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# taz.de -- Seismische Messungen im Atlantik: US-Ölsuche bedroht Meeressäuger
> Die Trump-Regierung hat Unternehmen erlaubt, im Atlantik mit Airguns nach
> Öl zu suchen. Dagegen klagen US-Bundesstaaten und Umweltverbände.
Bild: Brauchen auch irgendwann mal ihre Ruhe: Delfine nutzen Echoortung zur Kom…
Berlin taz | Alle 10 Sekunden, 24 Stunden, tage- und wochenlang sind sie
für die Suche nach Meeresbodenschätzen im Einsatz: Die Rede ist von
Schallkanonen, auch Airguns genannt. Die Schallwellen, die sie aussenden,
sind so laut, dass Meeressäuger die Kanonen über Tausende von Kilometern
noch hören können.
Weil die Trump-Regierung Ende November fünf Öl- und Gasunternehmen die
Nutzung solcher Schallkanonen genehmigte, klagte die amerikanische
Umweltorganisation EarthJustice im Dezember zusammen mit neun Bundesstaaten
und anderen Umweltgruppen. In dieser Woche hat sich auch der US-Bundesstaat
South Carolina der [1][Klage] angeschlossen, wie der Generalstaatsanwalt
Alan Wilson bekannt gab.
Die seismischen Messungen würden der Fischerei an den Küsten des
Bundesstaats schaden und könnten sie sogar zerstören, heißt es in der Klage
von South Carolina. Die Genehmigungen der umstrittenen
Meeresbodenerkundungen verletzten zudem Arten- und Naturschutzgesetze und
gefährdeten den Tourismus.
Die zuständige US-Ozeanbehörde hat den Unternehmen in Übereinstimmung mit
Präsident Trumps [2][„America First“-Energiestrategie] die Erlaubnis
gegeben, Meeressäuger „zufällig, aber nicht absichtlich“ zu
beeinträchtigen, um nach fossilen Brennstoffen im Meeresboden zu suchen.
## Zehntausende Wale und Delfine betroffen
Diese Tests sind Vorläufer für die ersten möglichen Probebohrungen nach
Jahrzehnten in US-amerikanischen Gewässern im Außenbereich der Ostküste.
Die US-Regierung beabsichtigt, Offshore-Bohrungen vom Atlantik bis in die
Arktis und den Pazifischen Ozean auszuweiten.
2017 hatte das US-Innenministerium noch eine Reihe von Anträgen auf
Erdölerkundungen mit der Begründung abgelehnt, die „Vorteile, geophysische
und geologische Informationen durch neue seismische Untersuchungen im
Atlantik mittels Druckluft einzuholen, wiegen nicht die potentiellen
Risiken der Schallwellen auf, denen Meereslebewesen ausgesetzt sind“.
138.500 Meeressäuger wie Wale und Delfine könnten die Airguns nach
Schätzungen der Regierung töten oder taub machen. Auch der stark bedrohte
Atlantische Nordkaper, eine Art der Glattwale, ist hiervon betroffen.
Schiffe von Geounternehmen schießen bei dieser Erkundungsmethode mit
Druckluft durch das Wasser mehrere Kilometer bis in den Meeresboden hinein.
Die so erzeugten Schallwellen werden zur Oberfläche zurückgeworfen und
anschließend von Audiomonitoren aufgenommen. So geben sie Hinweise über
mögliche unterseeische Erdölvorkommen. Ein durchschnittliches
Erkundungsschiff ist mit 12 bis 48 Luftkanonen ausgestattet.
## Einschätzungen gehen auseinander
Probleme bereitet der Lärm der Messungen Walen und Delfinen deshalb, weil
sie Schallwellen unterschiedlicher Frequenz für ihre Nahrungssuche, zur
Kommunikation und zur Paarung nutzen. Diese Fähigkeit wird auch Echoortung
genannt.
„Der Schall kann teilweise in Tausenden Kilometern noch gehört werden“,
erklärt Fabian Ritter, Meeresschutzexperte bei Whale and Dolphin
Conservation, einer Organisation zum Schutz von Walen und Delfinen. „Ein
Wal, der sich innerhalb von einigen Hundert Metern um die Schallkanonen
aufhalten würde, wäre schwer gehörgeschädigt oder taub.“
Ingo Grevemeyer vom Geomar, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in
Kiel, sieht die Pläne entspannter. „Der Einsatz von seismischen Verfahren
mit Luftkanonen muss nicht automatisch problematisch sein“, sagte er der
taz.
Neben der Tatsache, dass es in bestimmten Regionen und Jahreszeiten keine
Meeressäuger gebe, sei es darüber hinaus inzwischen Standard, geschulte
Beobachter an Bord zu haben, die die Messungen abbrechen könnten, wenn die
Tiere zu nah an die Schiffe kommen, so Grevemeyer. „Das habe ich erst im
September auf einem spanischen Forschungsschiff miterleben dürfen.“
## Wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse
Das deutsche Umweltbundesamt hatte eine [3][Studie] in Auftrag gegeben, die
die Auswirkungen von Airgun-Signalen in einem Radius von 2.000 Kilometern
analysierte. Die Schallimpulse dehnen sich ab Entfernungen von 1.000
Kilometer zu einem kontinuierlichen Geräusch aus und lassen etwa den
Kommunikationsraum von Blau- und Finnwalen in der Antarktis bis auf 1
Prozent schrumpfen, wie die Ergebnisse zeigen.
International wird noch an genaueren Modellen zur Messung der Störungen bei
Meeressäugern gearbeitet. Die Auswirkungen der Airguns verlässlich zu
erfassen, ist nämlich laut Umweltbundesamt erst ansatzweise möglich.
10 Jan 2019
## LINKS
[1] http://2hsvz0l74ah31vgcm16peuy12tz.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploa…
[2] https://www.doi.gov/pressreleases/interior-department-advances-america-firs…
[3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internation…
## AUTOREN
Sinan Recber
## TAGS
Meeressäuger
Meere
Erdöl
Meeresschutz
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Schweinswal
Naturschutz
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