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# taz.de -- Innovationscampus Mobilität: Berlin gehen die Innovationen aus
> Das 2006 gegründete InnoZ in Schöneberg galt lange als führendes Zentrum
> für neue Mobilitätskonzepte in Deutschland. Nun steht es vor dem Aus.
Bild: Erkennbar ist der Euref-Campus vor allem am weit sichtbarem Gasometer
Wie Forschungsergebnisse in die praktische Anwendung kommen, dafür
interessiert sich die neue Bundesforschungsministerin Anja Karliczek ganz
besonders. Deshalb hat sie sich für ihren Antrittsbesuch beim Land Berlin
den [1][Innovationscampus Euref] (siehe Kasten) am Schöneberger Gasometer
ausgesucht. Dort besichtigte sie an der Seite des Regierenden
Bürgermeisters Michael Müller Projekte, die von ihrem Haus, dem
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), gefördert werden.
Vielleicht wäre der Standort Siemensstadt, wo der Elektro-Riese gerade 600
Millionen Euro in ein Innovationszentrum investiert, doch die bessere Wahl
gewesen. Denn am Euref, einem Ort für experimentelle Mobilitätstechnik, kam
es vor Kurzem zu einem Eklat: Das dort beheimatete [2][Innovationszentrum
für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel] (InnoZ) steht vor dem Aus.
Das verkündete letzte Woche die Deutsche Bahn als Hauptgesellschafter (77
Prozent) zusammen mit den zwei weiteren Anteilseignern. Der Betrieb des
InnoZ soll „geordnet bis spätestens zum 30. April 2019“ stillgelegt werden.
Dadurch verlieren rund 40 Mitarbeiter ihre Stelle. Weitere Gesellschafter
sind das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das überwiegend vom BMBF
finanziert wird.
Die Meldung schlug unter Wissenschaftlern und wirtschaftspolitischen
Berlin-Modernisierern wie eine Bombe ein. Das InnoZ war nicht nur
Gründungsmitglied des Euref-Campus, sondern mit seinem besonderen Ansatz,
Verkehrstechnik und gesellschaftliches Mobilitätsverhalten zu verknüpfen,
seit Jahren ein besonderer Anziehungspunkt auf dem Gasometer-Areal gewesen
– auf das übrigens jetzt auch die Berliner Gasgesellschaft Gasag wieder
zurückkehrt.
„Ein großer Verlust für Berlin!“, twitterte Gernot Lobenberg, Chef der
Berliner Agentur für Elektromobilität, zur angekündigten InnoZ-Abwicklung.
Das Zentrum macht viele wissenschaftliche Studien über neue
Mobilitätskonzepte und betreibt einen Fuhrpark, auf dem unterschiedliche
Modelle von Elektroautos ausprobiert werden können. Seit zwei Jahren zieht
etwa ein selbst fahrender Bus („Emily“) auf dem Euref-Campus seine Bahnen
und macht die Verkehrswelt von morgen erfahrbar. Vor wenigen Tagen endete
im InnoZ eine Ausstellung über „neue Beteiligungsformate bei der
Entwicklung und Erprobung von digitalen Mobilitätsinnovationen – Mobilität
4.0“, die das Bundesverkehrsministerium mit 1,3 Millionen Euro finanziert
hatte.
## Verlorenes Alleinstellungsmerkmal
Als Grund für den Rückzug nannte die Bahn eine zu geringe Innovationskraft
und ein fehlendes Alleinstellungsmerkmal des Forschungszentrums. „Als das
InnoZ 2006 gegründet wurde, waren die von ihm bearbeiteten Fragen in der
deutschen angewandten Forschung nicht in dem Ausmaß vertreten, wie sie es
mittlerweile sind“, heißt es in der Pressemitteilung der Deutschen Bahn AG.
„Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal des InnoZ ist deshalb nun nicht
mehr gegeben.“
Mit einer ähnlichen Begründung stiegen im vergangenen Jahr bereits die
Eigentümer Siemens und T-Systems aus. Die Konzernlücke wurde dann von der
Bahn wieder aufgefüllt. „Die von InnoZ seit Langem verfolgten
Forschungsthemen waren 2017 keine Nischenaktivitäten mehr und wurden
vielmehr von den Gesellschaftern selbst durchgeführt, um diese in Markt-
und skalierungsfähige Produkte zu überführen“, bestätigte ein Bahn-Sprech…
der taz. Da die „Grundfinanzierung der Gesellschaft maßgeblich durch
Aufträge aus dem Gesellschafterkreis sichergestellt wurde und die Aufträge
seitens der Industriegesellschafter zunehmend ausgeblieben waren“, hätten
T-Systems und Siemens die Situation „neu bewertet“ und sich „entschlossen,
ihre Anteile an der InnoZ zu veräußern“. Gleiches gilt jetzt auch für den
Bahn-Konzern.
Unausgesprochen dürfte aber auch das striktere Kostenmanagement bei der
Bahn eine Rolle spielen. Immerhin arbeitete das InnoZ in den letzten Jahren
nicht kostendeckend. Die Verluste, die im Jahr 2015 noch 253.000 Euro
betrugen, waren 2017 auf 2,4 Mio Euro angewachsen. Ende 2017 beschloss die
Bahn, „eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage in Höhe von 3,9 Millionen Euro
beim InnoZ zu leisten“, so der DB-Sprecher. Zudem wurde Mitte 2018 die
Geschäftsführung des InnoZ ausgewechselt. Andreas Knie, Gründer und
Galionsfigur der Verkehrswende, ging wieder zurück ans WZB.
## Selbstfahrender Kleinbus nach Bayern ausgewandert
Auch verkehrspraktisch konnte nicht jede Barrikade umfahren werden. So
hätte die Bahn den selbstfahrenden Kleinbus des französischen Herstellers
EasyMile über den geschlossenen Campus hinaus gerne in Kooperation mit der
BVG auch auf einer öffentlichen Straße bis zum Bahnhof Südkreuz fahren
lassen. Das wurde aber von der zuständigen grünen Bezirksstadträtin
Christiane Heiß in Tempelhof-Schöneberg mit dem Argument verweigert, dass
der Bus dann durch einen Park fahren müsse. „Das ist Unsinn“, erwiderte der
Berliner Informationsdienst Paperpress, der den Fall publik machte.
„Der ab dem Euref-Campus gesperrte Teil der Torgauer Straße liegt am Rande
des Cheruskerparks und ist für Fußgänger und Fahrradfahrer frei“, berichtet
das Blatt. Problemlos könne auf der nach wie vor asphaltierten Straße das
autonome Gefährt den Bahnhof Südkreuz ansteuern. „Ein Kleinbus, der rund 10
km/h fährt und bei jedem sich ihm in den Weg stellenden Hindernis sofort
hält, stellt für niemand eine Gefahr dar.“ Die Folge: Jetzt lässt die Bahn
den Bus auf einer öffentlichen Teststrecke im niederbayerischen Bad
Birnbach (5.700 Einwohner) unter Realbedingungen fahren, weil sich Berlin
selbst ein Bein gestellt hat. Nicht unmöglich allerdings, dass doch noch
ein „Deus ex machina“ die Wende im InnoZ-Drama herbeiführt.
Aus Nürnberg meldete sich der Mobilitätsdienstleister Choice mit der
Interessenbekundung, „das Innovationszentrum für Mobilität und
gesellschaftlichen Wandel (InnoZ GmbH) ganz oder in Teilen fortführen“ zu
wollen. „Das InnoZ hat einen hervorragenden Ruf und verfügt über eine hohe
Kompetenz in den Zukunftsfeldern der Mobilität“, erklärte
Choice-Geschäftsführer Jürgen Lobach. Das fränkische Unternehmen mit heute
200 Beschäftigten bietet Verkehrsdienste wie Carsharing über
Mobilitäts-Apps bis hin zum schlüssellosen Fahrzeugzugang via Smartphone
an. Der Euref-Campus in Berlin sei heute der Ort, an dem die Mobilität von
morgen sichtbar werde, ist Lobachs Einschätzung. „Choice möchte diese
Entwicklung unterstützen und sich gemeinsam mit den vielen Unternehmen und
Forschungseinrichtungen in den Campus einbringen.“ Dann könnte die Fahrt
von InnoZ doch weitergehen.
6 Dec 2018
## LINKS
[1] https://www.euref.de/de/
[2] https://www.innoz.de/
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Mobilitätswende
Anja Karliczek
Drohnen
Selbstfahrendes Auto
Zukunftsvision
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