# taz.de -- Produktentwickler über Elektrokonsum: „Recht auf Reparatur wäre… | |
> Elektrogeräte müssen länger genutzt und repariert werden, wenn sie | |
> kaputtgehen, sagt Nikolaus Marbach. Er ist Experte für nachhaltige | |
> Produktentwicklung. | |
Bild: So ein Schrott: ausgediente Elektrogeräte auf einem Recyclinghof | |
taz: Herr Marbach, wenn Sie unter einem Weihnachtsbaum einen Mixer, eine | |
Espressomaschine und eine Bluetooth-Box entdecken – sehen Sie dann | |
Elektroschrott oder eine urbane Rohstoffquelle? | |
Nikolaus Marbach: Das ist der falsche Ansatz. Wenn Sie so fragen, | |
betrachten Sie ja alles nur unter stofflichen Aspekten. Sie fragen nur, | |
welche Sekundärrohstoffe sich aus den Produkten gewinnen lassen. Aber in | |
diesen Dingen steckt ja viel mehr als das. | |
Nämlich? | |
Die Arbeit derjenigen, die Mixer oder Box hergestellt haben; die Energie, | |
die dazu notwendig war. Mitzählen müssen wir auch die Rohstoffverluste bei | |
der Herstellung des Gerätes. In dem Moment, wo wir die Geräte entsorgen und | |
recyceln, geht all das verloren. Das soll kein Plädoyer gegen Recycling | |
sein. Aber Elektrogeräte zu recyceln ist erst der allerletzte Schritt. | |
Zunächst müssen wir sie länger nutzen und reparieren, wenn sie kaputt | |
gehen. | |
Wer repariert mir denn bitte einen kaputten Mixer? | |
Sie könnten es selbst versuchen, in vielen Städten gibt es Repair-Cafés. | |
Außerdem gibt es schon noch Werkstätten, die Reparaturen anbieten. Aber da | |
steckt tatsächlich das Problem. Die Hürden zur Reparatur sind zu hoch. | |
Geräte lassen sich nicht einfach öffnen, Ersatzteile sind häufig zu teuer, | |
wenn man sie überhaupt erhält. Von außen ist es schwer, Zugang zu | |
Reparatur- und Wartungsanleitungen zu bekommen, zu Firmenware und Software | |
oder zu Diagnose-Tools. | |
Die Hersteller argumentieren, bei der Reparatur von Elektrogeräten gehe es | |
um die Sicherheit und um Gewährleistungsfragen. Können Sie das nicht | |
nachvollziehen, dass die Firmen deshalb mit Infos geizen? | |
Ja, natürlich müssen Sicherheitsaspekte beachtet werden. Aber es ist ja | |
nicht neu, dass Elektrogeräte repariert werden. Die neue Entwicklung ist, | |
dass sie nicht mehr repariert werden können. Wir müssen erst mal wieder | |
dahin zurück, wo wir vor 20, 30 Jahren schon waren. Man kann all die | |
Probleme lösen: Indem man in der Reparaturanleitung klare | |
Sicherheitshinweise gibt. Die Hersteller können bestimmte Teile eines | |
Geräts auch versiegeln. Wenn dann jemand daran herumschraubt, können die | |
das sehen und sich so absichern. | |
Finden Sie das nicht gefährlich, wenn jetzt alle Leute anfangen, an ihren | |
Espressomaschinen rumzubasteln? | |
Die Endnutzer trauen sich meistens eher zu wenig als zu viel zu. Viele | |
haben Angst, dass sie was kaputt machen oder sich verletzen. Die anderen | |
kann man durch Informationen schützen. Früher lagen Geräten zum Beispiel | |
Schaltpläne und Reparaturanleitungen bei. Vereinzelt gibt es das heute | |
noch. Für mein Laptop kann ich zum Beispiel Reparaturanleitungen aus dem | |
Internet kostenlos herunterladen. Ich bin kein Handwerker, aber den Lüfter | |
des Geräts habe ich schon selbst ausgetauscht. Häufig geht das aber nicht. | |
Viele Produkte sind heute so gestaltet, dass sie nur mit Spezialwerkzeugen | |
zu öffnen und zu reparieren sind. So versuchen die Hersteller, ihrem | |
eigenen Kundendienst einen Vorteil zu verschaffen, um den Umsatz im | |
Unternehmen zu halten. Darunter leiden dann auch das reparierende Handwerk | |
und zivilgesellschaftliche Organisationen, die reparieren wollen. Das sind | |
gewollte Entwicklungen. | |
Sollte man Hersteller generell verpflichten, solche Informationen | |
öffentlich zu machen? | |
Ja, schon. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen. Wenn ein | |
Unternehmen sich weigert, über einen angemessenen Zeitraum Ersatzteile zur | |
Verfügung zu stellen, muss es die Konstruktionsunterlagen öffentlich | |
machen, damit andere die Ersatzteile nachbauen können. Sie würden dann das | |
alleinige Verwertungsrecht am geistigen Eigentum verlieren. | |
Benachteiligt man damit nicht die heimischen Markenhersteller gegenüber | |
anonymen Importeuren, deren Waren man etwa in Discountern kaufen kann? | |
Diese sind häufig gar nicht greifbar. | |
Wer einen Container mit Geräten importiert, der kann auch noch einen | |
Container mit Ersatzteilen importieren. Der Importeur muss sie lagern und | |
verwalten. Das könnte man auch Dienstleistungsfirmen übertragen. Und die | |
Anleitungen zur Reparatur könnten online verfügbar gehalten werden. Das ist | |
alles eher eine Frage des Wollens als des Könnens. | |
Die Ökodesign-Richtlinie der EU will, dass wir mehr können dürfen, oder? | |
Ja, das ist schon wichtig, was da in Brüssel passiert. Bisher ging es in | |
der Richtlinie ja nur um den Energieverbrauch von Geräten, künftig auch um | |
die Reparierbarkeit. Das ist erfreulich. Allerdings fehlen bei allen | |
Produktgruppen noch grundlegende Anforderungen. Bei Kühlschränken zum | |
Beispiel sollen nur „professionelle Reparateure“ zum Zuge kommen. Den | |
Verbrauchern will man nur gestatten, etwa Türgriffe, Dichtungen, | |
Einlegeböden kaufen zu können. Das sind aber, bis auf die Dichtungen, alles | |
keine echten Ersatzteile. Absurd wird es bei den Leuchtmitteln im | |
Kühlschrank. Die sollen nur Profis austauschen dürfen, obwohl jeder zu | |
Hause in seinen Lampen die Birne austauscht – und die stehen unter 220 | |
Volt. Mit der Einschränkung auf „professionelle Reparateure“ erhalten die | |
Hersteller ein Vehikel, mit dem sie mehr oder weniger selbst bestimmen | |
können, wem sie Ersatzteile zur Verfügung stellen und wem nicht. | |
Okay, noch mal zurück zum Weihnachtsbaum. Die Elektrobranche geht von einem | |
Umsatz von 59 Milliarden Euro im Weihnachtsgeschäft aus. Die Geräte können | |
immer mehr – sich mit einem unterhalten, sich vernetzen – werden sie aus | |
Ihrer Sicht auch besser? | |
Aus Sicht des Umweltschutzes werden sie schlechter. Ihre Lebensdauer nimmt | |
tendenziell ab, etwa, weil Verschleißteile wie Zahnräder aus billigem | |
Kunststoff verbaut werden und nicht aus Metall. Die Möglichkeiten, sie zu | |
reparieren, nehmen ab. In vielen Smartphones ist der Akku verklebt und | |
verlötet, genau wie Speicherbausteine oder Festplatten in Laptops. Die kann | |
man kaum noch austauschen. Die schwächste Komponente definiert dann die | |
Lebensdauer des Geräts, das Gerät könnte noch wesentlich länger genutzt | |
werden – dazu braucht es die Reparatur. Außerdem nehmen die Kosten für die | |
Ersatzteile zu. Da kostet die Reparatur schnell mal bis zur Hälfte eines | |
neuen Gerätes. Das macht doch keiner. | |
Andererseits: Laut dem Handelsverband Technik ist der Markt für | |
Secondhand-Smartphones im vergangenen Jahr weltweit um dreizehn Prozent | |
gewachsen, der für neue nur um drei Prozent. Die Leute wollen nachhaltig | |
konsumieren! | |
Sehe ich auch so. Sie brauchen aber bessere Rahmenbedingungen. Darum wäre | |
ein Recht auf Reparatur wichtig, in Kaliforniern und siebzehn weiteren | |
US-Bundesstaaten wird das diskutiert oder ist schon in | |
Gesetzgebungsverfahren. Man könnte auch Ersatzteile kostenlos bereitstellen | |
und die Kosten dafür in den Neupreis einrechnen. Das gilt nicht nur für | |
Elektrogeräte, sondern auch für Möbel sowie Kleidung. | |
27 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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