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# taz.de -- Festspiele mit Kunst und Diskurs: Der Republik einen Palast
> Real abgerissen, als Symbol weiter tauglich: Im Haus der Berliner
> Festspiele wird der Palast der Republik noch einmal neu errichtet.
Bild: Im Westen ein kleines ausgerupftes Rundstück DDR als Erinnerung an den P…
Wenn man sich mal so umschaut im Stadtbild … es hätte ja auch den
Fernsehturm treffen können. Jedenfalls gab es damals durchaus Stimmen, die
das befürwortet und dem Turm keine Träne nachgeweint hätten. Der
Schriftsteller Friedrich Dieckmann zum Beispiel wollte in dem Bauwerk nur
das „vertikale Korrelat zu der ebenerdigen Mauer“ sehen.
Hätte man also, wie die Mauer nach der Wende, ruhig wegmachen können.
Der Berliner Fernsehturm ist ein Bauwerk, auf das die DDR mächtig stolz
war. Seine DDR-Herkunft aber scheint heute niemanden mehr zu stören. Längst
wird er als gesamtstädtisches Symbol der wiedervereinten Stadt gesehen, wie
sonst nur noch das Brandenburger Tor taugt der Turm mittlerweile als
visuelles Synonym für Berlin.
Andere und gleichfalls symbolträchtige Gebäude haben diese Wende nicht
geschafft. Weggemacht wurde etwa der Palast der Republik, den dann doch
wohl mehr Menschen als den architektonischen Inbegriff der totalitären
DDR-Herrschaft sehen wollten. Also die DDR, die einst auch das Stadtschloss
gesprengt hatte auf dem Platz, wo später der Palast zum Stehen kam. Was
dann in den Nachwendejahren zu einer seltsamen Gemengelage führte bei der
um den Schlossplatz geführten Debatte: Die einen wollten vor allem den
Palast der Republik – als Symbol der repressiven DDR – weghaben, andere
wollten so gern das Stadtschloss – als Symbol für was eigentlich? –
wiederhaben.
## Abenteuerspielplatz für die Kunst
Was dann bekanntermaßen genau so entschieden wurde. Der Palast kam weg.
2008 war er endgültig abgerissen, nicht ohne vorher in einer
Zwischennutzungsphase seine Tauglichkeit als prima Abenteuerspielplatz für
die Kunst bewiesen zu haben. Und das Schloss sollte irgendwann in diesem
Jahr doch fertig wiederaufgebaut sein, als Hülle für das Humboldt Forum.
Als Phantom aber darf der Palast weiterhin durch allemal aktuelle Debatten
geistern – auch wenn die Angelegenheit auf dem Schlossplatz entschieden
ist, über Fragen der Deutungshoheit bezüglich der Geschichte kann weiter
gestritten werden. Und nun will man ihm sogar einen festen Rahmen geben mit
dem Haus der Berliner Festspiele, in dem der Palast der Republik symbolisch
neu errichtet wird.
„Der Palast der Republik im Festspielhaus soll unserer Republik einen
Palast bauen“, schreibt dazu Thomas Oberender, Festspiele-Intendant und
einer der Kuratoren des Palast-Programms, der dazu auch mitteilt: „Der
Wiederaufbau des Palast der Republik steht im Artikel 146 des Grundgesetzes
für den Fall einer friedlichen Wiedervereinigung beider deutscher Staaten.“
In dem besagten Artikel steht, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem
Tage verliert, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen
Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
## Ein Palast der Gegenerzählungen
Da deuten sich also noch Handlungsmöglichkeiten an mit diesem „Palast der
Gegenerzählungen“, in dem samt einem opulenten Kunstprogramm die Ereignisse
der Wendezeit noch mal neu durchgegangen werden sollen, und zwar mit der
Fragestellung, ob man daraus nicht doch was für die Herausforderungen der
heutigen Zeit lernen könne.
Da hat man dann den Palast der Republik wohl weniger als Renommierstück der
DDR im Auge, sondern mehr als den Ort der Debatten in den Wendetagen, als
man sich neu sortierte und nicht gleich alle nur der Bundesrepublik in die
Arme laufen wollten. Dieser Palast darf wohl auch als Chiffre eines
Nichteinverstandenseins gelesen werden.
So wird nach emanzipatorischen Bewegungen und Haltungen der Wendezeit, die
heute noch gebraucht werden können, gesucht. Es wird nochmals durchgesehen,
was am Zentralen Runden Tisch der DDR besprochen wurde. Die Treuhand mit
den nicht nur ökonomischen Verwerfungen in ihrer Folge ist genauso Thema
wie die Bewegung der blockfreien Staaten, die sich zwischen Kapitalismus
und totalitärem Sozialismus durchschlängeln wollten. Zuletzt will man noch
nach neuen Allianzen für ein anderes Europa suchen. Prominente Gäste wie
Yanis Varoufakis, der bekannteste aller einstigen griechischen
Finanzminister, die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy oder der
Stadtsoziologe Andrej Holm geben sich in dem phantomhaften Palast der
Republik die Klinke in die Hand.
Und wenn in den Ausschüssen dann alles geklärt ist, darf der Kongress zum
Schluss am Sonntag mit dem „Musikpalast“ auch noch tanzen.
2 Mar 2019
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Wendezeit
Andrej Holm
Yanis Varoufakis
Benedicte Savoy
Treptow-Köpenick
Humboldt Forum
Lesestück Meinung und Analyse
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