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# taz.de -- Prozess zu europäischen Bisons: Wisente dürfen wohl bleiben
> Waldbauern fordern Schutz gegen die ausgewilderten Tiere. Aber der
> Bundesgerichtshof wird wahrscheinlich zugunsten der Naturschützer
> urteilen.
Bild: Unbeliebt bei Waldbauern: Wisent im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen
Karlsruhe taz | Die [1][ausgewilderten Wisente] können vorerst wohl im
Rothaargebirge bleiben. Der Bundesgerichtshof (BGH) tendiert zu einer
„Duldungspflicht“ für beeinträchtigte Waldbauern. Das zeichnete sich bei
der mündlichen Verhandlung am Freitag ab.
Wisente (europäische Bisons) waren in Deutschland seit 200 Jahren
ausgestorben. Jetzt sollen sie als Wildtiere wieder heimisch werden. Der
Verein Wisent-Welt Wittgenstein trägt im Rothaargebirge bei Siegen ein
entsprechendes Projekt. Die Behörden stehen dahinter, es gibt einen
öffentlich-rechtlichen Vertrag.
Die Herde von inzwischen rund 20 Tieren verlässt allerdings immer wieder
das rund 4300 Hektar große Projektgebiet und dringt in angrenzende Wälder
von privaten Waldbauern ein. Dort fressen die Tiere die Rinde von den
Bäumen, die oft irreparabel beeinträchtigt werden. Zwei Waldbauern haben
deshalb gegen den Wisent-Verein geklagt, er solle die Tiere daran hindern,
ihre Wälder zu betreten.
Die Waldbauern erhalten zwar Entschädigungen aus einem staatlichen Fonds.
Die Summen seien aber zu niedrig, kritisieren die Bauern, weil nur der
Zeitwert entschädigt werde und nicht, was der Baum in Zukunft wert wäre.
Manchen Waldbauern geht es auch gar nicht ums Geld, sondern um die uralten
Buchen. „Mein Mandant will nicht entschädigt werden, sondern den Wald
schützen, der ihm gehört“, sagte Anwalt Thomas Winter vor dem BGH. Auch die
alten Buchen stünden unter Naturschutz, es gehöre zu den „Natura
2000“-Gebieten, die nach EU-Recht geschützt sind.
## Seit 2013 sind die Wisente frei
Die Wisente wurden 2008 angesiedelt, zunächst in einem Gehege. Seit 2013
läuft die Freisetzungsphase. Damals wurde das Gehege geöffnet. Es soll
beobachtet werden, wie sich die Tiere verhalten. In der dritten Phase
würden die Tiere „herrenlos“. Derzeit ist das Projekt noch in der zweiten
Phase. Die Tiere sind schon frei, der Verein gilt aber noch als Eigentümer.
Das Oberlandesgericht Hamm wollte die Tiere in einem Urteil von 2017
bereits wie Wildtiere behandeln. Die Waldbauern hätten den Verbiss ihrer
Bäume dann dulden müssen, weil besonders geschützte Wildtiere nicht
gefangen werden dürfen – außer die Naturschutzbehörde gibt eine
Ausnahmegenehmigung, die der Verein laut Oberlandesgericht beantragen
solle.
Dieses Urteil wird vor dem BGH wohl keinen Bestand haben, erläuterte die
Vorsitzende Richterin Christina Stresemann. Ob die Wisente „wilde Tiere“
und damit „herrenlos“ sind, sei eine juristische Frage, auf das
tatsächliche Verhalten komme es dabei nicht an. Entscheidend sei, dass bei
den Wisenten die vertraglich vereinbarte Beobachtungsphase noch nicht
vorbei sei. Ein Abbruch des Projekts sei laut Vertrag durchaus noch
möglich.
Richterin Stresemann stellte deshalb eine andere Lösung zur Diskussion.
Während der Freisetzungsphase könne es sich um eine Naturschutzmaßnahme
handeln, die (auch) auf dem Gebiet der Waldbauern stattfinde. „Es war ja
von vornherein nicht unwahrscheinlich, dass die Wisente das Projektgebiet
auch mal verlassen“, so Stresemann. Auch daraus ergebe sich laut
Bundesnaturschutzgesetz eine Duldungspflicht der Waldbauern, wenn sie
„nicht unzumutbar“ beeinträchtigt werden. Mit Blick auf die
Entschädigungszahlungen tendiert der BGH dazu, die Zumutbarkeit zu bejahen.
## Protest von Waldbauern – und Wisentfreunden
Der Vorschlag des BGH kam für alle Seiten überraschend. Anwalt Siegfried
Mennemeyer, der den Wisentverein vertritt, protestierte. Es könne nur auf
das tatsächliche Verhalten der Tiere ankommen. „Der Altbulle hat schon zwei
Jungbullen gemeuchelt, da geht es wirklich wild zu.“ Viele der Herdentiere
seien schon in Freiheit geboren, die Tiere seien längst wild und herrenlos.
Richterin Stresemann entgegnete: „Wenn Tiere sich durch ihr Verhalten
selbst herrenlos machen könnten, wird es nie wieder Auswilderungsprojekte
geben“. Die Testphase müsse kontrollierbar sein, ein Abbruch des Projektes
möglich bleiben.
Doch auch die Waldbauern waren mit der vom BGH vorgeschlagenen Lösung nicht
zufrieden, da sie zunächst eine Duldungspflicht für die Forst-Eigentümer
vorsieht. „Wenn die Tiere das Projektgebiet verlassen, sind sie außerhalb
der Rechtsordnung“, erklärte der zweite Bauern-Anwalt Volkert Vorwerk. Die
Wisente könnten dann von Jägern erschossen werden. Seiner Meinung nach
verhielten sich die Tiere ohnehin nicht wie wilde Tiere. „Sie lassen sich
füttern und laufen auf Menschen zu“, dies könne durch Fotos bewiesen
werden.
Das BGH-Urteil wird wohl erst in einigen Monaten verkündet. Möglicherweise
wird der Fall zum Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen. Mit Blick auf
reißerische Presseberichte stellte Richterin Stresemann klar: „Das
Schicksal der Wisente hängt nicht vom BGH ab“. Der konkrete Rechtsstreit
betreffe nur die Freisetzungsphase, die nicht unbegrenzt ausgeweitet werden
kann. Deshalb solle rechtzeitig mit der Auswertung und der Entscheidung
begonnen werden, sonst ende auch eine etwaige Duldungspflicht. Wenn sich
die Politik für den Übergang in die Phase der Herrenlosigkeit entscheide,
so Stresemann, müssten dann auch die Belange der benachbarten Waldbauern
besser berücksichtigt werden.
16 Nov 2018
## LINKS
[1] /Artenschutzprojekt-in-NRW/!5410009
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Wisent
Forstwirtschaft
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Energiewende
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