| # taz.de -- Handball-Weltmeisterschaft in Berlin: Ein neuer WM-Effekt | |
| > Das „Wintermärchen“ 2007 brachte einen Boom für den Handball – nachha… | |
| > war er nicht. Bei der WM in Berlin, die am Donnerstag startet, soll alles | |
| > besser werden. | |
| Bild: Hat alles fest in der Hand: Deutschlands Handball-Kapitän Uwe Gensheimer… | |
| Im Winter vor zwölf Jahren war die Situation für den Berliner Handball | |
| paradiesisch. Die Handball-Heim-WM der Männer – das Wintermärchen 2007 –, | |
| ging mit dem Titel für das deutsche Nationalteam zu Ende, „Wenn nicht | |
| jetzt, wann dann?“, ohrwurmte renitent durchs Radio, und in Berlin und im | |
| restlichen Bundesgebiet stürmten euphorisierte Kinder in die | |
| Handballvereine, um der nächste Pascal Hens zu werden. Der Boom kam, | |
| geblieben aber ist wenig. „Nach 2007 sind die Zahlen in den | |
| Handballverbänden ein, zwei Jahre gestiegen, und dann rapide gesunken“, | |
| sagt heute Thomas Ludewig. Er ist Präsident des Handball-Verbandes Berlin | |
| (HVB) und einer von den Menschen, die aus 2007 für 2019 lernen wollen. | |
| „Die Vereine waren damals nicht genügend vorbereitet und haben die Chance | |
| nicht genutzt“, glaubt Ludewig. „Auch die Verbände waren nicht ausreichend | |
| vorbereitet.“ Man habe für die Mitgliedergewinnung zu wenig getan und sich | |
| vor allem gefreut, dass Deutschland Weltmeister wurde. „Man dachte: Jetzt | |
| werden die Leute schon kommen.“ | |
| Sie kamen auch, aber vielfach blieben sie nicht. Der Deutsche | |
| Handball-Verband (DHB) erlebte ab 2009 einen harschen Mitgliederschwund, | |
| den er erst 2017 stoppen konnte. Dass zu wenig auf Nachhaltigkeit geachtet | |
| wurde, gilt dort mittlerweile als Binsenweisheit. | |
| In Berlin ist die Lage besser: Der HVB hat in den letzten Jahren die Zahl | |
| seiner Mitglieder nach eigenen Angaben weitgehend halten können, derzeit | |
| sind es rund 12.000. Auch aufgrund der vielen Kooperationen mit Schulen, | |
| glaubt Ludewig. Solche Erfahrungen sollen für die kommende WM nutzbar | |
| gemacht werden. | |
| Derzeit gibt es 72 Handballvereine in Berlin. Das Gefälle ist riesig, von | |
| Spitzenklubs wie den Füchsen bis hin zu Hobbyvereinen, die nur ein oder | |
| zwei Teams stellen. Mit einem ambitionierten Nachwuchsmarketingprogramm | |
| will der Verband jetzt die Basis mitnehmen. Es wird eine eigene | |
| Handball-Mini-WM geben, von 24 Berliner Grundschulklassen ausgetragen; es | |
| gibt einen Projekttag „Kita meets WM“, wo die Kleinsten an den Handball | |
| herangeführt werden. Die Berliner Vereine können eigene Tage der offenen | |
| Tür abhalten und dafür beim HVB Zuschüsse von bis zu 500 Euro beantragen. | |
| ## Minispielfeld am Ostbahnhof | |
| Für die Klubs veranstaltet der Berliner Verband vier WM-Symposien, etwa | |
| über Öffentlichkeitsarbeit oder Mitgliedergewinnung. Es wird einen „Walk of | |
| History“ zur Handballgeschichte, ein Minispielfeld an der Arena am | |
| Ostbahnhof etc. geben – viel mehr Engagement geht nicht. Und die Bemühungen | |
| werden in den Vereinen wahrgenommen. | |
| „Der HVB macht ganz viel Werbung“, sagt Ines Herz. „Wir fühlen uns wirkl… | |
| sehr gut mitgenommen.“ Herz ist Frauenwartin und Co-Trainerin des | |
| Frauenteams bei VfV Spandau, mit seinen 1.000 Mitgliedern ein | |
| mittelständischer Berliner Verein; Frauen- und Herrenteam spielen Oberliga. | |
| In Spandau haben sie den Zulauf nach 2007 selbst erlebt, aber auch, wie | |
| schnell er vorbei war. „Wenn Kinder Handball im Fernsehen gucken, denken | |
| sie oft, sie könnten das sofort“, erzählt Herz. Besonders die Kleinen seien | |
| dann jedoch rasch enttäuscht. | |
| Der Männerbereich im Verein laufe bis heute gut; bei den Frauen aber gibt | |
| es Schwierigkeiten, die Teams zu füllen, wie fast überall in Berlin. | |
| Dennoch: Das Angebot, einen Aktionstag oder ein Schulprojekt zu machen, hat | |
| der VfV Spandau nicht angenommen. Überhaupt nur zehn oder elf Vereine haben | |
| laut HVB Zuschüsse beantragt. „Schon enttäuschend“ fand Ludewig das. Es | |
| gibt vor allem strukturelle Hindernisse. | |
| Ines Herz sagt, sie fände ein Sonderprojekt gut. Aber der Verein wird von | |
| Ehrenamtlichen getragen, die tagsüber arbeiten. Ein Tag der offenen Tür, | |
| ein Schulprojekt, das gehe nicht. „Man macht ja schon so viel selbst. Den | |
| Mehraufwand können wir nicht bewältigen. Und es ist schwer, Leute zu | |
| begeistern: Engagiert sind immer nur dieselben.“ Auch Thomas Ludewig räumt | |
| ein: „Die Vereine sind oft mit ihren Ehrenamtlern überfordert, Leute für | |
| Sonderprojekte zu finden.“ So verpuffen Angebote, weil sie die Realität der | |
| Vereine nicht genügend abbilden. | |
| Philipp Meinert kennt die Suche nach Ehrenamtlern, hat aber im Vergleich | |
| zum VfV Spandau eine komfortable Situation. Meinert ist | |
| Handball-Abteilungsleiter bei der SG Narva, dem zweitgrößten Handballverein | |
| Berlins. Über 300 Kinder und Jugendliche trainieren dort, mehr als zehn | |
| Kooperationen mit Grundschulen pflegt der Verein aus | |
| Friedrichshain-Kreuzberg. „Wir haben bereits gute Strukturen“, sagt | |
| Meinert. „Wir wären nicht überfordert, wenn es nach der WM eine Welle | |
| gäbe.“ | |
| Auch Meinert rechnet mit einem deutlichen WM-Effekt, vor allem wenn die | |
| Deutschen erfolgreich sind. Eine Schwierigkeit gebe es allerdings: die | |
| Räumlichkeiten. „Das große Problem sind das Personal und die Hallen“, sagt | |
| Meinert. „Wir haben schon jetzt viel Ansturm und müssen teilweise Kinder | |
| wegen fehlender Hallenkapazitäten ablehnen.“ | |
| ## Es gibt zu wenig Hallen | |
| Vor allem die Kieze innerhalb der Ringbahn sind seit Jahren mit Hallen und | |
| Sportanlagen unterversorgt und somit Schauplatz zermürbender | |
| Auseinandersetzungen zwischen Vereinen, Anwohnern und Schulen. Die kleine | |
| HSG Kreuzberg, die vier Teams stellt, schreibt: „Effekte der WM für den | |
| Verein erhoffen wir uns eher weniger, da wir keine Jugendarbeit machen | |
| können – mangels Sporthallenkapazitäten in Kreuzberg.“ | |
| Philipp Meinert sagt: „Es gibt nette Werbung während der WM. Die Frage ist: | |
| Wie soll die Unterstützung für die Vereine danach weitergehen? Konzepte für | |
| nach dem Turnier habe ich bisher noch nicht gesehen.“ | |
| Thomas Ludewig ist bemüht, die Hallenproblematik nicht so hoch zu hängen: | |
| „Ich glaube, dass die meisten Vereine Lösungen finden können. Es gibt zum | |
| Beispiel viele Vereine, die in ihren Jahrgängen nur wenige Kinder haben. | |
| Denen ist schon geholfen, wenn einzelne Jahrgänge aufgefüllt werden.“ | |
| Erst mal freut ihn das große Interesse vieler Kinder an den neuen | |
| Projekten. Ohnehin sehe der HVB die Nachhaltigkeit eher über die nächsten | |
| Jahre. Und er hofft unter anderem auf die Schulbauoffensive des Senats, der | |
| bis zum Ende des Jahres 2026 rund 2,8 Milliarden Euro in den Neubau von | |
| Schulen investieren will. Und damit auch in neue Sporthallen. | |
| 8 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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