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# taz.de -- Die Wahrheit: Würdevoll zum Schafott
> Niemand konnte irische Kommunisten und andere Originale der Insel so
> überzeugend verkörpern wie der verstorbene Schauspieler Jer O’Leary.
Bild: Von der letzten Staffel können sich „Game of Thrones“-Fans ab Montag…
Der Film „Michael Collins“ hatte gerade erst begonnen, da wurde Jer O’Lea…
auch schon hingerichtet. Er spielte Thomas Clarke, einen der Anführer des
irischen Osteraufstands von 1916. Jers Schauspielerkollege Liam Neeson
sagte damals, er habe noch nie jemanden erlebt, der würdevoller zum
Schafott geschritten sei.
Jer spielte in fast allen Produktionen mit, die in Irland gedreht wurden –
von „Mein linker Fuß“ und „Im Namen des Vaters“ über „Braveheart“…
„Mütter & Söhne“ bis „Die Asche meiner Mutter“, „Animal Farm“ und…
Thrones“. Er hat an der Seite von Daniel Day-Lewis, Julia Roberts, Pete
Postlethwaite, Peter Ustinov, Richard Harris, John Hurt, Sean Penn und
vielen anderen gespielt, meist waren es jedoch kleinere Rollen.
Manchmal engagierte man ihn für Werbefilme. In einem Spot für die irische
Lotterie saß er an der Theke und widmete sich seinem Guinness, während
seine beiden Kumpane den großen Preis gewannen und aus der Kneipe stürmten.
Die Werbung lief nicht sehr lange im Fernsehen, weil die meisten Zuschauer
sie für eine Guinness-Reklame hielten und sich mit Jer identifizierten, der
mehr an seinem Getränk als am Lotto interessiert war.
Jers Paraderolle war Jim Larkin. Wann immer beim Theater oder bei einer
Demonstration jemand für die Rolle des Gewerkschaftsführers, Organisators
des Dubliner Generalstreiks von 1913 und Mitbegründers der Kommunistischen
Partei der USA gebraucht wurde, griff man auf Jer O’Leary zurück. Er kannte
die meisten Larkin-Reden auswendig.
Weil solche Auftritte nie sonderlich gut bezahlt wurden, war Jer meistens
knapp bei Kasse. In den siebziger Jahren hatte er ein paar Banken
überfallen, aber das erbeutete Geld gab er der Irisch-Republikanischen
Armee (IRA). In den Pubs unterstützten ihn seine Freunde mit flüssiger
Nahrung. Oft zog er ein vergilbtes Foto aus einer Zeitung hervor, auf dem
ein Fußballer in knielanger Hose den Ball ins Tor schießt. Mit knarrender
Stimme frage Jer dann: „Wer, wann, wo?“ Die Antwort lautete zum Beispiel:
„Nat Lofthouse, englisches Pokalfinale 1958, Bolton gewann 2:0 gegen
Manchester United.“
Neben den Larkin-Reden hatte Jer nämlich auch alles über Fußball im Kopf.
Manchmal geriet ihm jedoch etwas durcheinander. So erzählte er, dass der
deutsche Fußballer Siggi Held als Sohn des Nazi-Spions Stephen Held in
Dublin geboren sei. Auf den Einwand, dass Held in Freudenthal, dem heutigen
Bruntál, auf die Welt gekommen sei, entgegnete Jer: Dann sei er zumindest
in Dublin gezeugt worden. Das wäre aber nur möglich gewesen, wenn die
Mutter mit Siggi zwei Jahre schwanger gewesen wäre.
Dass Held ein Allerweltsname wie O’Leary in Irland ist, hat Jer nicht
eingesehen. Er war ja auch kein Allerweltsmann. Am zweiten
Weihnachtsfeiertag ist Jer gestorben, er ist 72 Jahre alt geworden. Seine
Beerdigung vorigen Donnerstag war ein rauschendes Fest.
7 Jan 2019
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Schauspieler
Kommunistische Partei
Game of Thrones
Irish Water
Schwerpunkt Brexit
Alkohol
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F.W. Bernstein
Royals
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