# taz.de -- taz-Serie Was macht eigentlich …? (Teil 1): Der Stillstand geht w… | |
> 2003 kaufte Rainer Löhnitz das SEZ für 1 Euro und wollte investieren. | |
> Dann verwahrloste der Komplex immer mehr. Das ist leider bis heute so. | |
Bild: Gammelt vor sich hin: Das SEZ in Friedrichshain | |
Badminton, Tischtennis, Indoor-Football, Bowling und eine Sauna – im Sport- | |
und Erholungszentrum Friedrichshain (besser unter der Abkürzung SEZ | |
bekannt) kann man allerlei Freizeitaktivitäten nachgehen. Nur wirklich | |
baden, das kann man hier nicht. Es gibt zwar ein kleines Schwimmbecken im | |
Außenbereich, doch das ist eher etwas für Hartgesottene nach dem | |
Saunagang. | |
Dabei sollte nach Ansicht des Senats hier eigentlich ein ernstzunehmender | |
Bäderbetrieb gegeben sein. Das sei bei der Übergabe des SEZ an den | |
Leipziger Investor Rainer Löhnitz 2003 vertraglich festgehalten worden. | |
Weil Löhnitz sich nicht an die Abmachung gehalten habe, klagte die Berliner | |
Finanzverwaltung unter Matthias Kollatz (SPD) vor dem Landgericht: Löhnitz | |
habe die Immobilie samt Grundstück zurückzugeben. Das Gericht konnte bei | |
der Urteilsverkündung im November der Argumentation nicht folgen, der | |
Investor darf das Grundstück behalten. | |
Es wurde bestätigt, was schon lange bekannt war: Der damals unter der | |
Regierungskoalition aus SPD und Linken ausgehandelte Vertrag gibt die | |
Verpflichtung zum Bäderbetrieb nicht her. Darin ist die Rede von einem | |
„Hallenbad“, das Löhnitz zu betreiben habe, und von „Wasserflächen“, … | |
bereitzustellen seien – äußerst dehnbare Begriffe. Zugespitzt formuliert: | |
Jede überdachte Pfütze ginge als Wasserfläche oder Hallenbad durch. Die | |
ungenutzten Planschbecken, die es im SEZ tatsächlich gibt, würden demnach | |
den Vertrag erfüllen. | |
Für das Land ist das eine herbe Schlappe. Ob man in Berufung gegen das | |
Urteil gehe, sei noch offen, so Alexis Demos, Sprecher der Senatsverwaltung | |
für Finanzen. „Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor“, sagt er, „s… | |
muss zunächst abgewartet werden, um darüber zu entscheiden, ob Rechtsmittel | |
eingelegt werden.“ | |
Für 1 Euro hat Löhnitz damals das 4,5 Hektar große Areal an der Ecke | |
Landsberger Allee/Petersburger Straße (am Rande des Volksparks | |
Friedrichshain), auf dem sich das SEZ befindet, übertragen bekommen. Berlin | |
wollte das ehemals so prunkvolle Spaßbad der DDR, für das nach der Wende | |
jahrelang keine Verwendung gefunden wurde, loswerden. Jedes Jahr | |
verursachte die ungenutzte Immobilie Kosten in Millionenhöhe. | |
Freilich gab man den Komplex ab in der Annahme, Löhnitz zur Wiedereröffnung | |
einer Badeanstalt verpflichtet zu haben. Auch das Gericht stellte nun fest, | |
dass dieser wohl nie die Absicht hatte, das SEZ gemäß seiner ursprünglichen | |
Bestimmung weiter zu betreiben. Knapp 1 Million Euro musste der Investor | |
deswegen nun auf den einen Euro von einst drauflegen. Das Grundstück, auf | |
dem das SEZ nun seit Jahren vor sich hin gammelt, hat inzwischen einen | |
Verkehrswert von 14 Millionen Euro. | |
Die Auseinandersetzung vor Gericht war nur eine weitere Schlacht in einem | |
seit Jahren andauernden Stellungskrieg zwischen Löhnitz und der Stadt | |
Berlin. Der Investor will schon seit geraumer Zeit auf seinem Areal diverse | |
Bebauungspläne umsetzen. Studentenwohnungen, ein Hostel, ein Parkplatz für | |
Campingmobile, alle möglichen Ideen hatte er bereits. Zuletzt soll er mit | |
einem spanischen Investor im Gespräch gewesen sein. | |
Die neueste Idee Löhnitz’: das SEZ abreißen und an dessen Stelle dann doch | |
ein modernes Spaßbad mit allen Raffinessen zu stellen. Die Umsetzung dieses | |
Plans hätte immerhin eine überraschende Pointe. | |
Doch die Gegenseite, das Land, blockte sämtliche Anliegen Löhnitz’ ab – | |
auch, weil es sich um das vermeintlich versprochene Hallenbad betrogen | |
fühlte. Und auch, weil der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln gewesen wäre, | |
warum ein Investor auf einem für einen Euro erworbenen Riesengrundstück | |
seine Bauträume verwirklichen darf. Löhnitz durfte so auf seinem Gelände | |
gar nichts bauen und das SEZ auch nicht abreißen. Eine sogenannte | |
Rückauflassungsvormerkung verhindert den Verkauf des Areals an Dritte. | |
Das bedeutete: Patt zwischen Investor und Senat, Stillstand total. | |
Doch jetzt wollen beide Seiten den Sieg mit aller Macht erringen. Ganz | |
gleich, wer sich am Ende durchsetzt: Das SEZ spielt in den Plänen beider | |
Parteien keine Rolle mehr und wird mit großer Wahrscheinlichkeit abgerissen | |
werden. Das sieht auch der Bebauungsplan des Senats vor, dem im Dezember | |
vom Abgeordnetenhaus zugestimmt wurde. Der genehmigt den Bau von ungefähr | |
500 Wohnungen auf dem SEZ-Areal und außerdem eine neue Schule. | |
„Planungsziel ist, einen gemischt genutzten Standort mit hohem Wohnanteil | |
zu entwickeln und damit das bezirkliche Nahversorgungszentrum zu stützen | |
sowie Flächen für einen dringend erforderlichen Schulstandort zu sichern“, | |
so formuliert das auf Anfrage Petra Rohland, Pressesprecherin der | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. | |
Und Löhnitz? Was hat der gemäß diesen Plänen überhaupt noch auf seinem | |
Gelände zu sagen? | |
„Die Belange des Eigentümers spielten im Rahmen der Abwägung eine | |
gewichtige Rolle und wurden ausführlich in die Abwägung des Bebauungsplans | |
eingestellt“, heißt es dazu aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung | |
und Wohnen. „In den Umsetzungsprozess ist auch der Grundstückseigentümer | |
einzubeziehen.“ | |
Einzubeziehen? Schon nach kurzem Kontakt mit Löhnitz ist schnell klar, dass | |
es dem nicht reichen wird, lediglich in das Vorhaben des Senats einbezogen | |
zu werden. Es ist nicht ganz einfach, ihn zu erreichen. Er befinde sich | |
gerade in New York zu wichtigen Gesprächen, teilt er mit. Für einen | |
schriftlichen Austausch stehe er jedoch zur Verfügung. | |
Der sieht dann vor allem so aus, dass man von ihm mit allerlei Dokumenten | |
und Interna zugeballert wird. Unterlagen, die belegen sollen, dass er vom | |
Land Berlin stets strategisch hintergangen wurde. Schreiben aus | |
öffentlichen Verwaltungen, in denen eigenen Mitarbeitern Anweisungen | |
gegeben werden, Löhnitz in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu | |
rücken. Und Unterlagen, die beweisen sollen, dass bereits abgeschlossene | |
Verhandlungen mit dem Senat, die es zu seinen eigenen Bebauungsplänen | |
gegeben habe, einfach wieder kassiert worden seien. | |
„Das Projekt war mit dem Senat endverhandelt“, schreibt Löhnitz, | |
„mindestens das kommt da hin oder alles bleibt, wie es ist.“ Die | |
Bebauungspläne des Senats nennt er schlichtweg „Unsinn“ und lässt | |
ausrichten: „Der Senat wird das Grundstück nie zurückbekommen. | |
Betrugsversuche sollten keine Früchte tragen.“ Mitgeliefert bekommt man von | |
ihm auch noch ein fast 30-seitiges Schreiben seines Anwalts. In diesem | |
wird die Rechtlichkeit des Bebauungsvorhabens seitens des Senats | |
bestritten. Auch die behauptete Notwendigkeit des Schulbaus wird in Frage | |
gestellt. Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg klage er nun | |
gegen das Land Berlin, so Löhnitz. Seine eigenen Bebauungspläne möchte er | |
demnach endgültig durchboxen. | |
Noch ist nicht abzusehen, wer den Krieg gewinnen wird. Doch sollte sich | |
Löhnitz vor Gericht durchsetzen und dürfte er am Ende doch auf seinem so | |
gut wie geschenkt bekommenen Grundstück Projekte entwickeln und das SEZ | |
abreißen lassen, wäre das für das Land Berlin ein echtes Desaster und der | |
Imageschaden unermesslich. Vorerst kann man immerhin zwischen den | |
halbtoten Palmen und den bald schon legendären „Wasserflächen“ im SEZ noch | |
weiter Sport treiben. | |
28 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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