# taz.de -- Regierungskrise in Israel: Netanjahu macht weiter – vorerst | |
> In Israel wird es keine Neuwahl wegen der Gazakrise geben. Die | |
> Siedlerpartei bleibt in der Koalition. Benjamin Netanjahus Zukunft ist | |
> dennoch ungewiss. | |
Bild: Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud, rechts) wird nun auch Verteidig… | |
JERUSALEM taz | Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kann aufatmen. | |
Das tagelange Ringen um die Zukunft seiner Koalition endete am Montag mit | |
der Kapitulation der Siedlerpartei „Jüdisches Heim“. Parteichef und | |
Bildungsminister Naftali Bennett, der Netanjahu nach dem [1][Rücktritt von | |
Verteidigungsminister Avigdor Lieberman] vergangene Woche ein Ultimatum | |
setzte, gab am Montagmorgen überraschend klein bei. | |
Ursprünglich wollte Bennett entweder selbst ins Verteidigungsministerium | |
einziehen oder die Koalition verlassen. Am Montag dann hieß es, die | |
Siedlerpartei werde in der Koalition bleiben und „Netanjahu den Rücken | |
stärken“ – obwohl Netanjahu am Sonntag verkündet hatte, selbst Liebermans | |
Erbe anzutreten. | |
Für Regierungschef Netanjahu hätte es nicht besser laufen können. Wie | |
Lieberman hatte auch Bennett ihn dafür kritisiert, nicht entschiedener | |
gegen die Islamisten der Hamas im Gazastreifen vorzugehen. Lieberman hatte | |
von einer „Kapitulation vor dem Terror“ gesprochen. | |
Trotzdem will Bennett ihm nun noch eine Chance geben, sich als | |
Sicherheitspolitiker unter Beweis zu stellen. Netanjahu hatte am | |
Sonntagabend die israelische Öffentlichkeit aufgefordert, ihm zu vertrauen. | |
„Ich werde mich an die Arbeit machen“, versprach er und signalisierte, dass | |
die Entscheidung für den Waffenstillstand auf geheime, | |
nachrichtendienstliche Informationen zurückginge. | |
## Streit um Beduinendorf geht weiter | |
„Das Schiff von Israels Sicherheit schwimmt in keine gute Richtung“, sagte | |
Bennett am Montag und warnte davor, sich der Illusion hinzugeben, es gebe | |
keine Lösung für den Terror. Netanjahu habe versprochen, die Richtung zu | |
ändern. „Dabei wollen wir ihm den Rücken stärken.“ | |
Bedingung sei allerdings, dass Netanjahu als neuer Verteidigungsminister | |
klarer gegen den Terror vorgehe. „Hamas und Hisbollah werden jeden Tag | |
frecher, weil sie glauben, dass wir die Konfrontation scheuen.“ Netanjahu | |
müsse den monatlichen Zahlungen an die „Mörder von Israelis“ ein Ende | |
machen, forderte Bennett. Die Palästinensische Autonomiebehörde zahlt den | |
Familien von politischen Gefangenen Geld. | |
Außerdem müsse Netanjahu das illegal errichtete [2][Beduinendorf Khan | |
al-Ahmar] räumen lassen, wie es der Oberste Gerichtshof forderte, und nicht | |
wie bisher „aus Angst, was man in Europa sagen könnte“, zögern. Die | |
Siedlerpartei sei „das nationale Gewissen“ Israels, fügte Bennetts | |
Parteifreundin und Justizministerin Ajelet Schaked hinzu. | |
## Jubel im Gazastreifen | |
Netanjahu hatte in den vergangenen Tagen wiederholt vor einer vorgezogenen | |
Neuwahl gewarnt. „In diesen empfindlichen Zeiten wäre es unnötig und | |
falsch“, Wahlen abzuhalten, sagte er am Sonntag. | |
Rund drei Viertel der Israelis zeigten sich unzufrieden, dass der letzte | |
Schlagabtausch, bei dem die Islamisten im Gazastreifen fast 500 Raketen und | |
Mörsergranaten auf Israel abfeuerten, ohne Entscheidung zu Ende ging. | |
Im Gazastreifen feierte die Hamas bis zum Wochenende den „Sieg über die | |
Zionisten“. Ismail Hanijeh, Chef des Hamas-Politbüros, rühmte seine Kämpfer | |
dafür, Lieberman zum Rücktritt gezwungen zu haben. | |
Parallel demonstrierten aufgebrachte israelische Bürger in Aschdod, wenige | |
Kilometer nördlich vom Gazastreifen, gegen den „feigen“ Regierungschef | |
„Bibi“, wie ihn der Volksmund nennt. Er solle „endlich aufwachen“, | |
forderten einige der Demonstranten, steckten Autoreifen in Brand, | |
versperrten Straßen und skandierten: „Bibi, was ist passiert, dass du | |
wegläufst?“ und: „Tod den Arabern“. | |
## Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu | |
Ohne Liebermans fünfköpfige Fraktion „Israel ist unser Haus“ kann | |
Netanjahus Koalition nun mit der knappen Mehrheit von 61 der insgesamt 120 | |
Sitze in der Knesset weiterregieren. Die nächste reguläre Parlamentswahl | |
ist für November kommenden Jahres geplant. | |
Allerdings drohen Netanjahu in den kommenden Monaten eine oder mehrere | |
[3][Anklagen wegen Korruption]. Schon die erste Amtszeit des | |
Regierungschefs endete im Jahr 1999 aufgrund des Verdachts des Betrugs und | |
der Unterschlagung mit einem Misstrauensvotum. Zur Anklage kam es jedoch | |
nicht. | |
Auch diesmal scheint es ernst zu werden. Die Polizei empfiehlt rechtliche | |
Verfahren gegen Netanjahu. Er soll einen Zeitungsverleger und die Betreiber | |
eines Online-Portals bestochen sowie enge Vertraute an staatlichen | |
Geschäften verdienen lassen haben. Es ist offen, ob Netanjahu seinen 70. | |
Geburtstag im nächsten Oktober noch immer als Israels mächtigster Politiker | |
feiern wird. | |
19 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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