# taz.de -- Broschüre in Berlin wird eingestampft: Mehr als ein peinlicher Feh… | |
> Fragwürdige Mittel: Eine Broschüre zum „Kulturkampf von rechts“ muss | |
> wegen einer Falschbehauptung zurückgezogen werden. | |
Bild: Ulrich Khuon (Präsident des Deutschen Bühnenvereins), Bianca Klose (Mob… | |
Dem Gorki Theater in Berlin will die AfD [1][staatliche Subventionen | |
kürzen], weil es angeblich „Gesinnungs- und Propagandatheater“ mache. | |
AfD-Kritiker wie der Regisseur Falk Richter erhalten anonyme Morddrohungen | |
und am Deutschen Theater in Berlin wird eine Performance durch die | |
rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ gestört. | |
Rechtspopulisten und Rechtsextreme agitieren einen Raum, den sie lange kaum | |
zur Kenntnis nahmen: die Hochkultur. Es ist also nur folgerichtig und | |
wichtig für die Akteure der Kultur, Strategien zu entwerfen, wie mit | |
Bedrohungen von rechts umzugehen ist – etwa in einer „Handreichung“ mit | |
Tipps und Hilfsangeboten. | |
Problematisch aber wird es, wenn sich eine solche Broschüre ideologisch | |
derart versteigt, dass sie auch legitime konservative Ansichten und | |
Weltbilder unter Rechtsruckverdacht stellt und Denk- und Toleranzräume in | |
der offenen Gesellschaft einschränkt. So geschehen in der Schrift „Alles | |
nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts“, vor Kurzem von der | |
„Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ im Deutschen Theater | |
präsentiert. | |
In ihr wird der liberal-konservative Kritiker Ulrich Greiner, ehemals | |
Feuilleton-, dann Literaturchef der Zeit, als warnendes Beispiel für den | |
„Kulturkampf von rechts“ gebrandmarkt. Greiner hatte 2013 gegen eine | |
nachträgliche Korrektur von Namen und Begriffen in historischen | |
Kinderbüchern argumentiert, die heute als rassistisch gelten. Fünf Jahre | |
später, so die Autoren, habe Greiner die migrationsfeindliche „Erklärung | |
2018“ unterzeichnet, die unter anderem Uwe Tellkamp gestartet hatte. Der | |
„Fall“ Greiner zeige exemplarisch, „worum es scheinbar harmlosen Fragen u… | |
den berühmten ,Ängsten und Sorgen’ wirklich geht“. | |
## Wer Fragen stellt, ist verdächtig | |
Doch Greiner hat die „Erklärung 2018“ nie unterschrieben. In ihrem Eifer | |
haben die Autorinnen und Autoren dieser Kampfschrift vom | |
Spiegel-Kolumnisten Georg Diez abgeschrieben, dessen Buch in seiner ersten | |
Fassung längst nicht mehr ausgeliefert werden darf. Auf Nachfrage bestätigt | |
Greiner, dass eine Unterlassungserklärung wirksam ist, die auf die | |
Broschüre übertragen wurde. Auch sie darf so nicht mehr herausgegeben | |
werden. | |
Die Argumentationslinie der Verfasser zeigt, dass es um mehr geht als um | |
einen peinlichen Fehler: Eine konservative Haltung in der Kinderbuchdebatte | |
reicht aus, um einen Intellektuellen des „rechten Kulturkampfs“ zu | |
verdächtigen – und vor allem: kritischen Nachfragen per se eine | |
antidemokratische Strategie zu unterstellen. | |
Auf den letzten Seiten der Broschüre wird zwar vom Gespräch mit Rechten | |
nicht generell abgeraten, doch wird mit einem geschlossenen, uniformen | |
Weltbild der politische Lagerkampf untermauert: Wer Fragen stellt, ist | |
verdächtig, den „Kulturkampf von rechts“ zu unterstützen. Doch wer mit | |
solcher Vehemenz auch vermeintliche Gegner der Demokratie bekämpft, sollte | |
sich selbst sauberer Mittel bedienen – und nicht falsche Behauptungen und | |
Verschwörungstheorien verbreiten. | |
## Keine Entschuldigung für die Schlamperei | |
Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters und Präsident des | |
Deutschen Bühnenvereins, weist im Gespräch jede Verantwortung zurück. Er | |
sei nur Gastgeber bei der Präsentation der „Handreichung“ gewesen. Eine | |
„Handlungsanweisung“ im Kulturkampf gegen rechts findet er „richtig“, | |
inhaltlich sieht er allerdings „Differenzen“ zur Broschüre. Auch | |
Kultursenator Klaus Lederer zieht sich aus der Affäre. Er sei, so sein | |
Pressesprecher, gefragt worden, ein paar Worte bei der Präsentation zu | |
sagen – das habe er getan, da ihm die Verteidigung der Kunstfreiheit ein | |
zentrales Anliegen sei. | |
Ob Hausherr und Kultursenator die Publikation gelesen haben, bevor sie sie | |
präsentierten? Womöglich hat sich jeder darauf verlassen, die „Mobile | |
Beratung“, vom Justizsenat und vom Bundesfamilienministerium jährlich mit | |
über 800.000 Euro gefördert, werde schon wissen, was sie tut. Anders ist | |
diese Fahrlässigkeit kaum zu erklären. | |
Die „Mobile Beratung“ selbst gibt sich per Mail wortkarg – von einer | |
Entschuldigung für die Schlamperei und die Diffamierung Greiners keine | |
Spur. Dass die Autoren dazu aufrufen, auf „Falschaussagen“ und | |
„Schmähkritik“ zu verzichten, muss man wohl als Lippenbekenntnis verbuchen. | |
Hier wird eine gute Sache durch unsaubere Methoden diskreditiert. | |
1 Mar 2019 | |
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[1] /Kulturschaffende-im-Umgang-mit-Rechts/!5573331 | |
## AUTOREN | |
Barbara Behrendt | |
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