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# taz.de -- #MeToo in Frankreich: Politiker verklagt Frauen
> Der grüne Ex-Abgeordnete Denis Baupin wurde von 14 Frauen der sexuellen
> Belästigung bezichtigt. Nun zerrt er sie wegen Verleumdung vor Gericht.
Bild: Fühlt sich missverstanden: der franzöische Ex-Grüne Denis Baupin
Paris taz | Vertauschte Rollen vor Gericht? In Paris sitzen gerade gleich
mehrere Frauen auf der Anklagebank, die den Spitzenpolitiker Denis Baupin
[1][der sexuellen Aggression oder Belästigung beschuldigt] haben. Der
Ex-Abgeordnete war nach den Vorwürfen ohne ein juristisches Nachspiel
davongekommen – weil laut Staatsanwaltschaft die Verjährungsfrist
abgelaufen ist.
Formaljuristisch ist das möglich. Schockierend ist es dennoch, wenn ein
Mann, der von insgesamt 14 Frauen ähnlicher Vergehen beschuldigt wird, den
Spieß umdreht, indem er diese wegen Verleumdung vor Gericht zerrt.
Der 56-jährige Denis Baupin war [2][ein prominenter Abgeordneter der
Grünen] und zeitweise auch als für Umwelt- und Klimafragen zuständiger
Vizebürgermeister Mitglied der rot-grünen Stadtregierung in Paris. Seine
steile Karriere endete im Mai 2016 – schon fast anderthalb Jahre bevor die
Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Hollywood-Produzent Harvey Weinstein bekannt
wurden, die zugleich [3][die Hashtag-Kampagne #MeToo] ins Rollen brachte.
Damals machten das Onlinemagazin „Médiapart“ und der Rundfunksender France
Inter öffentlich, dass mehrere Frauen Baupin beschuldigten, sie in der
Vergangenheit sexuell belästigt oder tätlich angegriffen zu haben. Die
meisten waren Parteikolleginnen und Mitarbeiterinnen. Sie werfen Baupin
vor, er habe sie unter anderem begrapscht und ihnen anzügliche
SMS-Nachrichten geschickt.
## Schweigen für die Partei
Zugleich erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit, dass intern schon lange
Gerüchte über Baupin zirkulierten. Trotzdem wussten einige seiner
mutmaßlichen Opfer nicht, dass auch andere vom selben Mann bedrängt worden
waren. Sie wollen zum Teil geschwiegen haben, um den Interessen ihrer
Partei nicht zu schaden.
Baupin wies alle Vorwürfe gegen ihn zurück. Was ihm als Aggression oder
Belästigung angelastet wurde, betrachtet er offenbar als eine Form von
Charme oder Flirt, sich selbst als Freigeist. Er bezeichnet sich als
„Libertin“.
Nachdem die Vorwürfe gegen Baupin öffentlich wurden, trat er aber zurück.
Der Pariser Staatsanwalt leitete eine Voruntersuchung ein. Zwar kam er
aufgrund der Aussagen der Opfer und Bestätigungen durch andere Personen zum
Schluss, dass die vorgebrachten Anschuldigungen strafrechtlich verfolgt
werden müssten – jedoch seien die Vorfälle verjährt. Der Staatsanwalt
stellte das Verfahren gegen Baupin ein.
## Ein Gerichtsprozess mit viel Bedeutung
Der Ex-Abgeordnete hat nicht nur seine Opfer, sondern auch Journalisten der
beiden Medien angezeigt. Darum findet der Prozess bis Freitag vor der 17.
Strafkammer statt, die für Pressedelikte zuständig ist. Für eine
erfolgreiche Verteidigung gegen Verleumdungsvorwürfe müssen Journalisten
und Einzelpersonen nach französischem Recht nachweisen, dass sie in gutem
Glauben handelten oder die Wahrheit sagten.
Im Falle eines Schuldspruchs droht ein Höchstbußgeld von 45.000 Euro. Die
Medien können zu ihrer Verteidigung anführen, dass sie Baupin von Beginn an
die Gelegenheit zu einer Erwiderung gegeben haben, die dieser aber nicht
hatte nutzen wollen.
Dass der Ex-Abgeordnete nun auf diese Art und Weise seinen Ruf reinwaschen
will, muss für alle Opfer sexueller Gewalt ein Affront sein. So fragte
Sandrine Rosseau, Ex-Grünen-Sprecherin und eine der Beschuldigten im
Verleumdungsprozess: „Die Frage ist: Wird die Justiz die Botschaft senden,
dass Frauen still zu bleiben haben?“
6 Feb 2019
## LINKS
[1] /Franzoesische-Sexismus-Gegnerin-Bachelot/!5301730
[2] /EU-Wahlerfolg-fuer-Frankreichs-Gruene/!5161763
[3] /Ein-Jahr-MeToo/!5538032
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt Frankreich
Sexismus
Diskriminierung
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