# taz.de -- Parlamentswahl in Armenien: 70 Prozent für den Protest-Anführer | |
> Noch im Frühjahr führte Nikol Paschinjan Proteste gegen Korruption an, | |
> nun gewann seine Bewegung deutlich die Wahl. Er will demokratische | |
> Reformen durchsetzen. | |
Bild: Der Interims-Ministerpräsident – jetzt ordentlich gewählt: Nikol Pash… | |
ERIWAN dpa | Die Armenier wollen gut ein halbes Jahr [1][nach den | |
friedlichen Protesten] ihr Land hin zu mehr Demokratie lenken und vertrauen | |
dabei auf Ministerpräsident Nikol Paschinjan. Seine mit demokratischen | |
Reformversprechen angetretene Bewegung bekam bei der Parlamentswahl am | |
Sonntag nach Angaben der Wahlkommission vom Montagmorgen auf 70 Prozent der | |
Stimmen. Paschinjan gilt vielen Armeniern als Hoffnungsträger, will die | |
Wirtschaft ankurbeln und gegen Korruption vorgehen. Experten warnen aber | |
vor neuen Protesten, sollte er seine versprochenen Reformen nicht umsetzen. | |
Auf Facebook schrieb Paschinjan am Montagmorgen an seine Wähler gerichtet: | |
„Ich liebe Euch alle, ich bin stolz auf Euch alle, ich verbeuge mich vor | |
Euch allen.“ In der Nacht sagte er armenischen Medienberichten zufolge, er | |
glaube nicht, dass die erste Stufe der Revolution beendet sei. „Die | |
Revolution wird nicht enden, wenn wir nicht alle Ziele der Revolution | |
erreichen.“ Mit einem deutlichen Sieg des in der Bevölkerung überaus | |
beliebten Ministerpräsidenten und seiner Bewegung „Mein Schritt“ war | |
gerechnet worden. | |
Rund 2,5 Millionen Menschen waren zu der vorgezogenen Wahl aufgerufen. Die | |
Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei knapp 49 Prozent – | |
vergleichsweise niedrig angesichts der Euphorie im Land. Experten verwiesen | |
als einen Grund auf den ungünstigen Wahltermin im Dezember. | |
Der frühere Journalist Paschinjan hatte im Frühjahr die wochenlangen | |
Straßenproteste gegen Korruption und Vetternwirtschaft in Armenien | |
angeführt. Als Kopf der Proteste wurde er weit über die Ex-Sowjetrepublik | |
hinaus bekannt und zwang den damaligen Regierungschef Sersch Sargsjan zum | |
Rücktritt. Infolge der sogenannten Samtene Revolution stieg er im Mai zum | |
Interims-Regierungschef auf. Mitte Oktober reichte er seinen Rücktritt ein | |
und ebnete so den Weg zur Neuwahl, von der er sich mehr Macht im Parlament | |
erhoffte. | |
## Scheitert an der 5-Prozent-Hürde | |
Bislang hatten im Parlament die oppositionellen Republikaner die Mehrheit, | |
wodurch sich Paschinjan ausgebremst sah. Nach der Wahl spottete der | |
43-Jährige über die Republikaner, die nicht einmal genügend Stimmen für ein | |
einziges Mandat gesammelt hätten. Laut Wahlkommission scheiterte die | |
frühere Regierungspartei an der Fünf-Prozent-Hürde und verpasste mit 4,7 | |
Prozent den erneuten Einzug in die Nationalversammlung. | |
Die Opposition warf dem Regierungschef indes einen schmutzigen Wahlkampf | |
und eine unfaire Abstimmung vor. Armen Aschotjan von den Republikanern | |
sagte, seine Partei sei schikaniert worden. Außerdem habe Paschinjans Sieg | |
schon vorher festgestanden, weil seine Partei die Wahl „in einer | |
post-revolutionären Euphorie abgehalten hat“. | |
Die Republikaner wollten den Wahltermin ins Frühjahr legen und hofften | |
Beobachtern zufolge darauf, die Zeit für einen Stimmungswechsel nutzen zu | |
können. Der deutete sich aber auch Monate nach dem Ende der Proteste nicht | |
an. | |
Das kleine und arme Armenien mit knapp drei Millionen Einwohnern liegt im | |
Südkaukasus und ist in politisch schwieriger Lage. Es ist mit den Nachbarn | |
Aserbaidschan und Türkei verfeindet und deshalb auf ein Bündnis mit | |
Russland angewiesen. Paschinjan will an der Zusammenarbeit sowohl mit | |
Russland als auch mit der EU festhalten. | |
10 Dec 2018 | |
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