERLIN dpa | Am 1. Februar 2017 landet Bilel B.A. als einer von 118 | |
Passagieren einer Linienmaschine in Tunis. An Bord habe sich der | |
Abgeschobene ruhig verhalten, heißt es hinterher. Was er von den | |
[1][Anschlagsplänen seines Freundes Anis Amri] wusste, ist bis heute nicht | |
klar. | |
Der [2][Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Berliner | |
Weihnachtsmarkt-Anschlag] will Bilel B.A, den abgeschobenen Freund des | |
späteren Attentäters Anis Amri, demnächst als Zeugen vernehmen. Wie am | |
Freitag aus dem Ausschuss verlautete, ist eine Mehrheit der Mitglieder für | |
einen entsprechenden Beweisbeschluss. Offen ist aber noch, ob Bilel B.A. in | |
Berlin oder im Ausland vernommen werden soll. | |
Abgeordneten der Opposition erscheint das Tempo verdächtig, mit dem die | |
deutschen Behörden damals auf die Abschiebung dieses engen Vertrauten von | |
Amri drangen. Sie fragen sich, ob da möglicherweise etwas vertuscht werden | |
soll – etwa, dass man die Gefährder Amri und B.A. nicht von der Straße | |
holte, weil man sich von ihnen interessante Informationen über andere | |
gewaltbereite Islamisten im In- und Ausland erhoffte. | |
„Die Abschiebung eines Gefährders, die bei Anis Amri im Jahr 2016 | |
monatelang nicht geklappt hat, war nach dem Anschlag bei Bilel B.A. eine | |
Sache von Tagen“, sagte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Benjamin | |
Strasser. | |
## Abschiebe-Haftantrag als „frohe Kunde“ | |
Bereits am 19. Januar – einen Monat nach dem größten islamistischen | |
Terroranschlag in Deutschland – schrieb ein Mitarbeiter des damals noch | |
Thomas de Maizière (CDU) unterstellten Bundesinnenministeriums in einer | |
E-Mail an Staatssekretärin Emily Haber: „frohe Kunde: Sachsen hat den | |
Abschiebe-Haftantrag gestellt“ – und sei auch bereit diesen vor Gericht in | |
Berlin zu vertreten. | |
Auf Intervention des Bundeskriminalamtes habe Tunesien B. A. zudem am | |
selben Tag als tunesischen Staatsbürger anerkannt. Der Islamist saß zu | |
diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft – wegen Sozialhilfebetrugs. Bei | |
seiner Vernehmung hatte er angegeben, er habe mehrfach Kokain bei Amri | |
gekauft, da der ihm die Droge zu einem Freundschaftspreis überlassen habe. | |
Der abgelehnte Asylbewerber Anis Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen | |
Lastwagen gekapert, war damit in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt | |
an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gerast und hatte so zwölf Menschen | |
getötet. Nach dem Anschlag konnte der Tunesier, der in Deutschland mehrere | |
falsche Identitäten nutzte, nach Italien fliehen, wo er später von der | |
Polizei erschossen wurde. | |
Wie er nach Italien kam und ob er womöglich Fluchthelfer hatte, ist bis | |
heute nicht aufgeklärt. Sein Landsmann B.A., der 2014 zusammen mit anderen | |
Tunesiern nach Deutschland gekommen war, hatte noch wenige Stunden vor dem | |
Anschlag mit Amri Kontakt. Wie Amri so war auch er ein Anhänger der | |
Terrormiliz Islamischer Staat (IS). | |
## Zeuge könnte im Ausland befragt werden | |
Amris Freund war nach dem Anschlag wegen Sozialhilfebetrugs in | |
Untersuchungshaft genommen worden. Eine Beteiligung an der Vorbereitung des | |
Anschlags konnte ihm damals nicht nachgewiesen werden. Am 1. Februar 2017 | |
wurde er direkt aus der Haft nach Tunesien ausgeflogen und den dortigen | |
Behörden übergeben. Er soll sich vor einigen Monaten auch noch in Tunesien | |
aufgehalten haben. | |
Gegen den Abgeschobenen sei damals eine Wiedereinreisesperre für den | |
Schengen-Raum verhängt worden, berichtete der Ausschuss-Vorsitzende Armin | |
Schuster (CDU). Er persönlich halte deshalb eine Befragung im Ausland für | |
sinnvoll. Die Grünen-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Irene Mihalic, | |
sagte: „Die Aufklärung der Zusammenhänge mit Blick auf Planung und | |
Durchführung des Anschlags darf nicht hintertrieben werden.“ | |
Was die tunesischen Behörden über Bilel B.A. wussten bevor er in seine | |
Heimat abgeschoben wurde, ist nicht bekannt. Eine Botschaft, die ein | |
Mitarbeiter des für Rückführungen zuständigen Referats der Bundespolizei am | |
20. Januar 2017 an seine Kollegen schickte, nährt jedoch zumindest die | |
Vermutung, dass der Name des damals 26-Jährigen in seiner Heimat nicht | |
unbekannt war. | |
## Aufnahmen des Tatorts könnten helfen | |
In dem Schreiben heißt es, zu einem Treffen mit einem Diplomaten der | |
tunesischen Botschaft in Berlin: „Bei der Nennung des Namens B.A. war an | |
der Erstreaktion von Herrn S. zu merken, dass er mit dem Namen etwas | |
anfangen konnte. Herr S. ist im Weiteren aber nicht darauf eingegangen, hat | |
jedoch glaubhaft eine sehr beschleunigte Bearbeitung aller Fälle zugesagt.“ | |
Im Untersuchungsausschuss wurde am Donnerstagabend auch über Aufnahmen vom | |
Tatort an der Gedächtniskirche gesprochen, auf denen angeblich Bilel B.A. | |
zu sehen sein soll. Mehrere Mitglieder des Ausschusses erklärten, ihnen | |
lägen keine entsprechenden Aufnahmen vor. | |
Das Bundeskriminalamt lehnte eine Stellungnahme mit Verweis auf die | |
Zuständigkeit des Generalbundesanwalts ab. Ein Sprecher der | |
Bundesanwaltschaft sagte, es habe am Breitscheidplatz zum Zeitpunkt des | |
Anschlags nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen „keinen weiteren | |
Tatverdächtigen vor Ort“ gegeben. Die Ermittlungen gegen Bilel B.A. sein | |
damals „mangels eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden“. | |
## Auffälligkeiten in Unterlagen des BKA | |
In Unterlagen des Bundeskriminalamt (BKA), die der Deutschen Presse-Agentur | |
vorliegen, ist außerdem von einem Mann mit blauen Einweghandschuhen die | |
Rede, der auf einem Tatort-Foto aufgefallen war. Der Verdacht, dass es sich | |
bei dem Abgebildeten um Bilel B.A. handeln könnte, ließ sich jedoch nicht | |
erhärten. | |
Doch noch etwas ist auffällig: In einem weiteren Vermerk des BKA, der rund | |
drei Monate nach der Abschiebung verfasst wurde, heißt es, B.A. habe | |
wiederholt den Breitscheidplatz „als Fotomotiv gewählt, wobei erste Bilder | |
des Breitscheidplatzes von Februar und März 2016 den späteren | |
Einfahrtsbereich des Tatfahrzeuges ablichten, was vor dem Hintergrund des | |
Anschlaggeschehens den Eindruck einer Ausspähung erweckt.“ | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will die umstrittene Abschiebung | |
jetzt untersuchen lassen. „Heute Morgen hat Bundesminister Seehofer von dem | |
Vorgang Kenntnis erlangt“, sagte am Freitag die Sprecherin des | |
Ministeriums, Eleonore Petermann. Er wolle die Sache jetzt prüfen lassen. | |
22 Feb 2019 | |
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