# taz.de -- Urteil im Schleuser-Prozess in Kiel kommt: Mittelmeer-Unglück vor … | |
> Die Staatsanwalt Kiel fordert neun Jahre Haft für einen mutmaßlichen | |
> Schleuser, der am Tod von vier Menschen schuld sein soll. Darunter drei | |
> Kinder. | |
Bild: Viel zu viele Menschen auf viel zu wenig Boot: Szene im Mittelmeer | |
Hamburg taz | Bei einer Flucht über das Mittelmeer kam es am 28. Oktober | |
2015 zur Katastrophe: Das Boot sank, 54 Menschen ertranken. Vor dem | |
Landgericht Kiel muss sich seit Mitte September ein 28-jähriger Iraker | |
verantworten, dem die Staatsanwaltschaft „Einschleusung mit Todesfolge“ | |
vorwirft. Am Mittwoch endete die Beweisaufnahme. Die Anklage fordert neun | |
Jahre und vier Monate Haft. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. | |
Der Fall ist auch für das Kieler Gericht ungewöhnlich. Doch es ist | |
zuständig, weil der Angeklagte Ende 2015 in Deutschland Asyl beantragt hat | |
und seither in Kiel-Strande wohnt. Die deutsche Justiz hat auch Straftaten | |
an der EU-Grenze zu verfolgen. | |
Zum Prozessauftakt am 12. September beschrieb die Anklage laut einem | |
dpa-Bericht dramatische Szenen. Ein nur 20 Meter langes Holzboot war mit | |
328 irakischen Flüchtlingen überladen. Es sank auf der Überfahrt zwischen | |
der türkischen Küste und der griechischen Insel Lesbos. Der Staatsanwalt | |
wirft dem Angeklagten vor, als Schleuser für den Tod von vier Menschen, | |
darunter drei Kinder, mitverantwortlich zu sein. | |
Der 28-Jährige, selbst Vater zweier Kinder, soll mit vier Komplizen 26 | |
Menschen an Bord gebracht und von Schleusern dafür 32.550 Dollar kassiert | |
haben. Beim Beladen des Bootes an der türkischen Küste sollen die | |
Flüchtlinge in kleinen Gruppen von Schleuserbanden am Ufer zusammen | |
getrieben worden sein. Man habe ihnen zuvor eine sichere Überfahrt auf | |
Yachten versprochen. | |
## Angeklagter soll geprahlt haben | |
Als etliche wegen der Überladung nicht mehr an Bord wollten, sollen sie mit | |
Schüssen zum Einsteigen gezwungen worden sein. Statt des Bootsführers habe | |
ein Flüchtling am Ruder gesessen. Zudem sei das Holzboot von einem Beiboot | |
beschädigt worden, als der Kapitän wieder an Land übersetzte. | |
Laut Telefonprotokollen soll der Angeklagte später mit hohem Einkommen als | |
Schleuser geprahlt haben. Das sagte eine Beamtin der Bundespolizei, die den | |
Mann ins Visier nahm, nachdem einer der Bootsflüchtlinge ihn auf einem Foto | |
sah und Anzeige erstattete. | |
Als der Angeklagte im Herbst 2017 einer Haftrichterin vorgeführt wurde, | |
erklärte er, die vor Gericht zitierten Telefonprotokolle enthielten | |
Übersetzungsfehler. Er habe in Istanbul lediglich Ferienwohnungen | |
vermietet. Er kenne eine Person, die als Schleuser gearbeitet habe, sei | |
aber selber keiner. Laut Anklage ergab die Beweisaufnahme hingegen „ohne | |
Zweifel“, dass er Schleuser war. | |
Dagegen forderten die Verteidiger Freispruch. Im Verfahren hätten sich | |
keine sicheren Beweise für die Vorwürfe ergeben. Auch der Tatbestand sei | |
nicht erfüllt. Sie kritisieren außerdem, dass ihr Mandant bei seiner | |
Vernehmung durch die Bundespolizei keinen Rechtsbeistand gehabt habe und | |
auch nicht über seine Rechte aufgeklärt worden sei. Die Aussagen dürften | |
daher nicht verwendet werden. Das Gericht verkündet sein Urteil am 20. | |
Dezember. | |
15 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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