# taz.de -- Nach dem Terroranschlag in Kaschmir: Trauer und Wut in Indien | |
> Indien sucht nach Möglichkeiten der Vergeltung gegen Pakistan. Das weist | |
> jedoch jede Verantwortung für den Anschlag weit von sich. | |
Bild: Beerdigung eines bei dem Anschlag in Kaschmir getöteten indischen Polizi… | |
MUMBAI/BERLIN taz | Es war einer der schwersten Anschläge auf indische | |
Sicherheitskräfte, den die in Pakistan ansässige islamistische Terrorgruppe | |
Jaish-e-Mohammed jetzt für sich reklamiert hat. In verschiedenen Teilen | |
Indiens kam es seitdem zu Solidaritätsbekundungen und Protesten gegen | |
Pakistan, das von Indien als Urheber beschuldigt wird. Indische Muslime und | |
Hinduhardliner verbrannten pakistanische Flaggen und Symbole. | |
Indische Oppositionsparteien sehen in dem Terroranschlag, bei dem am | |
Donnerstagnachmittag mindestens 41 Angehörige der paramilitärischen | |
Polizeitruppe CRPF getötet und mehrere Dutzend verletzt wurden, aber auch | |
ein schweres Versagen von Indiens Geheimdienstes. | |
Ein Selbstmordattentäter hatte sich mit seinem Fahrzeug im indischen Teil | |
Kaschmirs auf der Verbindungsstraße zwischen Srinagar und Jammur in einen | |
Konvoi aus 78 Polizeifahrzeugen gedrängt und dann 350 Kilo Sprengstoff | |
gezündet. | |
Indiens Premierminister Narendra Modi steht jetzt im Wahljahr unter | |
besonderem Druck. Seine hindunationalistische Partei BJP, die zu | |
Oppositionszeiten stets scharfe Worte gegenüber Pakistan fand, hat bei den | |
letzten regionalen Wahlen an Zustimmung verloren. | |
## Modi kündigt Konsequenzen an | |
Modi kündigte jetzt umgehend Konsequenzen an. Ein Land, das Terroristen | |
Zuflucht gäbe, sei zum Synonym für Terror geworden, sagte er auf einer | |
Kundgebung in Maharashtra. „Egal, wo sich die Attentäter verstecken, sie | |
können ihrer Bestrafung nicht entgehen.“ | |
Als symbolische Sofortmaßnahme strich Indien seinem Nachbarn Pakistan die | |
Zollpräferenzen, was jedoch wegen des geringen bilateralen Handelsvolumens | |
kaum Auswirkungen haben wird. | |
Indiens Regierung will Pakistan jetzt auch diplomatisch isolieren. Doch die | |
Volksrepublik China, eine der engsten Verbündeten Pakistans, wies dies | |
bereits zurück. | |
Pakistans Regierung verurteilte den Anschlag ebenfalls und nannte ihn in | |
einer Erklärung des Außenministeriums „sehr besorgniserregend“. | |
Gleichzeitig wies Islamabad alle Vorwürfe zurück, dass der pakistanische | |
Staat in Verbindung mit der Tat stehe. Pakistanische Politiker sehen Modis | |
scharfe Rhetorik vor allem als Wahlkampfmanöver. | |
Die islamistische Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed ist in Pakistan seit 2002 | |
offiziell verboten, doch hält Indien das Verbot für wenig wirksam. Das Ziel | |
der Organisation ist es, den Anschluss des von Indien kontrollierten Teils | |
von Kaschmir an Pakistan zu erzwingen. | |
2016 stürmten mutmaßliche Kämpfer der Organisation eine indische Armeebasis | |
und töteten 19 Soldaten. Als Antwort will die indische Armee einen | |
Militärschlag im pakistanischen Teil Kaschmirs durchgeführt haben, Pakistan | |
hat das heruntergespielt. | |
Jetzt kursierte im Internet ein Video, das den mutmaßlichen Attentäter | |
zeigen und in Verbindung mit der Terrorgruppe stehen soll. | |
## Wachsende Unzufriedenheit in Kaschmir | |
Im indischen Teil Kaschmirs wächst seit einiger Zeit der Unmut unter der | |
mehrheitlich muslimischen Bevölkerung. Seit der dortigen Auflösung der | |
Regierungskoalition 2018 wird die Region direkt von der Zentralregierung in | |
Delhi regiert. | |
Beobachtern zufolge radikalisieren sich immer mehr kaschmirische | |
Jugendliche, nicht zuletzt wegen des harten Vorgehens der indischen | |
Sicherheitskräfte. | |
Die Region Kaschmir wird von drei Ländern beansprucht: Indien, Pakistan und | |
China. In Jammu und Kaschmir, wie der indische Teil offiziell heißt, sind | |
derzeit mindestens 250.000 Soldaten stationiert. Seit der Eskalation des | |
Konflikts 1989 sind in der Region Schätzungen zufolge rund 70.000 Menschen | |
getötet worden. | |
Schon zwei Mal haben die beiden Atommächte Indien und Pakistan um die | |
Region Krieg geführt. Pakistan hat inzwischen offiziell eine | |
Erstschlagsdoktrin. Islamabad behält sich demnach also vor, auf einen | |
konventionellen indischen Angriff etwa auf ein „Terrorcamp“ innerhalb | |
Pakistans mit Atomwaffen zu antworten. Jede militärische Vergeltung Indiens | |
wäre also hochriskant. | |
2016 war es deshalb zwischen beiden Staaten umstritten, ob Indien im | |
pakistanisch-kontrollierten Teil Kaschmirs überhaupt einen militärischen | |
Vergeltungsschlag durchgeführt hat. Delhi insistierte, weil es Stärke | |
demonstrieren und zeigen wollte, dass Taten auf Worte folgen. Islamabad | |
hingegen wollte von einem indischen Schlag nichts wissen. Zum einen, um | |
Indien vorzuführen, zum anderen wäre das Eingeständnis eines | |
unbeantworteten indischen Angriffs als eigene Schwäche gewertet worden. | |
17 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
Sven Hansen | |
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