# taz.de -- Kolumne Schlagloch: Der getunte Mann | |
> In Davos zeigt sich: Für die erfolgreiche Männlichkeit von heute ist | |
> gesellschaftliche Verantwortung in weite Ferne gerückt. Was tun? | |
Bild: Davos-Männer unter sich. Wohin wollen die mächtigen, einflussreichen Se… | |
Es ist eine dieser Wochen, in denen man die männliche Dominanz auf dem | |
Laufsteg präsentiert bekommt: [1][Davos] ruft die Weltwirtschaft zum | |
Klassentreffen. Mehr als drei Viertel der Teilnehmer sind Davos-Männer, wie | |
der Soziologe Richard Sennett sie nennt: Teure Anzüge, stolzgeschwellte | |
Brust und null Komplexe, wenn sie mit Armutsberichten von Oxfam | |
konfrontiert werden, schließlich ist jeder seines Glückes Schmied. | |
Nach dem Schaulaufen werden auf Twitter wieder rote Kreise gekringelt auf | |
die Bilder, auf denen keine Frau zu sehen ist. Dabei ist der Jubel jetzt | |
schon groß: So weiblich sei Davos noch nie gewesen. Einen ganzen | |
Prozentpunkt stieg der Frauenanteil, sagenhafte einundzwanzig sind es nun. | |
Wäre ich ein Davos-Mann, ich würde lächeln wie Buddha. [2][Ein Jahr #MeToo] | |
– und die Welt feiert die wenigen Frauen in Davos. | |
Zu meinen Lebzeiten, wird so ein Davos-Mann denken, ist nichts Wichtiges | |
mehr zu befürchten. Denn die neuen Daten lesen sich in etwa so: Männer | |
immer reicher. Sechsundzwanzig Menschen besitzen so viel wie die ärmsten 50 | |
Prozent weltweit. Die drei reichsten heißen Warren Buffet, Bill Gates und | |
Jeff Bezos. Das sind sicher nur zufällig drei weiße Männer über fünfzig. | |
Die weibliche Hälfte der Menschheit will nicht so richtig reich werden, | |
scheint es. Im Oxfam-Bericht steht dazu: „Wenn die gesamte unbezahlte | |
Pflegearbeit von Frauen auf der ganzen Welt von einem einzigen Unternehmen | |
geleistet würde, dann hätte es einen Jahresumsatz von 10 Billionen Dollar. | |
Das ist dreiundvierzigmal mehr als Apple aktuell hat.“ Dazu liest man dann | |
Zeitungskommentare wie: „Demnach hat sich die Lage von Frauen weltweit eher | |
verschlechtert. Aber es gibt auch Positivbeispiele.“ | |
## Was sind das bitte für Typen? | |
Der Optimismus mancher Menschen ist wirklich durch nichts totzukriegen. | |
Island und Skandinavien werden es schon richten. Als würden wir auf diesen | |
kleinen Inseln der Wohlhabenden die große Bevölkerungsexplosion erwarten. | |
Stets und ständig halten die kleinen Ausnahmelabore für gute Nachrichten | |
her. Seht, es könnte gehen! Es geht jedoch nicht. Nicht so. Und ein Grund | |
dafür ist die Weinerlichkeit vieler Männer, wenn man sich daranmacht, die | |
herrschenden Strukturen zu kritisieren. | |
Die herrschenden Verhältnisse werden nun einmal in weiten Teilen von | |
Männern bestimmt. Es wird sich für alle nichts ändern, wenn der Typus | |
Davos-Mann nicht demontiert wird. Es wird sich nichts bessern, solange | |
erfolgreiche Frauen Davos-Männer in Bleistiftröcken geben. | |
Es geht hier um rücksichtslose Männlichkeitsideale, Männer, die Wohlstand, | |
Ansehen und Einfluss vornehmlich für sich horten. Was sind das bitte für | |
Typen? [3][Amazons Jeff Bezos] startete eine Rakete und verliebte sich | |
umgehend in eine Frau, die ihn dabei anhimmelt. Da muss die aufgebrauchte | |
Partnerin Platz machen, die hat vermutlich nicht euphorisch genug | |
gehimmelt. Dann die Storys von diesem größenwahnsinnigen Tesla-Typen, | |
mindestens so maßlos wie die selbstverliebten Jungs aus Silicon Valley. | |
## Interessiert nur am eigenen Reichtum | |
Harald Welzer wies kürzlich darauf hin, dass noch nie eine erfolgstrunkene | |
Gruppe junger Männer die Demokratien so vor sich hergejagt habe wie diese | |
Tech-Milchbubis es tun. Davos ist ein ganzer Bienenschwarm solcher | |
„Männer“. Statt die Gewinne ihrer Konzerne mit 0,5 Prozent zu besteuern, | |
soll man den Herren das Loblied auf ihre Almosen singen, sie nennen das | |
gerne Charity. Oder Corporate Social Responsibility. Her mit den | |
Verdienstkreuzen! | |
Die idiotischste Verteidigung des Status quo kommt von einem Mann namens | |
Jordan Peterson, der es schafft, sich in einem Klappentext als wichtigster | |
Denker seit Marshall McLuhan zu bezeichnen, weil das angeblich große | |
internationale Zeitungen auch so sähen. In Deutschland wird er prompt mit | |
seitenlangen Interviews belohnt. Marshall McLuhan! Der tauchte früher | |
selbst in den Kinoschlangen von Woody-Allen-Filmen auf – und wo war Jordan | |
Peterson bis jetzt? Er bringt sich als Antifeminist in Stellung und | |
behauptet, die weißen Männer setzten sich armselig zur Wehr. | |
Männer, die etwas in der Birne haben, knöpfen sich den Typus Davos-Mann | |
vor, weil sie den Schaden sehen, den dieser Größenwahn anrichtet. | |
Schließlich kämpfen sie erst dann für die eigene Sache, wenn sie sich gegen | |
Davos-Männer wehren. Die Wirtschaftsordnung zugunsten weniger macht nicht | |
Halt vor dem männlichen Körper oder den männlichen Daten. Davos-Männer | |
interessiert nur der eigene Reichtum. | |
## Ideale toxischer Männlichkeit | |
Der Weltwirtschaftsgipfel bringt vorwiegend jene zusammen, die für eine | |
Wirtschaftsordnung stehen, die Verlierer in Serie produziert, männliche wie | |
weibliche. Achtzig Prozent Männer, 65 Prozent davon über 50. Ihr Wirken | |
orientiert sich an Idealen toxischer Männlichkeit. Doch viele Männer fühlen | |
sich selbst bedroht, wenn man ihnen klar macht, diese Männlichkeit sei | |
toxisch. | |
Zuletzt scheiterte die Firma Gillette mit einem [4][Werbespot] groß daran. | |
Wer soll bitte dann die Männerbilder hinterfragen, die eine Ungleichheit | |
wie die derzeitige weiterbefördern? Es wird ständig über das Patriarchat | |
geschimpft, doch die alten Patriarchen hielten Fürsorge noch für eine | |
Ehrensache. Zahlen wie die heute hätten sie beschämt. Sie errichteten | |
Arbeiterwohnungen und fühlten sich jenen, die sie ausbeuteten, zumindest | |
verpflichtet. | |
Der Typus Patriarch wurde aus guten Gründen erfolgreich dekonstruiert. Was | |
aber auf ihn folgte, war der getunte Selbstverwirklicher, der Davos-Mann. | |
Für die erfolgreiche Männlichkeit von heute ist gesellschaftliche | |
Verantwortung in weite Ferne gerückt. Wohin will der mächtige, | |
einflussreiche Mann? Wohin soll er? Sich von diesen Männerbildern zu | |
emanzipieren, sollte die Aufgabe vornehmlich von klugen Männern selbst | |
sein. Vielleicht haben Männer dann auch nichts mehr gegen Feminismus, wenn | |
sie diese Arbeit nicht Frauen überlassen. | |
22 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jagoda Marinić | |
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