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# taz.de -- Empörung über den Gesundheitsminister: Krebskiller Jens Spahn
> Jens Spahn sagt, mit dem Kampf gegen Krebs könne jeder selbst beginnen.
> Weniger rauchen, mehr Sonnencreme. Betroffene sind entsetzt.
Bild: Groß, größer, spahngroß: Aussagen müssen knallen, am besten ohne fac…
Jens Spahn ist kein Mann der kleinen Worte. Je mehr es knallt, desto größer
scheint er sich zu fühlen. Einst sagte er, dass Frauen die „Pille danach“
nicht [1][„wie Smarties“] einwerfen sollten. Auch in seiner Funktion als
Gesundheitsminister, in der es zu sensiblen Themen sensible Worte zu finden
gälte, hat Spahn diesen Zug nicht abgelegt. Er will Sachen raushauen. Das
hat er nun auch zum Weltkrebstag getan. Und überall um ihn herum gehen die
Krebsforscher*innen auf Habachtstellung.
Es fing an mit einem Interview in der Rheinischen Post am vergangenen
Freitag und fand seinen Höhepunkt am Montag mit einem Tweet. Der
Rheinischen Post sagte Spahn, dass er gute Chancen sehe, [2][Krebs könne in
bis zu 20 Jahren besiegt sein]. Das sagte Spahn, der
Politikwissenschaftler. Leute vom Fach sahen das anders.
Aber Spahn ist niemand, der Äußerungen revidiert, wenn Menschen, die sich
auskennen, sie falsch finden. So sagte etwa der Leiter des Comprehensive
Cancer Center der Berliner Charité, Ulrich Keilholz, [3][den Zeitungen der
Funke Mediengruppe über Spahns Behauptung]: „Das ist eine sehr allgemeine
Hoffnung, die so einfach nicht funktioniert“. Bereits in den 1960er-Jahren
habe es dieses 20-Jahre-Versprechen in den USA gegeben und auch danach
immer mal wieder. Das sei jedoch stets „eher politisch motiviert als
wissenschaftlich fundiert“ gewesen.
Spahn aber bleibt sich treu und betont: Wenn er den Krebs nicht besiegen
könne, dann wolle er ihn zumindest „beherrschen“. Er setzt sogar noch einen
drauf und [4][schreibt am Weltkrebstag] wie ein hochmotivierter Lebenscoach
auf Twitter: „Jeder kann seinen persönlichen Kampf gegen Krebs heute
beginnen. Wie? So: Nicht (mehr) rauchen, sich mehr bewegen, gesund ernähren
und die Haut vor UV-Strahlung schützen (Sonnencreme)!“
## Krebs ist vielfältiger
Während Spahn also wie jemand klingt, der sich mit Problemen wie „Endlich
reinere Haut!!! Nur wie???“ beschäftigt, ist auf Twitter nicht nur der
Spott groß, sondern auch der Schmerz. Ein Nutzer schreibt [5][„- hab noch
nie geraucht – laufe jeden Tag mind. eine Stunde – ernähre mich ausgewogen
und trotzdem hab ich Leukämie. Irgendwas mach ich wohl falsch.“] Ein
anderer: „Der erste Hautkrebs war mit 13 Jahren da, als damaliger
Leistungssportler mit gesunder Ernährung und wenig Sonne.“ Und eine
Nutzerin: „Dann hätte ich also weder Chemo- noch Radio- noch Brachytherapie
gebraucht und auch keine Operation?“
Andere Twitter-User*innen legen Spahn nahe, doch mal eine
[6][Kinderkrebsstation zu besuchen.] Noch hat Jens Spahn anscheinend keine
Worte gefunden, die spahngroß genug wären, um darauf zu reagieren.
Kein Expertenwissen ist erforderlich, um zu sehen, dass die Ursachen für
Krebs so vielfältig wie unvorhersehbar sind. Warum sonst kann jemand wie
Helmut Schmidt 40 Zigaretten am Tag rauchen und trotzdem 96 Jahre alt
werden, ohne je an Lungenkrebs erkrankt zu sein, während Tausende
Nichtraucher*innen an dieser Krankheit sterben? Krebs wird durch
UV-Strahlen, durch Rauchen, Schadstoffe, Alkohol, Fleisch sowie genetisch
ausgelöst – und durch Zufall. Solange sich unsere Zellen weiter teilen und
wir darüber keine Kontrolle haben, ist auch diese Krankheit nicht zu
besiegen.
## Dutzende Arten von Leukämie
Kratzt man mal den überheblichen Anstrich, jenen unsensibel-dozierenden Ton
von Spahns Aussage, dann ist sicherlich etwas Wahres dran. Klar ist es
grundsätzlich besser, nicht zu rauchen, sich gesund zu ernähren, Sport zu
treiben und sich nicht in die pralle Sonne zu knallen. Anzunehmen ist, dass
es auch besser wäre, ein Tempolimit einzuführen und keine Autos zu
produzieren, die mehr Abgase ausstoßen, als sie dürfen.
Und trotzdem: Wer mehr als eine Krebsbiografie kennt, weiß, dass Spahns
Vorschläge auf viele Betroffene nur höhnisch wirken können. Von Brustkrebs,
Lungenkrebs und Leukämie sind den Mediziner*innen zum Teil Dutzende Arten
bekannt. Einige von ihnen sind so selten, dass sie sich noch niemand
erklären konnte.
Krebs ist, trotz der enormen Fortschritte in Diagnose und Therapie,
[7][“biologisch zu vielfältig“], wie der Vorsitzende des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ), Michael Baumann, sagt. Deshalb glaubt auch
kein informierter Mensch an einen bald bevorstehenden endgültigen Sieg über
Krebs – kein informierter Mensch, aber Jens Spahn.
5 Feb 2019
## LINKS
[1] https://rp-online.de/politik/union-und-spd-streiten-um-die-pille-danach_aid…
[2] https://rp-online.de/politik/deutschland/jens-spahn-sieht-gute-chancen-dass…
[3] https://www.morgenpost.de/politik/article216350853/Heilbarkeit-Fuehrende-Kr…
[4] https://twitter.com/jensspahn/status/1092470918121697280
[5] https://twitter.com/Bootz1337/status/1092499697271521280
[6] https://twitter.com/beautyofharmony/status/1092535196203790338
[7] https://www.morgenpost.de/politik/article216350853/Heilbarkeit-Fuehrende-Kr…
## AUTOREN
Hanna Voß
## TAGS
Jens Spahn
Krebs
Rauchen
Prävention
Gesundheit
Leukämie
Bundesministerium für Gesundheit
Friedrich Küppersbusch
Forschungsprogramm
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