# taz.de -- Sexarbeiterin über Prostitutionsgesetz: „Wir arbeiten lieber una… | |
> Das Prostitutionsgesetz wirkt nicht, sagt die Bundesregierung. Wirkt | |
> doch, entgegnet Johanna Weber vom Bundesverband für sexuelle | |
> Dienstleistungen. | |
Bild: Wo ein Herz rot leuchtet und flackert, ist ganz bestimmt das Rotlichtmili… | |
taz: Frau Weber, eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag hat ergeben, | |
dass das Prostitutionsgesetz von 2002 nicht den vom Gesetzgeber erwünschten | |
Erfolg erzielt. Danach sollten sich Sexarbeiter*innen flächendeckend in der | |
Kranken- und Sozialversicherung anmelden. | |
Johanna Weber: Wir haben damals immer wieder darauf hingewiesen, dass das | |
nicht passieren wird. Sexarbeitende arbeiten lieber unabhängig als | |
angestellt. Das passt besser zur Branche, wir sind mobil und wechseln immer | |
mal in andere Städte. Aber das Gesetz hat die grundsätzliche Möglichkeit zu | |
Angestelltenverhältnissen geschaffen, das ist wichtig. Damit wurde unsere | |
Tätigkeit als legale Beschäftigung anerkannt. | |
Die Zahlen sind eindeutig: Von den geschätzten 400.000 bis eine Million | |
Prostituierten sind der Bundesregierung zufolge nur 76 bei der | |
Sozialversicherung gemeldet. | |
Krankenversicherungen müssen Prostituierte jetzt versichern, und sie tun | |
das auch. Trotzdem melden sich die meisten Prostituierten nach wie vor | |
nicht als Prostituierte bei der Sozialversicherung an, sondern immer noch | |
beispielsweise als Coach, Putzfrau oder Pflegerin. | |
Warum? Prostitution ist doch jetzt legal. | |
Das Gesetz hat aber nicht die Stigmatisierung abgeschafft. Solange | |
Sexarbeit kein Job wie jeder andere ist, wird das auch so bleiben. Einen | |
Berufsstand, der über Jahrhunderte verunglimpft wurde, kann man nicht | |
innerhalb eines Jahrzehnts entstigmatisieren. | |
Haben Sie eine Krankenversicherung als Prostituierte? | |
Ich schon, ich habe aber auch kein Problem zu sagen, dass ich im Sexgewerbe | |
arbeite – im Gegensatz zu vielen anderen. Vor allem Mütter wollen nicht, | |
dass ihre Kinder als „Hurensöhne“ gehänselt werden, wenn herauskommt, dass | |
ihre Mutter als Prostituierte arbeitet. | |
Hat die Bundesregierung also doch recht, wenn sie sagt, das | |
Prostitutionsgesetz erfüllt nicht seinen Zweck? | |
Nein, auf keinen Fall, das Gesetz ist ein großer Fortschritt. 2002 war | |
Prostitution illegal und halbkriminell, Sexarbeiter*innen mussten | |
vierlerorts lügen, aber trotzdem Steuern zahlen. Erst durch die | |
Legalisierung von Sexarbeit konnten wirklich schöne Bordelle entstehen. Das | |
war auch der Türöffner für viele Frauen, etwas Eigenes zu eröffnen. | |
Das Geschäft brummte auch vor 2002. | |
Fragen Sie aber nicht wie! Damals waren Bordellbetreiber meist halbseidene, | |
schmierige Typen, die kein Geld in ihre Häuser stecken wollten. Wer | |
investiert schon, wenn er ständig damit rechnen muss, dass die Polizei den | |
Laden hochnimmt? Ich habe mal in einer Bude gearbeitet, die war so | |
runtergekommen, dass ich im nächsten Baumarkt Farbe gekauft und das Zimmer | |
gestrichen habe. Kunden wollen schließlich auch nicht in einem Kellerloch | |
empfangen werden. | |
Seit Sommer 2017 gilt zusätzlich das Prostituiertenschutzgesetz. Wie | |
geschützt fühlen Sie sich? | |
Dieses Gesetz ist ein großer Rückschritt, es verhilft Sexarbeiter*innen | |
nicht aus der Illegalität heraus, wie die Bundesregierung gern behauptet, | |
sondern treibt sie tiefer hinein. | |
Wie das? | |
Prostituierte müssen sich jetzt anmelden, dann bekommen sie den sogenannten | |
Hurenpass, Prostitutionsstättenbetreiber sind verpflichtet, diese Anmeldung | |
zu kontrollieren. | |
Was ist falsch daran? | |
Es gibt Frauen, die können sich nicht anmelden, weil sie dadurch erpressbar | |
wären. Für viele Osteuropäerinnen ist es äußerst riskant, als Prostituierte | |
zu arbeiten, in ihren Ländern ist Sexarbeit verboten. Ein Bordellbetreiber | |
könnte sagen: Ich verpfeife dich zu Hause bei deiner Familie oder bei der | |
Polizei, wenn du nicht machst, was ich dir sage. | |
Es kursieren unterschiedliche Angaben, wie viele Prostituierte es in | |
Deutschland gibt. Das Statistische Bundesamt spricht von knapp 7.000 | |
gemeldeten Sexarbeiter*innen, Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer von einer | |
Million. | |
Gegenfrage: Wie viele Journalist*innen gibt es? Sind diejenigen | |
Journalist*innen, die hin und wieder Artikel schreiben, oder nur | |
festangestellte Redakteurinnen? Es gibt Sexarbeiter*innen, die fest in | |
einem Haus arbeiten, andere machen das nebenbei und melden sich nicht an. | |
Wiederum andere arbeiten nur zwei Wochen im Monat und nehmen sich dann | |
frei. Wie wollen Sie das zählen? | |
Ebenso heißt es, eine Million Männer gehen täglich zu Prostituierten. | |
Wenn das so wäre, wären wir reich. Es sind viel weniger. Die Zahl ist von | |
einer Kollegin vor Jahren in einer Bierlaune genannt worden und wird | |
seitdem kolportiert. | |
19 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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