| # taz.de -- Kolumne Geht's Noch: Selbstverständlich grantig | |
| > Expats wählen Österreichs Hauptstadt Wien zu einer der unfreundlichsten | |
| > Städte der Welt. Wien? Unfreundlich? Ja, was denn sonst? | |
| Bild: Hübsch ist Wien selbstverständlich auch. Die Staatsoper zum Beispiel | |
| Wien ist im diesjährigen „Expat City Ranking“ in puncto Freundlichkeit auf | |
| Platz 65 von 72 gelandet. Platz 65. Kann eigentlich gar nicht sein. | |
| Immerhin war Wien im vergangenen Jahr noch zweitunfreundlichste Stadt der | |
| Welt – dahinter nur noch Paris, weil da eben Franzosen leben –, aber dass | |
| Wien in nur einem Jahr um sechs Plätze freundlicher geworden sein soll, ist | |
| gänzlich ausgeschlossen. Jeder, der diese Stadt kennt, weiß: Hier ändert | |
| sich nichts. | |
| Dass die Expats – was übrigens nur ein schickes Wort ist für die einzigen | |
| Wirtschaftsflüchtlinge, die von der österreichischen Regierung bislang noch | |
| geduldet werden –, dass also diese Expats beanstanden, die Menschen in Wien | |
| seien unfreundlich, das ist in etwa so, als würde man bemängeln, dass die | |
| Römer temperamentvoll sind, die Londoner höflich oder dass die Hamburger | |
| ständig Regenjacken tragen – weil, ja, eh, was erwartet ihr denn? | |
| In Wien gehört Unfreundlichkeit zum guten Ton. Was dem Deutschen die | |
| Ordnung, ist dem Wiener der Grant. Wie sagte schon der Kabarettist Josef | |
| Hader: „Wenn Unfreundlichsein gesund wär’, wär’ die Herzinfarktrate in … | |
| bei minus drei.“ Diese Stadt ist nicht nur unfreundlich, sie ist auch die | |
| heilige Mutter des Resting Bitch Face – nur dass das hier „Gfris“ heißt. | |
| Alle „ziehn ein Gfris“. | |
| Wer in Wien freundlich lächelnd durchs Leben geht, der fällt auf. Man muss | |
| das insgesamt mehr als Chance sehen: Nur in Wien kann man, durch alle | |
| Schichten und über alle Situationen hinweg, jedes Gespräch auflockern mit | |
| einem herzlichen: „Schau net so deppat.“ Und das ist nicht mal böse | |
| gemeint. Also schon oft, aber eben nicht immer. | |
| Nirgends weiß man es außerdem so zu schätzen wie in Wien, wenn man nach | |
| einem langen Tag auf jemanden trifft, der einem ein paar nette Worte sagt. | |
| Denn in dieser wunderschönen Stadt zischen einem Menschen „Geh schleich di“ | |
| entgegen, wenn man nicht schnell genug aus der U-Bahn aussteigt; die Dame | |
| an der Kasse im Supermarkt faucht: „Lossns eana ruhig a bissl Zeit“, wenn | |
| das Geld nicht augenblicklich griffbereit ist, und im Grunde werden die | |
| meisten zwischenmenschlichen Anliegen mit „Jo eh“ (Ich nehme zur Kenntnis, | |
| dass dir das wichtig ist, aber mir ist das egal), „Schau ma mal“ (Nie im | |
| Leben) oder „Na no na ned“ (Sehe ich aus, als wüsste ich das nicht selbst) | |
| beantwortet. | |
| Es ist viel dran an dem alten Schmäh: Wer in Wien war und von netten | |
| Wienern erzählt, der hat sie höchstwahrscheinlich nicht verstanden. | |
| 24 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Saskia Hödl | |
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