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# taz.de -- Meister der Renaissancekunst: Das Profane und das Überirdische
> Zwei Malerstars aus dem 15. Jahrhundert: Bellini und Mantegna sind in
> einer Blockbusterausstellung in Berlin zu sehen.
Bild: Die Ausstellung in Berlin will nicht nur Blockbuster sein, sondern auch d…
Natürlich interessierte sich Andrea Mantegna auch für die religiöse
Bedeutung der von ihm gemalten Szene. Eine „Madonna mit Kind“, begleitet
von Johannes dem Täufer und Magdalena. Doch was ist schon die Begegnung
dreier Heiliger gegen die Stofflichkeit ihrer Gewänder?
Johannes hält ein lila Tuch, das ihm von der Schulter über die Beine fällt
und in den Falten glänzend changiert. Sein hauchdünnes Kleid wird von einem
Knopf in Brusthöhe gehalten, darunter zeichnen sich die Rippen seines
Brustkorbs ab. Magdalena trägt ein plissiertes, voluminöses Gewand in
leuchtendem Grün, dessen Schnitt an die Kleidung venezianischer Patrizier
erinnert. Beider Äußeres macht die Figuren so präsent, dass man ihre
sakrale Herkunft fast vergisst.
Wie anders gestaltet Giovanni Bellini seine Figuren. Sie wirken ätherisch,
manchmal fast körperlos. Wie Stellvertreter eines christlichen Glaubens,
denen er irdische Gestalt verleiht, um sie in seinen Gemälden zwar
begreifbar zu machen. Doch gerade so, dass die Verbindung in die andere,
geistige Sphäre nicht abreißt.
Was den Vergleich der zwei italienischen Malerstars aus dem 15.
Jahrhunderts so faszinierend macht, ist die Ähnlichkeit ihrer Motive.
Unabhängig vom Kanon religiöser Themen, dem die Kunst der frühen
Renaissance noch unterworfen war, wählen Mantegna und Bellini nahezu
identische formale Bildlösungen.
## Internationale Leihgaben
Ihre individuelle Interpretation begleitet durch die Ausstellung „Mantegna
& Bellini: Meister der Renaissance“ in der Gemäldegalerie. Knapp 100 Werke,
darunter internationale Leihgaben, Schätze aus der Londoner National
Gallery – wo die Schau bis vor Kurzem zu sehen war – und die hochrangige
Sammlung des Preußischen Kulturbesitzes machen die Schau zu einem
Highlights des Jahres. Ganz sicher werden die Jahrhunderte alten Leinwände
und Holztafeln so schnell nicht wieder zusammen auf Reisen geschickt.
Die Ausstellung glänzt aber nicht allein wegen der Fülle von Exponaten
zweier Lieblinge des Quattrocento, die dank Mantegnas Heirat mit Bellinis
Halbschwester Nicolosia 1453 auch noch miteinander verwandt wurden. Über
ihre Qualitäten als Blockbuster hinaus will sie kunsthistorisches Wissen
vermitteln: undidaktisch, im vergleichenden Sehen als Methode, die der
Besucher sich quasi im Vorbeigehen aneignet.
Schon die Unterschiede in der Auffassung des Körpers gehört zu den tieferen
Einsichten. Sie sacken ein zwischen Informationen zur italienischen Malerei
während der Renaissance oder den disparaten Bedingungen, unter denen beide
Künstler ihre Karrieren aufnahmen.
## Enge Beziehung
Mantegna kam um 1431 in einer Tischlerfamilie in Padua auf die Welt,
Bellini wenige Jahre später als Sohn einer venezianischen Malerdynastie.
Nach seiner Hochzeit arbeitete Mantegna ebenfalls in Venedig, bis er 1460
als Hofmaler der mächtigen Familie Gonzaga nach Mantua wechselte. Die
prägende Zusammenarbeit von Bellini und Mantegna fällt in jene gemeinsamen
sieben Jahre in der Dogenstadt. Sie ist kurz und intensiv – und genügt
dennoch, um beide lebenslang aneinander zu binden.
Wie eng ihre Beziehung ist, wird ganz am Ende der Ausstellung deutlich, wo
das frappierend ähnliche Doppel der „Darbringung Christi im Tempel“ hängt.
Bellini pauste Mantegnas Motiv fast zwei Jahrzehnte nach seiner Entstehung
um 1455 sorgfältig ab und wiederholte es malend, fügte allerdings noch zwei
anonyme Figuren hinzu. Bis heute ist unklar, was der Künstler damit
bezweckte, ob er den Schwager spät ehren oder sich das Motiv als
ebenbürtiger Konkurrent einverleiben wollte.
Mantegna jedenfalls hatte mehr Hürden als Bellini zu nehmen. Begabt und arm
wurde er 1442 mit elf Jahren vom mediokren Maler Franceso Squarcione
adoptiert, der seine Schüler finanziell ausbeutete.
Als 17-Jähriger löst Mantegna dieses Verhältnis auf, und schon da kann er
selbstbewusst auf ein Bild wie „Der Evangelist Markus“ blicken, das den
Auftakt in der Gemäldegalerie macht: Ein Porträt von verblüffend
illusionärer Tiefenwirkung, die Mantegnas Werk durchgängig prägt. Der
Künstler etabliert sich, sein Rückgriff auf antike Skulpturen als Vorbilder
gemalter Figuren machen ihn singulär. Doch Mantegna geht weiter, erschließt
sich die antike Welt durch intensive Studien.
## Hier der Aufsteiger, dort der Unternehmer
Giovanni Bellini wird in ein künstlerisches Netzwerk geboren, die Familie
hatte Kontakte, um Aufträge musste er sich keine Gedanken machen. Höchstens
darum, wie man die Halbschwester strategisch gut vermittelt, um die eigene
Macht weiter auszubauen. Mantegnas Ruf hatte sich damals schon im Nordosten
Italiens verbreitet, die Hochzeit verknüpfte aller Interessen.
Hier der geniale Aufsteiger, dort ein Maler und Unternehmer, in dessen
Werkstatt viel von Assistenten vorproduziert wurde, bevor Bellini die
Bilder mit seiner Handschrift veredelte. Den Prozess der Selbstoptimierung
hatte der Venezianer bereits verinnerlicht, Mantegnas Kunst, der
konstruktive Wettstreit zwischen den Schwägern, wirkte inspirierend. Seine
stilistischen Eigenheiten verlor dabei keiner der beiden.
Eines der schönsten Beispiele zum Vergleich bietet Bellinis „Christus am
Ölberg“, das um 1458 entstand. Auch diesmal orientiert er sich stark an
Mantegnas wenige Jahre zuvor entstandener Szene, verzichtet jedoch auf
deren Ausgestaltung. Während Mantegna eine ganze Stadt im Hintergrund
erfindet, die schlafenden Jünger eng zusammenrückt und den verzweifelten
Jesus in ein dramatisches Setting unter Wolkenhimmel schickt, legt Bellini
seinen Fokus auf die schier endlose Natur.
Der Betrachter ist Teil des Geschehens, scheint mit den locker ruhenden
Jüngern hinter dem knienden Sohn Gottes zu kauern – und wie er wird er
Zeuge eines orangeroten Streifens am aufreißenden Firmament. Bellini betont
das Übersinnliche der Situation mit einem farbgetränkten Himmel, der die
Bildatmosphäre eines Romantikers wie Caspar David Friedrich vorwegnimmt.
## Konstruktiver Dialog
Beides, Mantegnas kunstfertige Profanisierung wie auch Bellinis Beharren
auf dem Überirdischen, hat seine Qualität und Berechtigung. Dieser
konstruktive Dialog prägt die gesamte, in 17 Kapitel unterteilte und farbig
inszenierte Ausstellung. Man sieht, wie beide voneinander lernen und was
den Unterschied macht. Bellini hält konsequent an der Transparenz seiner
Figuren fest, die historische Faktizität steht hinter der Erfahrung des
Erhabenen.
Dazu passt, dass er Mantegnas Mäzenin Isabella d’Este 1501 erst ein
Historiengemälde zusagte, um später nach jahrelangen Verhandlungen von
seinem Versprechen zurückzutreten. So unmittelbar wollte er sich dann doch
nicht mit Mantegna messen.
Für den Schwager war das Erzählerische kein Problem. In Mantua entstand die
wichtige Werkreihe von neun monumentalen Bildern, die den Sieg Julius
Cäsars über Gallien und seinen Triumphzug schildern. Drei davon sind in der
Ausstellung zu sehen, sie feiern Mantegna als Inventor, der die
Vergangenheit gegenwärtig macht und die Antike für die kommende Epoche
reanimiert.
3 Mar 2019
## AUTOREN
Christiane Meixner
## TAGS
Blockbuster
Renaissancemeister
Malerei
Serie „Alte Meister“
Kunst Berlin
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