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# taz.de -- Proteste in Serbien: Gerechtigkeit für Oliver Ivanović
> Teilnehmer mehrerer Kundgebungen fordern Aufklärung im Fall des Mordes an
> dem serbischen Politiker im Kosovo 2018. Von den Tätern fehlt jede Spur.
Bild: „Es hat angefangen!“ Proteste gegen Aleksandar Vucic am vergangenen S…
Belgrad taz Seit Mittwoch 8.15 Uhr brennt in der Kathedrale des heiligen
Sava in der serbischen Hauptstadt Belgrad für Oliver Ivanović eine
Totenkerze. Die hatte seine Frau Milena angezündet. Genau um diese Zeit vor
einem Jahr war der serbische Politiker im serbischen Teil der ethnisch
geteilten kosovarischen Stadt Kosovska Mitrovica erschossen worden. Milena
wurde von dem jüngsten ihrer vier Söhne begleitet, dem neunjährigen Bogdan
Dem Gottesdienst zu Ehren ihres zu Lebzeiten politischen Feindes wohnten
auch Präsident Aleksandar Vučić, Ministerpräsidentin Ana Brnabić und
Verteidigungsminister Aleksandar Vulin bei. Präsident Vučić ließ sich
fotografieren, wie er den kleinen Bogdan auf den Kopf küsst.
Vertreter der serbischen Opposition und Bürger, die gegen das serbische
Regime sind, waren nicht anwesend. Sie riefen am Mittwoch um 18 Uhr zu
einem Gedenkmarsch für Oliver Ivanović im Zentrum Belgrads im Rahmen der
Bürgerproteste auf, die seit sechs Wochen jeden Samstag stattfinden.
Tausende Unzufriedene demonstrieren gegen „Gleichschaltung“ der Medien,
„Parteistaat“ und „Vetternwirtschaft“ der dominanten Serbischen
Fortschrittspartei (SNS) von Vučić, den „Missbrauch“ staatlicher
Institutionen, „politisch kontrollierte“ Justiz, „Erniedrigung“ des
Parlaments sowie „Hetz- und Hasskampagnen gegen Andersdenkende“. Einer
solchen Hetzkampagne der Vučić ergebenen Medien war auch Oliver Ivanović
unmittelbar vor seinem Tod ausgesetzt. Er wurde als „Verräter“
gebrandmarkt.
## Symbol der Proteste
Eine Bedingung der Demonstranten ist, dass Ivanovićs Mörder gefasst werden.
Er ist zum Symbol der Proteste gegen das Regime Vučić geworden.
Demonstranten tragen Transparente mit der Aufschrift „Gerechtigkeit für
Ivanović“ und „Wir haben dich nicht vergessen“.
Ivanovićs Witwe sprach sich dagegen aus. „Ich will mit der Politisierung
des Todes meines Mannes nichts zu tun haben“, erklärte Milena Ivanović,
nachdem ihr der Präsident, die Ministerpräsidentin und der
Verteidigungsminister ihr Beileid ausgesprochen hatten.
So ist der zu Lebzeiten politisch marginalisierte Ivanović ein Jahr nach
seinem Tod ins Zentrum des Kampfes der serbischen Opposition gegen das
autokratische Regime unter der Führung von Vučić und Belgrads gegen
Prishtina geraten.
Belgrad „weiß“, dass hinter der „Hinrichtung“ Albaner stehen, wirft
Prishtina vor, die Untersuchung in eine falsche Richtung zu lenken. Laut
dem kosovarischen Innenministerium führen jedoch „alle Spuren nach
Belgrad“.
## Nacht- und Nebelaktion
Ende November nahm die kosovarische Sonderpolizei Rosu in einer Nacht- und
Nebelaktion drei Serben in Kosovska Mitrovica fest, ein dritter flüchtete
nach Serbien, wo er von Präsident Vučić sofort für unschuldig erklärt
wurde. Die serbische Opposition macht das serbische Regime für die
Ermordung von Ivanović verantwortlich, zumindest wegen der Hetzkampagne
gegen ihn kurz vor seinem Tod.
Im Kampf zwischen Belgrad, das die Unabhängigkeit des Kosovos nicht
anerkennt und mithilfe Russlands dessen Aufnahme in internationale
Organisationen blockiert, sowie Prishitina, das seine Unabhängigkeit
abrunden möchte, war Ivanović eine Stimme der Vernunft.
Er sprach über die Kriminalität im Kosovo, über „informelle Machtzentren�…
Ausgerechnet den moderaten serbischen Politiker nahm die kosovarische
Polizei wegen „Kriegsverbrechen an Kosovoalbanern“ 2014 fest. 2016 wurde er
zu neun Jahren Haft verurteilt. Ein Jahr später wurde das Urteil
aufgehoben.
Wieder auf freiem Fuß, kämpfte Ivanović als Chef der „Bürgerinitiative
Serbien, Demokratie, Gerechtigkeit“ gegen die aus Belgrad ferngesteuerte
Koalition serbischer Parteien im Kosovo. Sein Auto wurde in Brand gesetzt.
In einem seiner letzten Interviews sagte Ivanović, dass die Serben im
Kosovo „kriminelle, extremistische Serben“ mehr fürchteten als albanische
Extremisten.
16 Jan 2019
## AUTOREN
Andrej Ivanji
## TAGS
Serbien
Kosovo
Oliver Ivanovic
Aleksandar Vucic
Kosovo
Serbien
Serbien
serbische Minderheit im Kosovo
Wahlen
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